DER KONDITIONIERTE GESCHIRRGRIFF
(Eigentlich wollte ich das mit Videos unterstreichen, deshalb hat es so lange gedauert. Nun stelle ich aber fest, dass ich das alleine nicht so ganz hinbekomme, wie ich mir das gedacht habe. Tut mir leid, so müssen meine nackten Worte reichen...)
Anders als der Name vermuten lässt, muss man ihn nicht zwangsläufig am Geschirr aufbauen. Auch mit Halsband oder "nackt" kann man das gleiche Ergebnis erzielen.
Warum der Geschirrgriff funktioniert während andere Signale nicht mehr funktionieren?
Der Geschirrgriff wird so aufgebaut, dass man eine reflexive Reaktion des Hundes bekommt. Das bedeutet, dass der Hund auf Signal "nicht mehr anders kann", als nachzugeben. Das ist wichtig, weil der Geschirrgriff immer dann angewandt wird, wenn "alle Stricke reißen".
Selbstverständlich kann man ihn für alle Abbrüche nutzen, auch Jagdverhalten lässt sich damit zumindest unterbrechen.
Ich persönlich nutze den Geschirrgriff nur im Aggressionsverhalten. Er dient nicht dazu den Hund zu entspannen oder "komplett herunterzufahren" - der Hund wird aber wieder ansprechbar und kann sich umorientieren, wenn man das ins Training aufnimmt.
Im Gegensatz zu der Ausführung hier im Forum ist der Geschirrgriff keine positive Strafe. Hier wurde wohl ein Artikel falsch interpretiert.
Wir trainieren mit dem Hund, damit er die Bewegungseinschränkung zulässt und das so schonend wie nur irgendmöglich. Theoretisch tricksen wir ein bisschen, wir verkaufen dem Hund diese Einschränkung als etwas Tolles. Das ist weder hinterhältig noch schlimm noch un-gewaltlos. Es ist nicht verwerflicher als den Hund an eine Bürste oder Krallenschere zu gewöhnen, die er doof findet.
Es gibt sensible Hunde, die eine solche Einschränkung als eine wirkliche Qual empfinden, bei ihnen darf man nicht einfach ins Geschirr greifen und Zug ausüben. Hoer müsste man in kleinsten Schritten jede Annäherung an das Geschirr/Halsband/Körper markern und belohnen.
Wenn man wirklich sehr genau ist, ist es grundsätzlich natürlich schon ein Zufügen von etwas Unangehmen. Die Kunst liegt darin, dass der Hund das nicht so empfindet. Er wird doppelt über positive und negative Verstärkung belohnt, weswegen wir so ein tiefgreifendes Ergebnis bekommen.
Eigentlich sollte man sich den Geschirrgriff deshalb zeigen lassen - allerdings, wenn man sensibel und vorsichtig genug ist, kann man ihn alleine auch aufbauen.
Ich gehe nun vom Normafall aus:
1. Schritt:
Signal geben (Ich nutze "Halt!", ganz normal betont, ruhig aber deutlich gesprochen), ein wenig warten (ca. 2 Sekunden, damit Signal von Verhaltend eutlich getrennt wird, der Geschirrgriff soll später ja auch auf Entfernung funktionieren!), ins Geschirr/Halsband/an den Brustkorb greifen (am besten seitlich), kurzen Zug ausüben (es reicht bei einigermaßen empfindlichen Hunden, dass dieser wirklich kaum spürbar ist).
-Markerwort/Click!!
-Hochwertigste Futterbelohnung (positive Verstärkung)
-ERST JETZT die Hand vom Hund entfernen (negative Verstärkung)
Sobald der Hund irgendeine Spur von Meideverhalten zeigt, z.B. er wil weg, wendet sich ab, beschwichtigt oder sonst irgendein Unwohlsein müssen je nach Hund kleinschrittig Annäherungen erfogen, die sehr hochwertig bestärkt werden. Der Hund darf niemals auch nur irgendwie gezwungen werden. Er muss dabei entsoannt und motiviert mitarbeiten.
2. Schritt
Lässt der Hund sich dies gefallen und macht ihm das Spiel sogar Spaß, darf man noch einen Schritt weitergehen. Wie bei Schritt 1 verfahren bis zum Zug.
Nach dem Zug wartet man nun bis der gibt dann nachgibt. Manche bieten sofort ein Sitz an, viele aber verlagern ihr Gewicht, bitte den Hund gut beobachten.
Markern
Belohnen
Hand wegnehmen
(Schritt 3 - Umorientierung einbauen:
Nach dem Markersignal wird die Futterbelohnung so gegeben, dass sich der Hund zum Halter wenden muss. Das hat folgenden Sinn. Nutze ich den Geschirrgriff als Unterbrecher im Aggressions- oder Jagdverhalten hilft das Umschauen zum Halter dabei, dem Auslöser zu "entkommen")
Bei kleinen Hunden (meine sind zwar nicht Toy-Format, aber dennoch klein) würde ich vorschlagen, dass man sich am besten für den Anfang neben sie kniet. Ich habe mich seitlich positioniert und das Futter auch präsentiert. Ich weiß nicht, ob das Fachleute so emüfehlen würden, aber Futter ist ein guter Außenmotivator. Auch wen Akuma, für den ich den Geschirrgriff überhaupt gebraucht habe, zur rückgerichteten Aggression neigt, war der Aufbau im Haus für ihn kein Problem. Bei ihm ging die ganze Sache sehr schnell, wenn ich so zurückschaue.
"Zug":
Auf gar keinen Fall darf ich am Hund ziehen im Sinne von rucken/zerren. Der Hund soll selbst das Gewicht verlagern, deshalb nicht wild nach oben ziehen.
Schritt 1 ganz wichtig! Ich gebe einfach einen Impuls, damit der Hund spürt, dass ich da etwas tue. Keinesfalls darf man dies mit einem Ruck verwechseln. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wie beim Ziehen an der Leine. Ziehe ich zurück, wird der Hund nach vorne zerren. Sowas ist nicht mit "Zug" gemeint. Es kommt auch auf den Hund an, wie stark ich diesen Zugimpuls gebe. Für Akuma hat eine leichte Andeutung nach hinten (ich kniete auf Höhe seiner Schulter neben ihm, mein Körper ebenso seitlich) gereicht. Ich markere in Schritt 1 NUR dass ich an ihm "ziehen" darf, aber lasse NICHT los. Erst wenn er die Futterbelohnung erhalten und heruntergeschluckt hat, nehme ich meine Hand weg.
Er fand das Spiel nach zwei Mal schon toll, aber er ist megaverfressen und findet alle Spiele, die ich in der Wohnung anfange toll. Er ist mit Futter in reizarmer Umgebung für fast alles zu bekommen.
Bereits beim dritten Mal hat er sein Gewicht von alleine zurückgenommen. Nach ca. zwei Tagen hat er alles von alleine ausgeführt (IN DER WOHNUNG, draußen ist es eine andere Geschichte).
Ich habe den Geschirrgriff übrigens ohne Geschirr und Halsband aufgebaut. Denn bei uns heißt Geschirr = wir gehen raus (Es hat lange gedauert, in ans Geschirr zu gewöhnen).
Der Geschirrgriff kling spektakulär. Allerdings sieht man ihn in der Ausführung fast gar nicht. Wenn man sich Videos davon anguckt, wird man feststellen, dass man eigentlich kaum etwas "geboten bekommt". Ein erregter Hund, der mittels einem Signal kurz sich zurücknimmt, wenn man es überhaupt sieht. Nur der Halter selbst weiß, wie der Hund nicht mehr zu bändigen wäre, wenn man dieses Werkzeug nicht hätte.
Bei Akuma hat es ca. zwei Minate gedauert, bis ich von einer Zuverlässigkeit sprechen konnte. Damit meine ich, dass er ihn auch im Freilauf auf Distanz ausführen konnte und zwar im Aggressionsverhalten bzw. in der Reaktiviät. Er hilft mir, wenn Akuma seinen Frust auf Yoma laden will (beispielweise, weil ein Insekt gerade um ihn herumschwirrt und er es nicht bekommt...). In der Reaktiviät hat er mich vor der rückgerichteten Aggression geschützt, weil ich eben nicht mehr ins Geschirr greifen müsste bzw er einen Zug an der Leine zulässt.