Baustelle...hm.. ich weiß nicht, ob ich es als Baustelle bezeichnen würde, weil es mich eigentlich nicht stört, es ist nur ungewohnt, und ich muss(te) gewaltig umdenken, denn:
Ich führe aktuell einen Hund, der außer dem Vieh nicht auf Kommandos hört... aber gut zu führen ist er trotzdem.
Ich kenne den Hund meines Freundes schon, seit er einige Monate alt ist, weil ich die ersten Jahre immer wieder zu Besuch war, bevor ich hierher zog. "Erzogen" im klassischen Sinne wurde er nie, er war halt immer Herrchens Schatten, und wie man Vieh bewegt, hat sie ohnehin im Blut.
Der Hund guckte sich von meinen damaligen Hunden so einiges ab, wie Gassigehen funktioniert, wie man am Fahrrad läuft, was man machen muss, um mit Leckerchen belohnt zu werden, wann man mich begeiern muss, um Fressen zu bekommen (und dabei schwor Herrchen Stein und Bein, außer ihrem Trockenfutter und Nachgeburt frisst sie nix), etc.
Alles in allem ein Hund, der richtig Spaß macht, weil er in Nullkommanix alles aufsaugt und rasend schnell verarbeitet. Ich hatte immer das Gefühl, hinter dem hübschen ACD-Streberschädel mit der verwegenen Piratenaugenklappe ratterten sämtliche Rädchen.
Eineinhalb Jahre war sie mit meiner letzten Hündin täglich 1 - 2 Std. mit zum Spazierengehen, zusätzlich zur Stall- und Koppelarbeit, und ich hätte schwören können, der Hund kennt meine Kommandos genauso gut wie meine eigene Super-Verlass-Aussie-Mausi, weil das Aas sie immer streberschnell und mit Seitenblick auf die unliebsame Nebenbuhlerin ausführte, selbst wenn sie gar nicht gemeint war.
Doch kaum war die verhasste Nebenkönigin tot, fiel ich aus allen Wolken, als der Hund außer auf Sitz nicht mehr reagierte - im Stall funktioniert(e) das Einmaleins wie Bleib, nein, weiter, alle mit, etc. nach wie vor.
Nichtsdestotrotz, der Hund hat eine einmalig gute Bindung zu mir, und wir wohnen hier so einsam, dass ich es mittlerweile aufgegeben habe, ihr die Kommandos, die ich gerne hätte, anzutrainieren, weil es schlicht an Übungsmöglichkeiten fehlt. Verkehrssicher ist sie insofern, dass sie allen Fahrzeugen aus dem Weg geht, das hat sie so auf dem Hof gelernt, und falls es nichts zu schnüffeln gibt, bleibt sie ohnehin in einem ganz engen Radius, und nachdem ich ihr einmal den Fahrradkorb hinterher geworfen habe, als sie meinte, trotz Rückruf einem Hasen nachsetzen zu müssen, ist das Hetzen auch so gut wie gegessen.
Sie reagiert 1a auf meine Stimm(ungs)lage, d. h. wenn ich barsch "lass es" oder "das geht Dich nix an" sage oder einfach einen unartikulierten Brüller loslasse, wenn frühmorgens ein Hase quer über den Hof hoppelt und sie hinterher will, bricht sie ab.
Selbst im Stall, wo ich manchmal gegen laute Umgebungsgeräusche anbrüllen muss, kann sie unterscheiden, ob mein Geblöke jetzt "lass es" oder "bester Hund der Welt, das war einmalig" heißt.
Da im Stall ein Generationenwechsel war (winkewinke in den Kuhhimmel an meine verblichenen Freundinnen) und im letzten halben Jahr praktisch der halbe Bestand an Milchkühen frisch dazugekommen ist, ist teilweise richtig viel zu tun, und wenn ich nicht so recht weiß, wie ich den Tross jetzt vorwärts bringe, wenn z. B. Tiere bullig sind und einen ganzen Gang aufmischen, reicht es, wenn ich "Hilfe!" blöke, dann räumt der Hund auf.
Es ist aber schon eine mordsmäßige Umstellung, einen Hund nicht mehr mit "Platz!" irgendwo festtackern zu können, wenn z. B. spielende Kinder um die Ecke geschossen kommen, ich muss immer die Zeit bis zum Ranrufen einkalkulieren, und wenn es mir zu unübersichtlich ist, bleibt eben die Leine dran.
Ich muss mich außerdem gut im Griff haben, dass ich mit Stimme und Körperhaltung immer genau das vermittle, was ich haben bzw. dem Hund gegenüber ausdrücken will, ansonsten macht sie ganz schnell ihr eigenes Ding. Zum Mausen darf sie sich z. B. relativ weit entfernen, aber kaum wird ein schneller Zickzacklauf mit Schnauze auf dem Boden daraus, muss ich sofort mein Missfallen kundtun, um sie ranzuholen, ansonsten stellt sie auf Durchzug.
Für mich eine wirklich interessante Erfahrung.
Caterina