...so oder so ähnlich liest man es heutzutage immer noch sehr häufig im Zusammenhang mit "Wenn er nach der zehnten Ermahnung immer noch in die Leine beißt, dreh den Hund auf den Rücken und knurr' ihn an!" und ähnlichen Aussagen.
Ich finde, dieser Thread passt hier ganz gut, weil gerade "Neuhundler" ja doch sehr verunsichert sind am Anfang und dann teilweise sogar blind alles ausprobieren, was ihnen geraten wird - sehr zum Schaden von der Hund-Mensch-Beziehung.
Natürlich muss der Hund wissen, wo er steht. Aber das lernt er nicht durch permanente Todesandrohungen und Übersprungshandlungen seitens des Wesens, dem er eigentlich sein uneingeschränktes Vertrauen und, viel wichtiger noch, sein Leben! anvertraut.
Auch wenn der Vergleich Hund-Wolf nicht perfekt ist, zeigen die beiden Arten doch einige Gemeinsamkeiten auf. Beobachtet man beispielsweise ein Wolfsrudel, so wird man in aufregenden Situationen (wenn es Fressen gibt, zum Beispiel) immer einen regen sozialen Austausch beobachten können. Beschwichtigungssignale, oder auch "calming signals", sind die Regel - tatsächliche Auseinandersetzungen die Ausnahme! Und dass ein Rudelmitglied die Entscheidung über Leben und Tod einem anderen Mitglied überlässt, passiert nicht alltäglich, und bestimmt nicht wöchentlich.
Wenn nun der Mensch mit seinem ohnehin eingeschränkten hündischen Kommunikationsverständnis daherkommt und seinen Hund (gerade in der Anfangszeit, wenn er nunmal noch viel austestet und lernen muss) fast täglich unterwirft, gar bedroht, dann lernt der Welpe schnell: Dieses Tier ist nicht ganz bei Sinnen! Und wie soll man jemandem vertrauen, der Situationen andauernd fehleinschätzt? Nimmt man so jemanden ernst? Und noch viel schlimmer: Wenn der Familiennachwuchs nun denkt, dass die permanenten Fehleinschätzungen des Rudelführers tatsächlich richtig sind (und vielleicht sogar selbst ein gestörtes Sozialverhalten, auch dem Hundeführer gegenüber, zeigt)?
Tja, aber wie lernt der Hund denn nun, dass er Probleme nicht selbst lösen muss? Wie lernt der Hund, dass ER keine Führungsqualitäten zeigen muss, sondern er sich zurücklehnen kann?
Keineswegs durch Gewalt, sondern durch Souveränität des Hundeführers. Der Hund muss wissen, wo seine Grenzen sind - und sollte sich innerhalb dieser Grenzen frei bewegen können. Das setzt Konsequenz und Berechenbarkeit des Hundeführers voraus. In einer "Diskussion" muss man den längeren Atem haben und sich, so schwer es auch fällt, zur Ruhe zwingen, egal wie nervenaufreibend der kleine Welpe gerade ist. Man muss Regeln für sich und den Hund aufstellen und diese auch (erstmal) so belassen.
Diese Regeln sollte man meiner Meinung nach nicht auf "wie schaffe ich es, die Regeln so zu formen, dass ich damit gleichzeitig meine überlegene Stellung klarmache"-Basis aufbauen, sondern einfach erstmal auf persönlichen Vorlieben. Ob man nun zuerst ist oder nicht, oder zuerst durch die Tür geht oder nicht, wird am Ende nicht ausschlaggebend dafür sein, ob der Hund seinen Halter ernst nimmt oder nicht.
Letztendlich denken wir heute noch viel zu sehr permanent nach, analysieren jedes Verhalten in Hinsicht auf Dominanzverhalten oder Aufsässigkeit des Hundes - und sehen oft Probleme, wo keine sind. Mein Hund knurrt, wenn ich ihm viermal hintereinander das Essen wegnehme und wieder hinstelle! Auch Hunde haben, wie wir Menschen auch, eine Art "persönlichen Radius". Genauso, wie wir es als unangenehm empfinden, wenn jemand im Gespräch sehr nach an uns steht, so gibt es bei Hunden auch die "Regel", dass das eigene Futter das eigene Futter ist. Ein ranghöheres Tier wird einem rangniederen Tier nicht einfach so das Fressen wegschnappen. Selbst ein rangniederes Tier hat in dieser Situation das Recht, das ranghöhere Tier anzuknurren und wegzuschnappen, und Überraschung: Das ranghöhere Tier wird das akzeptieren.
Soviel erstmal von meiner Seite... ich bin mir fast schon sicher, dass hier auch genügend Gegenargumente gibt, aber ich denke, ein kleiner "Aufklärungsthread" wäre schonmal ein erster Schritt, die Erkenntnisse der Wissenschaft etwas schneller an den Mann zu bringen und endlich die überholten Erziehungsmethoden à la Nackenschütteln und dominieren von der Bildfläche zu verdrängen :)