Für mich liest sich euer Alltag irgendwie sehr frustbeladen.
Einerseits finde ich das total verständlich. Ich hatte auch so ein Außer-Rand-und-Band-Welpi, das sich mit Ruhe und Grenzen ganz arg schwer getan hat und das zehrt einfach unglaublich an den Nerven. Dass sich da mit der Zeit Frust anstaut, ist ganz normal.
Andererseits lese ich aus deinem Text eine recht konfrontative Einstellung gegenüber deinem Hund heraus. Versuch doch mal, aus einer etwas wohlwollenderen Perspektive auf das Verhalten von deinem Welpi zu schauen:
Um 10.45 Uhr gibt’s essen, danach in den Garten wieder Geschäft verrichten. Dort spiele ich mit einem Seil mit ihm und übe das aus (vielleicht 10 Minuten) oder lasse ihn Leckereien im Gras suchen. Das klappt auch gut. Dann gehe ich rein, mit viel Glück schläft er dann wieder. Meistens tigert er aber durch die Gegend und macht Blödsinn, womit er meiner Meinung nach versucht Aufmerksamkeit zu bekommen.
Mir ist aber wichtig, dass er sich auch mit sich selbst beschäftigen kann oder einfach nur mal beobachtet und döst. Er muss ja nicht zwangsläufig schlafen. Nein, er tigert rum.
Hier klang ja jetzt schon mehrfach an, wovon das Hundchen denn (körperlich) müde sein soll und dem kann ich nur zustimmen. Wenn sein Bedürfnis nach Bewegung und Action so gar nicht erfüllt ist, kann der natürlich nicht schlafen und versucht dann eben selbst, Action zu schaffen.
Stell dir vor, du würdest entspannt ausschlafen, deinen Kaffee trinken, richtig motiviert in den Tag starten - und dann sollst aber bitte wieder ins Bett gehen und da ruhig rumliegen. Das kann (und muss) gar nicht klappen.
Der von dir jetzt geplante größere Spaziergang am Vormittag kann da schon wahre Wunder wirken und euer Problem ganz arg reduzieren.
Er tigert wieder los, ich bringe ihn auf seinen Platz. Frust kommt auf, er fängt an zu schnappen.
Er kann mir gerne beim kochen zuschauen, aber aus dem Flur heraus. Ich möchte nicht, dass er, wenn ich an der heißen Herdplatte bin, er direkt hinter mir hockt. Macht er dann auch, natürlich mit Protest (fiepsen und manchmal bellen). Ich ignoriere das einfach. Zum Teil geht dann eine Diskussion los, ich schicke ihn aus der Küche raus, er fängt an zu bellen und zu schnappen. Ich sage Schluss und er setzt nach.
Er macht es eben auch häufig, wenn ich ihm Grenzen setze (er soll nicht auf die Couch springen, 3x korrigiert, er legt mir der Beißerei los, weil es ihm nicht passt).
Diese Situationen haben alle eins gemeinsam: Du arbeitest ganz arg viel über Frust, der Hund ist damit offensichtlich überfordert.
Prinzipiell ist es natürlich wichtig und richtig, einem Welpen Grenzen aufzuzeigen.
Aber du hast da quasi ein Kleinkind sitzen, das erstmal lernen muss, wie man mit Frust umgeht und wie man dieses doofe Gefühl aushalten kann. Das geschieht, indem man den Hund schrittweise frustrierenden Situationen aussetzt, die er gerade noch so leisten kann, ohne überfordert zu werden. Indem man einfach nur ne ganze Menge Frust auf den Hund packt, so nach dem Motto "leb damit, irgendwann lernst es schon", überfordert man den Hund einfach nur und dann lernt er gar nichts.
Versuche, die Frust-Situationen so zu gestalten, dass er damit zurecht kommt, ohne zu überdrehen. Verlange nicht zu viel Frustrationstoleranz von dem kleinen Zwerg und hilf ihm vor allem dabei, mit seinem Frust umzugehen zu lernen. Mehr Bewegung kann da schon helfen. Oder ein Zerrseil/Spielzeug/Schleckmatte, an dem er seinen Frust abbauen kann. Oder du lobst oder belohnst erwünschtes Verhalten. Nicht jeder Weg ist da für jeden Hund das Richtige, aber es lohnt sich, auszuprobieren, wie man dem eigenen Hund in so emotional schwierigen Situationen helfen kann.
Ich bin der Meinung, dass ich ihm gegenüber sehr konsequent auftrete, die Trainerin bestätigt das auch, sagt aber auch, dass er nicht verkehrt ist, aber alles 50x hinterfragt.
Da hat deine Trainerin vermutlich recht: Es ist ganz normal, dass so ein Welpi sich ausprobiert, Dinge hinterfragt und sich nicht einfach nach dem ersten Verbot zuverlässig zurücknimmt. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit einem wahnsinnig starken Charakter zu tun. In vielen Fällen hat so ein Welpe einfach noch nicht die Impulskontrolle und Frustrationstoleranz, um sich gut genug zurückzunehmen. Es ist also nicht zwangsläufig so, dass er nicht hören will - oft kann er das einfach noch gar nicht.
Danach bekommt er meistens einen Kalbsziemer, an dem er 10 - 15 Minuten kauen darf. Den nehme ich ihm dann ab (natürlich wird er motzig, ich lasse mich davon nicht beeindrucken).
Das würde ich lassen. Zum einen wegen dem oben angesprochenen Problem mit dem Frust, zum anderen ist das ein unnötiger Machtkampf, den du über kurz oder lang eh verlieren wirst.
Jetzt gerade kannst du deinem Welpen den Kalbsziemer noch abnehmen und er lässt es sich halbwegs gefallen, weil du stärker bist. Aber der wird älter, selbstbewusster und kerniger - spätestens in der Pubertät bist du dem aber im Zweifelsfall gnadenlos unterlegen. Und so ein Hund ist ja nicht doof, der weiß das dann ganz genau und wird sich solche Aktionen dann ganz schnell nicht mehr gefallen lassen.
Es macht deshalb Sinn, das Ausgeben nicht über Frust und "Ich bin hier der Stärkere" aufzubauen, sondern über freiwillige Kooperation und Tauschgeschäfte. Solange das noch nicht sitzt, gib dem Zwerg doch einfach ein Stück, das er ganz zu Ende futtern darf. Besser er lernt nichts, als dass er lernt, dass du ihm ständig seine Leckereien wegnimmst.
Zum Beißen selbst will ich gar nicht so viel sagen. Es gibt zig Gründe, wieso Hunde dieses Verhalten zeigen: Von juckenden Zähnchen über "hat es einfach nie anders gelernt", Kontrollverhalten und Maßregelung bis hin zu totaler Überforderung kann das alles sein. Und je nachdem muss man es eben auch ganz anders angehen.
Für mich liest sich das im Zusammenhang mit dem, was du sonst geschrieben hast, am ehesten nach zu viel Frust und daraus resultierender Überforderung, aber letztendlich müsste man da den Hund zu sehen. Was sagt denn deine Trainerin dazu, wieso er das tut?