Hallo,
auf die Gefahr, dass mir gleich der Kopf gewaschen wird - ich lebe mitten in einer Großstadt, arbeite, hatte keine Erfahrung mit jungen Hunden (bisher nur ältere gehabt) und mit so anspruchsvollen Rassen und doch habe ich seit knapp über einem Jahr einen Herder x Tervuren (mit je Einviertel DSH und Mali) aus einer Arbeitslinie und dazu noch einen Rüden.... und... es geht. Es ist nicht einfach und man muss sich eine dicke Haut anlegen, konsequent sein, Hunde lieben und vor allem nicht leicht einknicken und viel Zeit und Energie investieren. Sonst ist es besser, sich eine weniger fordernde Rasse auszusuchen. Aber es geht!
Wie ich zu meinem Herder kam? Wir waren zu zweit, ich wollte eher einen Mali, habe aber über eine Anzeige von den Herdern X gelesen und dann gleich die Polizeidiensthundführerin/Züchterin besucht. Dann gelesen was das Zeug hält und überlegt, ob wir es wirklich schaffen werden, so einem Hund gerecht zu werden. Die Entscheidung ist gefallen und auch Freunde von uns haben sich angeschloßen und eine Hündin aus dem Wurf genommen. Am Anfang dachte ich, der kleine wäre nicht ganz richtig im Kopf...
Es folgte eine Welpenschule und tägliche Besuche einer benachbarten Hundewiese. Herder müssen gut sozialisiert werden - haben wir gemacht. Dann der Junghundkurs. Unsere Freunde gingen zu Junghund-Agility und später zu Agility und Obedience. Heute haben sie kaum Probleme, der Anfang war aber eher etwas holprig und ihre Hündin ist bis heute kein Couch-Hund. Bei unserem Rüden wiederum reichten unter der Woche 2x 1 Std. tägl. intensive Bewegung im Park & auf der Hundewiese mit ein Paar Aufgaben und etwas Kopfarbeit/Spielen zuhause sowie normales Gassi gehen. Am WE gibt´s dann meist einen längeren Ausflug, wobei am Anfang alles über 2 Std. lang Socki überfordert und seine "5 Minuten" getriggert hat. Zwischenzeitlich hat er einen starken Beschützer- und Abwehrtrieb gezeigt und ich hatte ein paar Einzelstunden im Alltag mit einem Trainer gebucht - wirkte gut.
Dann kam aber die Pubertät und zwar wie sie im Buche steht (gerade jetzt, erst mit 16 Monaten, ist die schlimmste Zeit). Und die Hormone (OMG!). An Hundesport ist momentan nicht zu denken. Für die Kastration wohl noch zu früh. Ich gebe seit 1 Monat Bachblüten, werde jetzt wohl auch Zyklene dazu nehmen, um ihn etwas stabiler zu machen. Den 2. langen Spaziergang gibt es nachts, damit wir Ruhe haben. Tagsüber muss ich sehr aufpassen, weil Socki sich gerade aufspielen will (Aufreiten, Anknurren, andere Hunde jagen). Der mal schüchterne Hund hat sich in einen launigen streitsüchtigen Löwen verwandelt. Noch keine blutige Keilerei gehabt, aber war mehrmals kurz davor. Nächste Woche habe ich wieder eine Einzelstunde, um zu schauen, welchen Kurs wir ab Mai besuchen können, wenn überhaupt.
Und seit 10 Monaten habe ich Socki fast allein. Er wiegt nun 36-37kg und ist 70 cm groß, ich bin eine eher kleine Frau. Nicht einfach, ihn an der Leine zu halten, wenn er gerade einen Rüden anspringen oder einem Weibchen folgen will oder wenn man arbeitet (bin auf halbtags umgestiegen plus Ausführservice 2 mal die Woche). Aber auch da wächst man hinein und entwickelt Tricks. Man lernt andere Hundebesitzer kennen und geht gemeinsam raus bzw. bringt den Hund vorbei und lässt sie zuhause toben bis sie sich glücklich erfüllt und geschaft hinlegen. Man fähr zum See und lässt den kleinen Wasserteufel schwimmen, bis er sich müde nach hause schleppt. Man lernt, nicht zu viel zu machen - ein Herder kann immer mehr und mehr und mehr. Und man holt sich immer wieder einen professionellen Rat.
Wieso einen Herder holen, der nicht als Arbeitshund eingesetzt wird? Ganz einfach - weil der Hund zu seinem Besitzer passen muss. Und ich könnte mir keine andere Rasse mehr vorstellen. Die Intelligenz, die Ausdauer, das Temperament - es ist toll. Aber blauäugig würde ich sie niemanden vorschlagen, der nicht bereit ist, sich die ersten 2 Jahre so richtig auf den Hund zu konzentrieren, Kurse zu besuchen und mit dem Hund von sich aus zu arbeiten. Man sollte auch Leute um sich haben, denen man den Hund mal anvertrauen kann bzw. ein Ausführservice finden (meine erste Sitterin gab nach 1 mal weinend auf!) - ein Herder MUSS täglich auf seine Bewegung kommen, egal ob Grippe, Dienstreise, Besuch oder Urlaub. Und ich glaube, regelmäßige aber gut ausbalancierte Beschäftigung tut einem Herder besser, als sehr viel aber ab und zu. Zumindes ist es bei uns so.
Beste Grüße
Durrell & Socki