Beiträge von Satoo

    Ich halte viel davon, Hunden aus dem Tierheim ne x-Chance zu geben, hab hier selbst so ne Tierheim-Seele sitzen.
    Allerdings warne ich davor zu blauäugig an die Sache zu gehen. Es sind und bleiben Überraschungspakete, bei denen sich im neuen Heim viel im Verhalten ändern kann, sowohl zum Positiven aber auch zum Negativen. Spaziergänge oder die Einschätzung vom Tierheimpersonal ist für mich stets ein erstes Zeichen, aber sobald der Hund bei dir ist und später dann angekommen ist, sieht die Sache jeweils völlig anders aus. Darüber muss man sich vorher klar sein. Die Spannweite ist da sehr groß und man muss mit allen Eventualitäten leben können bzw. die Lust darauf haben Zeit und ggf. Geld zu investieren.


    Du solltest für dich entscheiden, was passiert, wenn er nicht gesellschaftsfähig wird? Was machst du dann? Es gibt Hunde, die sind auf eine Person fixiert und da wird es schwierig, wenn die Prägezeit rum ist, das zu ändern - in vielen Fällen kommt zwar eine Besserung zustande, aber unbekümmert wird so ein Hund sehr wahrscheinlich nie mit vielen Menschen auf einem Haufen umgehen können.
    Was machst du, wenn zu dieser Problematik noch andere kommen, die sich jetzt noch nicht mal abzeichnen? Unsauberkeit zum Beispiel, ein Hund, der im Zwinger gelebt hat, muss nicht unbedingt stubenrein sein - dann fängt das Training wie beim Welpen an.
    So ein Hund wird viel Anleitung durch dich brauchen, kannst du das zeitlich gewährleisten oder auch von deiner Persönlichkeit her, nicht jeder Mensch ist für jeden Hund geeignet? Auch die Umgebung kann entscheidend sein, tu ich dem Hund einen Gefallen, wenn ich ihn bei mir aufnehme, braucht er eher Ruhe oder kommt er auch mit der Innenstadt zurecht?
    Ist es wirklich nur Unsicherheit oder kommen da noch andere Dinge zusammen? Unsicherheit und nach-vorne-gehen ist ne Mischung, die gehandelt werden muss und die nicht unbedingt einfach ist.
    Das sind ein paar Fragen, die du für dich beantworten solltest.


    Die Zeit, die ein Hund im Tierheim verbracht hat, sagt nix über den "Schaden" aus. Der eine Hund ist mit einem Tag schon total fertig, der nächste verträgt es ganz gut.

    Zitat


    An die HH, der Hunde, die es immer anzeigen: Habt ihr das euren Fellnasen beigebracht?


    Glg


    Nein, beigebracht direkt nicht. Es ist eher eine Wechselwirkung von Anzeigeverhalten ernst nehmen und drauf reagieren gewesen, was sich dann gefestigt hat.

    Wenn Not am Manne ist und der Hund anzeigt, dass er raus will, wird hier auch zügig gegangen. Das gilt sowohl für Übelkeit als auch für dringende Geschäfte. Ich bin heilfroh, dass Satoo anzeigt und nicht nur stillschweigend irgendwo in die Ecke macht - so hab ich wenigstens die Chance, dass die Sachen draußen landen. Allerdings macht er da kein Spiel drauß, sondern wenn er anzeigt, ist auch was.


    Im Krankheitsfall hab ich mir auch schon nachts den Wecker auf alle 4 Stunden gestellt, weil das der Zyklus von Sammy am Schluss war - im Ernstfall würd ich ihn mir sogar in noch engeren Abständen stellen.

    Im Prinzip "kämpft" ihr ja darum, was die größere Motivation für deinen Hund darstellt: der andere Hund oder das Verhalten, was du willst. Von daher ist in der Phase des Lernens immer wichtig, zu schauen, wie kann ich meinem Willen die größere Motivation geben. Belohnung für richtiges Verhalten ist wichtig, damit er das gewünschte Verhalten häufiger zeigt. Allerdings gilt dabei: Lob ist immer nur das, was der Hund als Lob wahrnimmt, von daher schau was für euch beide zutrifft. Es nützt dir nix, wenn du mit dem Hund zur Bestätigung spielen willst, er aber auf Spielen gar nicht steht (ist jetzt nur nen Beispiel). Im Thread "Zeigen und Benennen" sind einige Listen verlinkt, was so alles Belohnung darstellen kann, vielleicht findest du da noch Alternativen, die passen.


    Die Besorgnis "Leckerlimaschine" zu werden, kann ich gut verstehen. Dagegen wirken kannst du dadurch, dass du die Belohnungen variierst (dabei aber möglichst höherwertig sein, als die intrinsiche Motivation) oder auch darauf achtest, wann du die Belohnung gibst. Also zum Beispiel erst Leckerchen rausgeben/freigeben, wenn der Hund das Verhalten zeigt und nicht schon damit vor ihm wedeln, bevor er was tut. Später ist es sinnvoll, die Belohnung ausschleichen zu lassen, heißt von ständiger Belohnung zu ab und an - aber für den Schritt müssen die Lernschritte schon sehr gut sitzen.


    Einen Hund, der nicht gekriegt werden will, zu kriegen, halte ich für fast unmöglich: die sind so wendig und haben solche Reaktionszeiten, da habe zumindest ich (und ich denke viele andere auch) keine Chance. Wenn er durchgestartet ist, hilft "sich beim anderen ggf entschuldigen", ihn da abzuholen und weiterzuüben. Ich hab mir abgewöhnt, das Abrufkommando in solchen Durchstartsituationen immer wieder zu wiederholen, bringt eh nix, wenn das Kommando sitzen würde, würde er es schon beim ersten mal durchführen und der Befehl nutzt sich so nur ab.


    Es gibt natürlich noch so Tricks wie sich schnell in die andere Richtung bewegen, sich verstecken und ähnliches, aber ob die euch helfen, weiß ich nicht - auch das ist so individuell wie alles andere auch, bei einem Hund hilfts klasse, der nächste nutzt die Sache erst recht.

    Aber mal zurück zum Thema:
    Eventuell solltest du das Thema "Abruf von anderen Hunden" von einer anderen Seite aufbauen. Viele Hundehalter gehen so vor, dass sie dem Hund erstmal beibringen, unter welchen Bedingungen er zu anderen Hunden hin darf. So wird der Reiz "Hund" nicht sofort mit dem Verhalten "lospreschen" kombiniert, sondern mit zum Beispiel sich neben den Halter setzen, den Halter anschauen, auf das Lossignal warten. Wenn man so vorgeht, kannst du die Zwischenschritte absichern und positiv erarbeiten, was für den Lernprozess von großem Vorteil ist.

    Man sollte schon wissen, wo die Unterschiede zwischen klassischer und operanter/instrumenteller Konditionierung liegen.
    Über das Rückenmark verläuft lediglich die Konditionierung von Reflexen, belegt durch Pawlow, der den Speichelfluss mit Glockenton kombiniert hat. Das gilt für alle Reflexe und nennt sich klassische Konditionierung.


    Thorndike, Skinner und andere haben zusätzlich herausgefunden, dass jedes zufällige Verhalten zusammen mit einem Reiz so gelernt werden können, dass schließlich das gewünschte Verhalten immer gezeigt wird, wenn der Reiz wahrgenommen wird. Die Verarbeitung des Reizes verläuft jetzt aber nicht mehr über das Rückenmark, da kein Reflex. Das ist der Bereich der operanten/instrumentellen Konditionierung, die im Erlernen von Handlungsschritten im Leben eine wichtige Rolle, auch bei uns Menschen, spielt.

    Zitat

    Ich zitier mal nur das, denn ich weiß grad nicht ob ich lachen soll... Sorry, aber 6000 Wiederholungen?
    Das würde bedeuten das ein Hund das erst nach 1 Jahr täglichen Trainings wirklich kapiert hat!


    Na dann will ich mal etwas ausführlicher antworten. Als erstes hab ich mal das "bis zu" festgemacht, weil nicht jeder Konditionierungsvorgang soviele Wiederholungen braucht.


    Der Konditionierungsvorgang ist streng genommen erst abgeschlossen, wenn das gewünschte Verhalten unter allen Reizlagen reflexartig ausgeführt wird und ein Automatismus stattfindet. Das heißt das Lebewesen führt das gewünschte Verhalten aus, ohne über andere Optionen nachzudenken. Wie viele Wiederholungen nun für das Erreichen dieses Endstadiums gebraucht werden, ist unter anderem davon abhängig wie komplex das gewünschte Verhalten in sich ist (wieviele Handlungsschritte zum erfolgreichen Abschließen führen) und von der intrinsischen Motivation des Lebewesen, das gewünschte Verhalten ursprünglich auszuführen.


    Warum schreibe ich Lebewesen? Jedes Lebewesen, darunter auch Mensch und Hund, lernen sehr vieles auf dem gleichen Weg, der Konditionierung. Deswegen können wissenschaftliche Erkenntnisse aus der humanen Lernpsychologie auch auf Hunde übertragen werden. Aber zum besseren Verständnis bring ich jetzt mal ein paar Beispiele von uns Menschen, die (fast) jeder von uns durch Konditionierung in seinem Leben gelernt hat und sich vielleicht an die Mühen des Lernprozesses noch erinnert:


    Was die Auswirkungen der Komplexität verdeutlicht, ist der Unterschied zwischen Klettverschluss verschließen und Schnürsenkel binden. Die einzelnen Handlungsschritte beim Klettverschluss sind vom Schwierigkeitsgrad und der Anzahl her sehr viel geringer als beim Schnürsenkel binden, weswegen Kleinkinder es relativ schnell begreifen, wie die Dinger funktionieren und die Aufgabe relativ zügig selbständig ausführen können. Im Gegensatz dazu verlangt es doch erheblich mehr Wiederholungen, das Binden der Schnürsenkel zu erlernen. Irgendwann wird dann auch dieser Vorgang zu einem Automatismus: wer denkt schon noch im Erwachsenenalter darüber nach, wie man die Schnürsenkel bindet. Das Problem der einzelnen Schritte und des Überlegens kommt dann erst wieder auf, wenn man den Vorgang selbst jemand anderem beibringen möchte.


    Ein Beispiel aus der wahrscheinlich jüngeren Vergangenheit als Schuhe verschließen: Autofahren. Am Anfang der Konditionierung (Fahrstunden) muss man auf die verschiedenen Reize sehr überlegt handeln, man denkt über jeden einzelnen Schritt nach, der auf einen bestimmten Reiz folgen muss. Im Laufe der Konditionierung wird das Überlegen immer weniger, einzelne Schritte (wie zum Beispiel Abbremsen, Schalten, Anhalten) werden immer selbstverständlicher bis sie irgendwann automatisch ablaufen. Der Konditionierungsvorgang ist nun abgeschlossen, aber das benötigt eine Vielzahl an Wiederholungen der einzelnen Handlungsschritte.


    Um wieder zum Thema Hundeausbildung zu kommen: die Ausbildung von Diensthunden dauert nicht umsonst mehrere Jahre oder wer schon mal Anti-Jagdtraining durchgeführt hat, weiß wie lange und wieviele Wiederholungen in einem Abruf stecken können, bis er wirklich gelernt ist.


    U.a. findest du, liebe(r) Aoleon, Informationen in folgenden Büchern dazu und jetzt stör dich nicht dran, dass sie aus dem Humanbereich kommen, sie sind übertragbar:
    Ernest + Bower: Theorien des Lernens I + II
    Mietzel: pädagogische Psychologie des Lernens + Lehrens
    Schmitt: Script Lernen und Verhaltensänderung

    Stimmt ist noch nicht zufriedenstellend, aber ich muss erst raussuchen, werde aber Quellenangaben nachreichen. Also bitte etwas mehr Geduld als 5 Minuten, kenne nicht jedes Buch Seite für Seite auswendig.
    Davon abgesehen sagen das auch viele Hundetrainer, u.a. auch Rütter.