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Heute ereignete sich aber eigentlich der bislang schlimmste Vorfall. Auf einer Wiese spielten ein Vater und sein Sohn mit ihrem Hund Ball apportieren. Der andere Hund zeigte keinerlei Aggression, wirkte sehr lieb und harmlos. Das Herrechen bestätigte auch, dass sei Hund sehr lieb wäre. Unser Hund hatte den anderen Hund bis dahin auch nicht groß beachtet und nicht wie sonst oft direkt geknurrt, so dass wir davon ausgingen, dass er dem anderen Hund gegenüber auch nicht feindlich gesonnen war. Daraufhin haben wir in Absprache mit dem anderen Herrchen unseren Hund auch abgeleint, um zu gucken, ob die beiden nicht gemeinsam dem Ball hinterherjagen können. Das Ganze ging keine 10 Sekunden gut. Der Ball war noch gar nicht geworfen worden und lag nur im Gras, als beide Hunde diesen gleichzeitig haben wollten. Es gab ein ein kurzes Knurren und keine Sekunden später hing unser Hund dem anderen am Hals, ließ sich natürlich nicht wegrufen und von gar nichts beeindrucken. Erst nach ca. 30 Sekunden konnten wir ihn von "seinem Opfer" trennen und anleinen. Der andere Hund hatte nur gejammert und sich nicht gewehrt und unserer hatte ihn immer wieder attackiert und sich festgebissen. Alle waren ziemlich schockiert. Nun haben wir beschlossen, dass wir ihn jetzt gar nicht mehr von der Leine lassen können, weil er so aggressiv reagiert, da man nie weiß, wann irgendwo ein anderer Hund auftaucht.
Ihr habt einen großen Fehler gemacht. Nämlich den Ball nicht zu entfernen, sondern ihn noch zum Spielen überlassen. Dein Hund sieht in diesem Moment den Ball nicht als Spielzeug, sondern als seine Ressource. Er will den Ball für sich haben und kennt dabei kein Pardon.
Das gesamte Management vorher, wo ihr gemeinsam abgeschätzt habt, ob die Hunde miteinander spielen können, fand ich ok. Nur eben der Ball hätte nicht dabei sein dürfen. Hunde können auch wunderbar ohne Spielzeug miteinander spielen, und dann entstehen solche Situationen nicht.
Wir haben den Hund als Welpen im Alter von 10 Wochen bekommen. Wir hatten den Züchter vorher schon 2x getroffen (einmal ein halbes Jahr vorher und dann 4 Wochen, bevor wir den Hund abgeholt haben), um uns einen Eindruck zu verschaffen. Er hatte viele Geschwister (8) und ist in den ersten 10 Wochen beim Züchter mit diesen zusammen aufgewachsen. Als wir die Welpen besucht hatten, purzelten alle übereinander und alles wirkte sehr in Ordnung. Ich glaube nicht, dass da der Ursprung seiner Aggressivität zu suchen ist.
Als wir ihn dann hatten, haben wir sehr viele andere Hunde getroffen und ihn fast täglich auf einer Wiesen mit vielen anderen Hunden spielen lassen, damit er sich daran gewöhnt. Dabei gab es auch keine Probleme. Die fingen an, als er geschlechtsreif wurde und wurden dann langsam immer schlimmer. Als es schon sehr belastend war und keiner mehr gerne mit ihm rausging, haben wir ihn kastrieren lassen (reversibel mit Medikament), aber das hat sein Verhalten in keiner Weise beeinflusst.
Eine Kastration, egal ob dauerhaft per OP oder als chemische Version, ersetzen keine schlechte Sozialisierung, schlechte Erziehung oder schlechtes Management. Woher genau die Aggression kommt, kann ich momentan nich genau sagen. Das wird vermutlich ein Hundetrainer, der euch bei euren Gassigängen daheim begleitet, evtl. besser sagen können.
Ich vermute aber, dass es zum Einen mit dem Erwachsenwerden zusammen hängt, denn der Hund ist mit 2 Jahren vermutlich grad in der letzten Erwachenwerdenphase, oder ist da bereits durch. Da zeigen viele Hunde, egal ob Rüde oder Hündin nochmal Verhaltensänderungen.
Oder der Hund ist evtl auch durch schlechte Sozialisierung beim Züchter einfach ein sehr unsicherer Hund, der nicht richtig gelernt hat, wie man sich anderen Hunden gegenüber richtig verhält.
.............Was auffällt ist, dass er die Aggression dennoch nicht nur gegenüber anderen Rüden zeigt. Er verhält sich genauso (Knurren, Bellen, Anspannung, Ziehen Richtung des "Gegners") bei rumpelnden rollenden Mülltonnen, runterrumpelnden Jalousien, Skateboardfahrern, Kindern mit Rollern, Postfahrrädern und alten Menschen im Rollstuhl). Allein die Geräusche können es nicht sein, die ihn dabei aufregen, andere Lärmquellen gehen ihm am Arsch vorbei. Auch in diesen Situationen lässt er sich überhaupt nicht beruhigen/ablenken/zügeln.
Hört sich für mich so an, als ob der Hund als Welpe nicht viel von der Außenwelt kennengelernt hat. Ein gut sozialisierter Hund hat nicht nur den Umgang mit anderen Hunden kennengelernt, sondern wurde auch von Klein auf an solche Alltagsdinge wie eben skatboardfahrende Kids, rumpelnde Mülltonnen, Jalousien herangeführt. Das Meiste davon lernt der Welpe normalerweise schon mit einem Spaziergang durch ein Wohngebiet kennen. Ich vermute mal, so was wurde von Anfang an versäumt.
Das bleibt bei mir ein fader Beigeschmack, was den Züchter angeht. Allzuviel hat der in Richtung Alltagstauglichkeit scheinbar nicht gemacht
Wenn man zurückdenkt, hat er sich schon in den ersten Tagen, die wir ihn hatten, immer hingelegt oder gesetzt, wenn etwas Unbekanntes kam, das er nicht einschätzen konnte. Schon von Anfang an hat er das bei anderen Hunden gemacht. Die anderen Halter meinten er habe Angst. Als Welpe ist er dann, wenn diese näher kamen aus seiner Starre sehr plötzlich erwacht und sehr ungestüm an den anderen Hunden hochgesprungen, was ja relativ harmlos war. Naja, ich könnte noch relativ viel erzählen, die Frage ist, was tun? Klar ist, dass er nicht mehr von der Leine darf, da das natürlich unzumutbar ist, wenn er andere Hunde beißt und sich nicht stoppen lässt.
Aber es ist ja keine Dauerlösung, ihn immer nur an der Leine zu lassen. Er ist ja noch jung. Gibt das da überhaupt Hoffnung oder kann es sein, dass er auch mit Hilfe (Hundetrainer oder so) nicht "sozialisiert" werden kann? Er schein allgemein zu polarisieren, wurde auch schon einmal von einem anderen Hund, der ihn von weitem gesehen hat attackiert und gebissen, wobei da dessen Herrchen gesagt hat, das habe sein Hund noch nie gemacht.
Gewöhn dich dran, das sagen viele Hundehalter. Auf so Sätze wie "Der will nur spielen", "Der tut nix", "Das hat der ja noch nie gemacht" würde ich Null und NIX geben, weil die meisten Hundehalter, die so was sagen keine Ahnung von der Körpersprache ihres Hundes haben, oder der Hund einfach nicht erzogen ist, oder man selbst einfach keine Leinenbegegnung / keine Hundebegegnung wg Training zum Bspl. haben will.
Grundsätzlich scheint für euch ein Hundetrainer angebracht zu sein, der euch auf den alltäglichen Gassigängen anleitet und euch zeigt, wie ihr bestimmte Situationen managen könnte, und wie ihr dem Hund Sicherheit vermitteln könnt. Anscheinend habt ihr das bisher völlig übersehen, oder zumindest soweit runtergespielt, dass ihr halt jetzt im Schlamassel steckt.
Zu dem Verhalten mit Hinlegen- Anstarren- Vorschießen bei Hundebegegnungen können andere hier ausm Forum mehr schreiben. Aber ich würde das Verhalt aus dem beschriebenen Kontext heraus als unhöfliches und unsicheres Hundeverhalten deuten. Der Hund hat es aber von Anfang an nicht anders gelernt, was sich jetzt im Erwachsenenalter leider schon ziemlich gefestigt hat. Auch hier kann ein Trainer helfen, der dir einiges körpersprachliches zum Hundeverhalten sagen kann, und eben auch Trainingsansätze gibt.
Und bis dahin würde ich den Hund nicht mehr von der Leine lassen, oder eben nur dann, wenn ihr sehr sehr sehr sicher seid, dass nichts passiert, vielleicht mit gewohnten Hundekumpels, falls vorhanden.
Ansonsten empfehle ich zunächst mal ein anderes Mangement:
Bei Sichtung fremder Hunde, den eigenen Hund ranrufen, anleinen und in einem größeren Bogen um den Fremden rumlaufen, dabei den Abstand so wählen, dass dein Hund noch nicht ausrastet, sondern noch ansprechbar bleibt. Notfalls umkehren, oder einen anderen Weg querfeldein laufen. Auch bei Kindern, Rolli-Fahren oder ähnlichem, würde ich vorherst nicht mehr freilaufen lassen, oder immer zügig zurückrufen und anleinen, da solche Situationen mit einem drauflosstürmenden Hund sehr unschön enden können.