Hallo Aljon,
mitunter sind die "blind gehorsamen" die glücklicheren Hunde. Die Ausbildung eines Jagdhundes ist sehr aufwändig, jedoch entspricht es seinen Anlagen und seinem Wesen absolut, organisiert in der Gruppe zu jagen.
In freier Wildbahn ist das Erlernen der gemeinsamen, organisierten Jagd für Hundeartige überlebenswichtig.
Die Aussage "je weniger Konditionierung, desto mehr Hund" finde ich aus diesem Grunde widersinnig. Hunde(artige) leben in Gruppen mit komplexen, sozialen Strukturen. Hierbei ist es m. E. zweitrangig, ob die Gruppe (oder Gesellschaft) ausschließlich aus Hunden oder einer Mischung aus Hunden, Menschen und sonst was besteht.
Zu erlernen, sich in die bestehenden Strukturen einzufügen, ist für den Hund unabdingbar. Je weniger Mensch vorhanden ist, desto unumgänglicher ist dies zur Sicherung des eigenen Fortbestehens (Menschen füttern auch unerzogene Köter - die Natur meist nicht ).
Ich denke, wenn Du Deinem Hund außer "Nein" und "Komm" nichts beibringst, ist das nicht unbedingt artgerecht.
Manchmal wünschte ich, Hunde würden in dieser Hinsicht mehr "vermenschlicht".
Gemein sind unseren Spezies das Spielen bis ins hohe Alter, komplexes Sozialverhalten und eine recht stattliche Intelligenz. Diese Kombi kommt in der Natur ansonsten nicht häufig vor. Es gibt also durchaus starke Parallelen.
Bei unseren Kindern wissen wir mittlerweile, dass es wichtig ist, diese Anlagen zu fördern. Je mehr auf allen drei Gebieten gelernt und sich ausprobiert wird, desto sicherer und erfolgreicher kann sich das Kind später in der Gesellschaft und in unterschiedlichsten Situationen bewegen.
Ich denke, diese Erkenntnis kann auf Hunde allgemein übertragen werden. Schau' Dir Hunde bei der Arbeit an. Egal ob bei der Jagd, beim Mantrailing, Dummy-Training, Agility, Schutzdienst, Clickern, Hüten oder sonstwas - die Tiere sind mit Feuereifer dabei. Selbst kleine Jobs, wie das Reintragen der Zeitung, werden meist sehr ernst genommen.
Auch Hunde die Ihre Menschen überall hin begleiten dürfen, weil sie gelernt haben, die unterschiedlichsten Situationen zu meistern, sind - Dank des Erlebnisreichtums - meist recht zufriedene Burschen.
Durch das gemeinsame Erleben und Lernen entsteht das, was Du zu Beginn als "tiefere Bindungsebene" oder ähnlich bezeichnet hast.
Unberechenbarkeit und Jähzorn haben in der Erziehung m. M. n. übrigens nichts verloren. Egal mit welcher Art Wesen Du umgehst. Du nimmst dem Tier die Sicherheit, sich im von Dir abgesteckten Rahmen frei bewegen zu können. Denn was gestern noch grün war, kann heute schon blau sein und dann ist - mit Deinen Worten - "die Kacke am dampfen". Mit Strenge oder Konsequenz hat das nichts zu tun.
Es ist menschlich, dass die Hutschnur mal Platzt - nur sollte das nicht ins Standart-Repertoire aufgenommen werden. Die meisten Hundehalter sparen sich das ganz klassisch bis zur Pubertät auf.
Zudem verarscht Dein Hund Dich nicht. Nie. Doppelschwör. Er hat jedoch sein eigenes Hirn und eigene Interessen und warum er lieber zu Dir kommen soll, statt einem Schmetterling nachzulaufen, dass musst Du ihm erst mal erklären. Das klappt am besten, wenn es für den Hund die gewinnbringendste Alternative ist. Es steht Dir aber auch frei, Dich in solchen Momenten veräppelt zu fühlen und es dann so richtig Krachen zu lassen - das dürfte einem freudigen Herankommen allerdings nicht allzu förderlich sein.
Noch ist der Hund jung und muss nicht viel lernen. Die Alltagsbewältigung und die Entdeckung der Welt ist für 'nen viermonatigen Stumpen meist 'ne ausreichend grosse Aufgabe. Du hast jetzt die grossartige Möglichkeit Dir noch mal zu Überlegen, welchen Platz Du in dieser neuen Welt einnehmen und wie Du Deinen neuen Freund begleiten und anleiten willst. Nutze sie.
Viel Spass und Erfolg dabei!