Nur vom Lesen her finde ich es schwierig, daß richtig einzuschätzen.
Tüdelü: Wie alt ist der Hund? Habe ich das richtig rausgelesen, daß Du ihn aus dem Tierschutz oder so übernommen hast? Vielleicht ist das der Grund, warum es am Anfang gut lief. Er war fremd, war verunsichert, mittlerweile ist er angekommen und wird mutig. Ich kann Deinen Ansatz mit dem Territorialverhalten gut nachvollziehen.
Camillo 09: Ich verstehe aber auch Deine Idee und das ist vielleicht der feine Unterschied, der sich durch Lesen nicht so einfach erkennen läßt.
Als kleine Hilfestellung würde ich Euch gerne mal das Verhalten meiner Hündin beschreiben. Sie zeigt nämlich beides. Ich habe sie von klein auf, anfangs hat sie eigentlich fast alles verbellt, sowohl Hunde, aber auch Menschen. Sie wirkte aber nicht unbedingt ängstlich dabei, sondern eher forsch und selbstbewußt (Rute steil hoch, Laufen, wie ein Preisboxer). Finja (Hovawart/Bernersennen/Labbi-Mix) war von Anfang an ein Kontrollfreak, ein Beschützer und Aufpasser, ich sag mal gefühlte 90% Hovawart. Sie zeigte sehr starkes Territorialverhalten im Umkreis unserer Wohnung. Waren wir weiter weg, quasi auf unbekanntem Territorium, war ihr Gepöbel zwar auch nicht besser, aber ihre Körpersprache war eine andere. Ich kam irgendwann mal drauf, daß sie dort eher sagte, "komm mir nicht zu nahe, laß mich in Ruhe". Sie hatte kein Bock auf Fremdhunde, vielleicht sogar eher Angst vor denen, wobei größere auch immer bedrohlicher waren. Kleine Hunde sind immer erstmal nett, ihr bekannte Hunde erkannte sie und freute sich drauf.
Egal was es jetzt ist, ich würde es nicht schönfüttern, das bringt meiner Meinung nach gar nichts, habe den Fehler als Ertshundebesitzer anfangs auch gemacht. Also heißt, das Leckerchen schon vorher unter die Nase hängen, quasi als Bestechung. Leckerchen gerne hinterher für gut gemacht.
Nachdem ich das erkannt hatte, bin ich die Sache mit dem Teritorialverhalten und Schutztrieb recht streng angegangen. Ich habe ihr den Raum eingegrenzt, sie hinter mich gedrängt, ihr gezeigt, alles mein Raum und nicht Deiner und ich regel das. Machte sie es richtig, hörte auf meine Ansagen, gab es natürlich danach auch ein Leckerchen. Der Radius für ihr territoriales Verhalten ist mittlerweile recht klein und auch nur noch wenigen Hunden gegenüber.
Bei der anderen Sache war der Ansatz eigentlich ähnlich. Da ich dieses Vorpreschen mit Gebrüll überhaupt nicht wollte, mußte sie auf ähnliche Weise erstmal lernen, daß sie bei mir zu bleiben hat, wenn uns Hunde entgegen kamen. Das habe ich z. B. auch mit Hunden geübt, die sie kannte, einfach um eine klare Regel aufzustellen. Als das saß, habe ich nach Bauchgefühl und nach ihrem Verhalten entschieden. Ich habe ihr gezeigt, wenn sie nicht will und sie sich unwohl fühlt, was ich ihr mittlerweile sehr gut ansehe, dann bleibt sie bei mir und ich halte ihr auch jeden aufdringlichen Hund von der Pelle. Dadurch hat sie gelernt, Frauchen regelt das, ich muß gar nichts regeln hier. Sehe ich, sie möchte gerne mal gucken gehen und der andere Hund ist auch nett eingestellt, gebe ich sie im Nahbereich frei.
Das ist natürlich keine Sache von heute auf morgen, Finja ist jetzt 5 Jahre, es braucht ein bißchen Geduld, viel Übung und Konsequenz. Seit einiger Zeit sind wir aber da, wo ich hinwollte. Letzten Sommer waren ganz viel am Badesee. Früher wäre das undenkbar gewesen. Sie hätte jeden fremden Hund angebellt, unseren Platz verteidigt, keiner hätte sich in unserer Nähe bewegen dürfen. Aber sie lag ganz entspannt ohne Leine neben mir und hat alles interessiert beobachtet. Sie kann mit zu Bekannten, auch wenn die Hunde haben, die sie nicht kennt, wir können Besuch bekommen von Leuten mit Hunden, wir können in Biergärten oder so gehen ohne Streß. Es ist dann auch ein richtig tolles Erfolgserlebnis, wenn man merkt, es geht. Trotzdem wird sie nie der pflegeleichte Hund sein, der mit jedem direkt gut Freund ist und den man einfach so machen lassen kann. Sie braucht auch heute noch klare Ansagen und da ich aus der Vergangenheit heraus ein bißchen geschädigt bin, lieber eine Ansage und Regel zuviel als zuwenig, ich traue ihr manchmal auch heute noch viel zuwenig zu, mach mir oft einen Kopf im Vorfeld, was aber mittlerweile echt unnötig ist.
Bist Du aber total unsicher in der Einschätzung, würde ich Dir empfehlen, Dir einen HT zu suchen, der aber auch nur Euch alleine betreut, Eure Situation im Alltag und in Eurer Umgebung betrachtet und beurteilt und Euch vor Ort und Stelle und nicht auf dem Hundeplatz betreut.