Hallo,
Du schreibst nicht, wie lange der Hund schon bei Euch ist - aber ein Vorposter hat es schon erwähnt: die Zeit wird es bringen.
Je nachdem welche Prägungen und Erlebnisse er hat, was er schon kennengelernt hat........... das dauert. Ich hab in Deiner Vorstellung gelesen, er ist ein Straßenhund - er kommt von der Straße in einen deutschen Haushalt mit TA, Leine, Futternapf, Fliesenboden und gaaaaanz vielen Regeln (damit Du Dir seine Umstellung vorstellen kannst, soll kein Vorwurf sein).
Für ihn kann das ein Kultuschock erster Güte gewesen sein von dem er sich nicht erholt hat.
Daher leidet er wahrscheinlich unter Dauerstress - und das führt zu diesen überschießenden Reaktionen. Um es mal zu verdeutlichen: bei Stress wird im Körper Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet - das ist normal und lebenswichtig und von der Natur so vorgesehen. Bei sehr starkem Stress wird auch entsprechend viel ausgeschüttet. Nun iist es so, daß das Adrenalin recht schnell abgebaut wir, größere Mengen Cortisol aber erst nach einigen Tagen völlig weg sind.
Hat der Hund jetzt immer mal wieder kleine oder größere Aufregungen, ist sein Cortisolspiegel dauerhaft erhöht - und daher ist er bei Megakleinigkeiten schon auf 180 und schlägt zu ( - beissen ist für ihn offensichtlich die einzige Strategie die er kennt.)
So wie Mensch genervt aus dem Büro kommt und dann den Partner anbrüllt nur weil der die Socken nicht weggeräumt hat - Schuld ist da keiner sondern die Summe der Ereignisse. Hast Du viele Nervtage im Büro gehst Du viel schneller an die Decke und brauchst immer länger, um mal wieder wirklich runterzukommen.
Um die Probleme mit dem Hund anzugehen solltet Ihr erstmal alle Aktivitäten streichen - radikal und konsequent. Nur Pippi machen an einem ruhigen Ort und dann wieder nach Hause. Keine Ausflüge in den Zooladen, kein Stadtbummel, keine Besuche.
Dem Hund wird es körperlich nicht schaden, wenn er 4 Wochen nur 3mal tägl kurz rauskommt.
Als "Gegengewicht" könnt ihr drinnen mit ihm kuscheln und kuscheln und kuscheln, vielleicht auch mal ein paar ruhige Spiele machen. Aber nicht glauben, daß die angeblich fehlende Bewegung draussen jetzt drinnen mit wildem Getobe ausgeglichen werden muss.
Stellt Euch einfach vor, er müßte in Kur - da geht es auch in erster Linie gaaaanz ruhig und bedächtig zu. Nach dieser Kur könnt Ihr anfangen, ihn wieder gaaaanz langsam an den normalen Alltag ranzuführen. Dazu gehört, daß Ihr mit ihm trainiert daß er sich an Euch orientiert und Ihr ihm die für ihn notwendige Sicherheit vermittelt.
Das kann so aussehen das wenn Ihr draussen mit ihm merkt daß er sich unsicher fühlt oder auch nur die geringsten Anzeichen von Stress zeigt ihn sofort aus der Situation rausnehmt und am besten gleich heimgeht. Damit vermittelt Ihr ihm, daß er sich auf Euch verlassen kann und Ihr seinen Gemütszustand ernstnehmt.
Sollte sich keine Veränderung in seinem Verhalten einstellen und die "Kur" keinen meßbaren Erfolg bringen dann würde ich noch ein Schilddrüsenprofil anfertigen lassen. Manchmal kann auch die Schilddrüse - besonders wenn die relevanten Werte "nur" im unteren Drittel der Referenzwerte liegen - für solche Verhaltensweisen verantwortlich sein.
Jetzt bringt so eine Untersuchung noch nicht so viel da der Stresspegel so hoch ist das die Werte nicht aussagekräftig auf die Funktion der SD wäre.
Zusätzlich könntet Ihr noch das Klickern anfangen -nach der "Kur" - damit kann ein Hund Selbstbewusstsein aufbauen (nachdem er das klickern verstanden hat) und viele kleine und große Tricks lernen. Aber das solltet Ihr nur nach gründlicher Einführung tun wenn Ihr es nicht schon könnt. Viele Anfänger überfordern den Hund beim Klickern am Anfang weil sie von einem Hund träumen der Wäsche abhängt und Kaffee kocht.....
Ich hoffe, ich konnte Dir ein bischen helfen - ich habe mich nämlich notgedrungen auch mit dem Thema Stress bei Hunden und Überforderung auseinandersetzen müssen. Seitdem haben mein Hund und ich Quantensprünge gemacht - und ich mußte mich damit abfinden, daß mein Hund immer ein bißchen anfällig für Stress sein wird. Das liegt an seiner Vergangenheit und an seinem sensiblen Nervenkostüm.
Ich habe das Thema aber sehr ernst genommen und nicht gesagt: "da muss er durch" - und das Ergebnis ist nach erst 2Monaten Training ein Hund, der mich anschaut und um Hilfe ersucht wenns für ihn eng wird .........nicht immer, aber immer öfter
Vielleicht magst Du Dich über Stress bei Hundne mal ein bißchen belesen - das www gibt dazu 'ne Menge her.