Deine Schilderungen dürften hier allen früheren Welpen- und Junghundebesitzern mal mehr, mal weniger bestens bekannt sein: Hund in der Pubertät!
Dein Hund wird erwachsen, sucht „seinen“ Platz im eigenen Rudel und in der Hun-dewelt.
Ich hatte dieses manchmal zweifelhafte „Glück“ mit zwei Hündinnen und zuletzt jetzt mit Rusty – und zwar rund unendlich dauernde 5 Monate lang: Die Ohren waren auf Durchzug gestellt, Sitz und Platz z. B. wurden, wenn überhaupt, nur noch zögerlich und dann meist nur unter vorherigem, demonstrativen Anpinkeln des nächstbesten Objekts (auch wenns ein „Hosenbein“ war), ausgeführt. Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit waren gleich Null. Beim Abruf, der bis dahin bestens funktio-niert hatte, war es schon ein Erfolgserlebnis - für mich! - wenn er sich nach einer Ehrenrunde großzügiger Weise in meine Richtung bequemt hat. Was das „Einfan-gen“ betraf, zog jeder Trick trotz sonstiger absoluter Lernschwäche merkwürdigerweise nur einmal, beim zweiten Mal wußte der Herr was kam und ging weiter seiner Wege. Andererseits war er in dieser Zeit auch überempfindlich: Hatte ich ihn einmal zu laut angesprochen, ist er zusammengezuckt und hat sich winselnd auf den Rücken geschmissen. Versehentliches einmal auf einige Häarchen der Rute treten, hatte großes Gekreische zur Folge, bekam er seinen Willen nicht, war er zutiefst beleidigt und hat mich dann teilweise tagelang mit absoluter Nichtachtung gestraft.
Interessant und manchmal hochpeinlich war auch, wie sich sein Verhalten gegenüber anderen Hunden geändert hat: Hatte er bislang immer schön friedlich mit anderen Hunden, auch Welpen, gespielt, wurde sich jetzt machomäßig in die Brust geworfen, angepöbelt werden mit zurückpöblen beantwortet und mit anderen gleichalterigen, vornehmlich Rüden, unter teilweise lautem Getöse gerauft was das Zeug hielt, gleichwohl und glücklicherweise ist es nie ernsthaft geworden. Welpen werden seither nicht mehr beachtet, sondern als lästig angesehen. Lustig war es dann, wenn er Hündinnen mit geschwellter Brust hintergestelzt ist und Nebenbuhlern, die ihn in die Schranken gewiesen haben, aus gebührender Entfernung beleidigt nachgekeift hat.
Auch wenn diese 5 Monate mit einem Macho und Weichei in Personalunion nicht leicht waren und man - empfindlich geworden - meint, mit seinem Untier nur noch peinlich aufzufallen, haben mich vor allem die ungefragten Ratschläge anderer Hundehalter (von „Sturheit rausprügeln“ über „ein ordentliches Stachelhalsband“ bis „Te-letac“ war wirklich alles dabei) und deren Unverständnis für meine „viel zu lange Leine“ und die Tatsache, daß ich meinen „Raufbold“ nach wie vor frei habe laufen und raufen lassen, genervt.
Mein Tierarzt hat mit bei meiner ersten Hündin, die rund ein ¾ Jahr ihre pubertäre Phase hatte, geraten, mich - auch wenn sie mich zur Weißglut treibt - nicht zu Wutausbrüchen hinreißen zu lassen sondern, immer daran denkend, daß derjenige als Chef anerkannt wird, der souverän, überlegt und vorausschauend handelt, solche Lächerlichkeiten mit Humor zu nehmen, Frechheiten mit Mißachtung abzustrafen und einmal gesetzte Regeln beizubehalten. Verbale oder gar körperliche Angriffe wären für die Entwicklung des Hundes absolut negativ.
Mit der Zeit und vor allem mit Erfahrung wird man natürlich auch gelassener, im Nachhinein war es zwar anstrengend, hat sich aber gelohnt: Ich habe heute einen Hund, der absolut sozial- und umweltverträglich ist, gelassen auf Pöbeleien anderer Hunde reagiert, daher größtmögliche Freiheiten genießt, aber immer noch seinen Kopf und Charakter hat. Auch wenn ich ihn mittlerweile nicht mehr dabei erwische, weil er es offensichtlich geschickt angstellt, schafft er es durch einmaliges kurzes Fixieren offenbar immer wieder, andere Hunde an der Leine zum Ausrasten zu bringen, um dann seinerseits hierauf absolut gleichgültig zu reagieren und für dieses vorbildliche Verhalten das Lob und die bewundernden Blicke anderer Menschen zu bekommen. Diese Marotte zeigt er ausschließlich vor großem Publikum, vorzugsweise in der Fußgänzerzone oder auf dem Markt.
Also, Kopf hoch und durch..... Gruß Steffi