Okay, dann erzähl ich mal.
Wann genau der "Unfall" passiert ist, das weiss ich grad gar nicht.
Müsste so ziemlich ein Jahr her sein, denn es wurde Abends schon recht früh dunkel. Wir waren die letzte Runde draussen und hier ist eine Art Schleichweg, also nur ein Fußgängerweg durchs Wohngebiet, die ja bekanntlich recht schmal sind. Lori war an der Flexi und es war ca. 00:30 Uhr, es lag etwas Schnee.
Ich bin mal absolut gar nicht auf die Idee gekommen, dass um diese Uhrzeit, an diesem Fleck wo ich noch NIE ein Fahrrad gesehen habe, eins kommen wird. Auf jeden Fall, so schnell konnte ich gar nicht gucken, ist da ein junger Herr ohne Licht und dunkel angezogen um die Ecke geprescht, hat dann quasi eine Vollbremsung reingehauen und der Hinterreifen ist dann natürlich gerutscht. Lori hat es an der Rute gestriffen...
Ich hab einen Schrei losgelassen was das denn soll?! Angehalten, oder gar entschuldigt, hat der sich nicht. Einfach weitergefahren! Es hätte nur noch gefehlt das er mitten in die Flexi gefahren wäre und mit sämtlichen Knochenbrüchen ins Krankenhaus gekommen wär. (Zu seinem Glück, das KH ist in der selben Straße, weit hätte ers nicht mal gehabt. )
Ich bin dann sofort heim, das waren vielleicht grade mal 50m die wir gelaufen sind. Lori war nur am Zittern und wusste gar nicht recht was los war. Seither hatte er eine tierische Angst. Fahrräder die er auf ettliche Entfernung gesichtet hat bedeuteten schon sein aus. Er lief keinen Meter mehr, wollte sich wie gesagt aus allem herauswinden - egal ob Geschirr oder HB.
Das komische aber war: er hat seither NUR Angst vor Rädern, nicht vor Autos, nicht vor Rollern o.ä.
Auch hat er nur Angst vor einzelnen Rädern, wenn die in der Gruppen sind nicht....ausser und jetzt halt Dich fest, der Schock bei mir sitzt immernoch tief:
Meine Freundin + ihr Hund und ich mit Lori waren Abends im Wald zusammen Gassi. Wieder auf einem Weg wo wir unser Lebtag noch NIE jegliche Fahrräder gesehen haben, bis zum besagten Tag und ich könnte schon wieder heulen...
Beide Hunde offline, am Spielen, Rennen und Toben. Die Hunde ca. 15m vor uns, als eine Gruppe Fahrradfahrer (5 Stk., erwachsene Leute!) um die Kurve kamen. Ich wollte Lori natürlich sofort ranrufen, das war aber nur ein Bruchteil einer Sekunde. Mein Hund dreht um und rennt sich die Seele aus dem Leib, verfolgt von der Gruppe die es nicht für nötig gehalten haben anzuhalten!!! Wir haben beide "Stop!" geschrien, sie fahren weiter mit hetzendem Hund vor sich.
Ich kann heute noch von Glück sprechen was dann geschah: es gab nur die Möglichkeit rechts, oder links am Weg abzubiegen. Nach links wäre die Hauptstraße gekommen, nach rechts weiter in den Wald. Lori ist wie als hätte er dies gewusst nach rechts abgebogen, die Räder nach links! Ich hatte mir gedanklich schon ausgemalt was da passiert wäre...
Nun war ich bei der Weggabelung angekommen, kein Hund in Sicht und ich bin natürlich so schnell gerannt wie ich nur konnte. Der Weg geht geschätzte 500m geradeaus, kein Hund weit und breit. Von weitem hab ich dann gesehen, dass an der nächsten Wegkreuzung ein Mann mit seinem Hund stand und gewartet hat, ich dachte er hat ihn geschnappt. Kam dann total ausser Atem dort an und hab gefragt "Haben Sie einen Hund mit blauem Geschirr gesehen?!", er meinte nur "Ja, der ist schon ganz da hinten..." und zeigt wieder auf einen Weg, geschätzte 500m lang.
Mir kamen die Tränen und bin weitergerannt. Benji, der Hund meiner Freundin war mit mir, irgendwann hab ich Lori gesehen (er konnte wahrscheinlich nicht mehr) und ganz laut nach ihm gerufen, Benji ist sofort hingerannt und Lori hat dann rechts -fast im Gebüsch- gewartet und nur gezittert.
Als ich ihn dann im Arm hatte hab ich erstmal geheult und mein armes Baby heimgetragen. Es war so schrecklich! Auch wenn ich quasi selbst Schuld bin, aber hätten diese Erwachsenen angehalten, dann wäre es niemals so ausgeartet.
Das hat ihn zusätzlich natürlich nochmal alles geprägt, worauf es dann eigentlich erst richtig anfing mit der Angst.
Geübt haben wir in kleinen Schritten:
1. Zuerst Fahrrad angucken und beschnuppern (im Stand)
2. Ich hab mich auf das Fahrrad gesetzt, wieder gucken und schnuppern lassen (im Stand)
3. Irgendwann haben wir das Fahrrad neben mir hergeschoben
4. Dann langsam neben ihm hergefahren
5. Schneller neben ihm hergefahren
6. Fahrrad kam "plötzlich"
Seit diesem Punkt scheitert es aber auch. Wenn er nun die Chance hat ein Fahrrad von weitem zu sehen, dann interessiert es ihn kaum noch. Wenn es aber überraschend kommt, dann will er wieder umdrehen und zieht, hüpft in die Luft und will nicht weiterlaufen. Seit Lilly aber nun da ist wird das allmählich auch besser, weil er einfach sieht, dass ihm das überhaupt nix macht!
Deswegen bin ich über jeden kleinen Fortschritt so froh und dankbar! Vor ein paar Tagen hab ich ja geschrieben, dass er weitergeschnüffelt hat, als ein Rad an ihm vorbeifuhr. Das froht mich sehr ihn so "entspannt" zu sehen!
Ich hoffe dass er wieder auf den richtigen Weg kommt, aber mit Lilly, Übung und keinen dummen Ereignissen, dürften wir uns schon auf dem richtigen Weg befinden! Ich weiss nicht ob er jemals seine Panik verlieren wird, aber so wie er momentan ist, ist das eigentlich zum Anfang gar nix mehr.
Es gab eine Zeit, da wollte ich nicht mehr Gassi und war innerlich so angespannt, was sich auch auf ihn übertragen hatte. Immer die ständige Angst, was ist, wenn uns wieder ein Fahrrad begegnet.
Es dauert bestimmt noch seine Zeit, aber er macht das inzwischen ganz toll und souverän, mein Herzhund!
Es war für ihn UND für mich die reinste Qual, diese harte Zeit zu überwältigen...
Ich hoffe, ich konnte Dir die Fragen etwas beantworten?!