Hallo Wuchtbrumme,
Ich habe soeben auch Deinen anderen Thread übers Clickern und das Markerwort gelesen und werde hier auf beides antworten. Falls Du vorhast, Deinen Hund mit positiver Verstärkung zu trainieren, finde ich das im Übrigen die richtige Vorgehensweise.
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Hagen ist toll und wir passen eigentlich wie Arsch und Deckel. Er ist tiefenentspannt, kann der totale Clown sein, genießt den Tag so wie er sich halt ergibt. Er hat in der Zwischenzeit Vertrauen zu uns gefasst und versteckt sich schon auch mal hinter uns wenn ihm etwas so gar nicht geheuer ist, ist aber in der Summe immer noch ein extrem misstrauischer Hund, der auch noch viel lernen muss.
Gerade misstrauische Hunde können sehr von einer (solide durchdachten, richtig angewandten) positiven Verstärkung im Training profitieren, weil sie dem Hund Selbstvertrauen gibt. Der Hund lernt, dass er eine gewisse Kontrolle über das Training hat - wir lernen dagegen, dem Hund zuzuhören und auf seine Bedürfnisse und Vorlieben zu achten. Nicht, dass das mit anderen Methoden nicht ginge, aber für mich ist das Clickertraining häufig die Methode der Wahl.
Vielleicht noch kurz zu Deiner anderen Frage bezüglich Markerwort und Clicker: ich stelle fest, dass ich mit dem Clicker in der Hand viel präziser bin. Diese Geschwindigkeit und Präzision bringe ich mit dem Markerwort einfach nicht hin - das kann teilweise an mir liegen, aber ich denke, es gibt durchaus einen Grund, weshalb der Clicker bis jetzt nicht einfach durch ein Markerwort ersetzt worden ist. Mein Hirn findet es nachweislich weniger komplex den Clicker zu betätigen als ein Markerwort zu sagen (ich habe das mehrmals messen lassen - auch in Situationen, in denen ich nicht wusste, dass ich gerade gemessen werde). Der Click ist ausserdem aussersprachlich, deshalb als Geräusch einzigartig und verheisst immer genau das Gleiche. Er ist konstant und bleibt einfach immer gleich. Es ist nicht noch ein weiteres Wort, dass ich dem Hund an den Kopf werfe und bei dem er sich nochmal überlegen muss, welches es denn jetzt genau war. Der Click ist unverkennbar und sofort als solcher zu identifizieren. Sprache ist einfach durch den ständigen Gebrauch im 'Alltag' sehr abgenutzt. Würde ich mit dem Hund den lieben langen Tag über diverse Clicks kommunizieren wäre ein Markerwort wohl wieder eher erfolgreich (obwohl auch da das Verzögerungsroblem der Verarbeitung des Wortes in meinem Hirn und dem des Hundes bestehen bliebe...). Im Grunde genommen bevorzuge ich ein Markerwort, baue eines auf und brauche es auch immer wieder mal (z.B. wenn gerade kein Clicker zur Hand ist), aber ich sehe es der Reaktionsschnelle und Präzision meiner Hunde an, dass wir dabei deutlich weniger effizient sind. Neue und komplexe Verhaltensweisen baue ich deshalb nach wie vor mit dem Clicker auf.
Ich würde Dir vorschlagen, beides auszuprobieren - aber nicht am Anfang. Selbstverständlich würde ich Dir empfehlen, aus oben genannten Gründen mit dem Clicker zu beginnen, aber das ist natürlich Dir überlassen. Wichtig ist es einfach zu bedenken, dass wenn die Methode nicht funktioniert, das nicht an dieser, sondern am Trainer liegt...
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Aber Hagen hinterfragt in der Regel immer und entscheidet sehr viel selbst – und ist dabei auch recht intelligent. Und genau an dem Punkt verzweifeln wir derzeit.
Hier fällt mir vor allem die Dynamik auf: der Hund agiert, ihr reagiert und steht dann (scheinbar) ratlos daneben wenn der Hund Euch ignoriert. Im Idealfall sollte es anders sein: ihr agiert und der Hund reagiert. Gerade intelligente Hunde stellen ihre Besitzer oft vor Probleme, weil sie die Schwachpunkte ihrer Besitzer sehr gut ausnützen können und selber kreativ werden.
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Mal zwei Beispiele, die immer wieder passieren und dabei repräsentativ für andere Situationen sind:
- Hagen möchte abends nicht mit reinkommen. Mein „Hier“ hab ich mir damit schon völlig zerstört, weil ich rufe und er liegen bleibt.
Du stellst schon ganz richtig fest, dass Dein 'Hier' bereits kaputt gemacht worden ist. Ich würde mir deshalb ein neues Kommando aussuchen und den Abruf noch einmal ganz von vorn aufbauen. Wie wärs mit 'Zu mir', dem französischen 'ici' (ausgesprochen 'issi' und bedeutet auch 'hier') oder dem italienischen 'vieni (qui)' (ausgesprochen 'wiëni (kui)', bedeutet wörtlich 'komm her'). Der Abruf dünkt mich das einzig wirklich wichtige Kommando, das ein Hund beherrschen muss - leider (oder zum Glück?) ist es auch eines der schwierigsten. Es gibt einige sehr informative und gute Videos zum positiv verstärkenden Aufbau des Rückrufs: schau mal unter youtube und suche zum Beispiel nach kikopup (direkter Link: https://www.youtube.com/watch?v=tV5qsH5tjYA und https://www.youtube.com/watch?v=PL9Rk-8KF9I zum Beispiel. Hier wurde der Clicker aber schon solide aufgebaut.)
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- Hagen will jetzt unbedingt auf einem anderen Weg laufen (zur Info: bei unserem Feld verläuft ein tiefer Graben an dem links und rechts ein Weg langführt). Ich laufe links, Hagen ist der Meinung, er muss jetzt auf die rechte Seite. Durch den Graben komme ich aber nicht durch. D.h. er läuft vergnügt auf und ab, schnuppert hier und da, pinkelt mal dorthin – und freut sich dabei einen Ast, dass ich auf der anderen Seite stehe, ihn rufe, aber nicht rüber komme.
Gibt einen Grund weshalb er da laufen möchte? Eigentlich ist dieses Problem nur die Repetition des vorherigen Szenarios. Wenn das Laufen auf der anderen Seite des Grabens sich mehr lohnt als bei Dir zu gehen, kannst Du Dir entweder überlegen, das Gehen auf der anderen Seite als Belohnung einzusetzen oder das Bleiben auf Deiner Seite lohnenswerter zu machen.
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Haben wir ein Bindungsproblem? Nimmt er uns nicht ernst?
Das hat mit ernst nehmen erst einmal nicht unbedingt etwas zu tun. Hunde sind Opportunisten und tun das, was sich am meisten für sie lohnt.
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Dass er uns da nicht sonderlich ernst nimmt, glaube ich schon. Wie gesagt, grade in Beispiel Nr. 2 sieht man ganz deutlich, wie er sich freut über die Situation. Klar, welche Konsequenzen hat er denn zu erwarten? Er macht sein Ding und wenn er damit fertig ist, kommt er wieder zu uns. Okay er muss dann z.B. an der Leine laufen, aber das wars doch wert.
Das geht mir zu sehr in die Richtung von 'der Hund verarscht uns'. Er ignoriert Euch eben, weil es sich nicht lohnt bei Euch zu bleiben und zeigt möglicherweise Übersprungshandlungen, die sein Verhalten wie 'Freude' aussehen lassen, wenn ihr ihn wegen dem Überspringen des Grabens zurechtweisen wollt. Der Hund kann die Verbindung zwischen 'ich bin über den Graben gesprungen und habe mein Ding gemacht' und 'ich werde angeleint' nicht herstellen. Das einzige was er lernt, ist: 'Die Tante auf der anderen Seite des Grabens leint mich an wenn ich wieder zurück gehe'. Er merkt sich also, dass es sich nicht lohnt, zu Dir zurück zu kommen. Viel schöner ist es auf der anderen Seite des Grabens wo keiner motzt und ihn anleint. Wenn er wirklich intelligent ist, wird er, wenn sich an Eurem Verhalten nichts ändert, die Ausflüge auf die andere Seite immer weiter ausdehnen.
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Wenn er abends nicht reinkommen will kann ich ihn schlecht reintragen.
Nein, aber Du kannst das Reinkommen so attraktiv machen, dass er von selbst reinkommen will. Hier ist allerdings (wie überall im Clickertraining) die Gefahr gross, dass die Menschen beginnen zu bestechen anstatt zu trainieren. Die Belohnung gibts erst bei richtigem Verhalten und NIEMALS um den Hund zu locken.
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Wenn er grade an einem Gänseblümchen riecht, kann ich ihn schlecht am Halsband schnappen und einen Richtungswechsel vorgeben.
Wieso nicht? Und: wie reagiert er, wenn Du den Spiess einfach umdrehst und Dich entfernst?
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Allgemein ist Hagen draußen nicht wahnsinnig aufmerksam. Futterbeutel findet er auf unserem Grundstück total toll. Wenn ich den Futterbeutel mit auf den Spaziergang nehme, ist er zu 80% uninteressant.
'Braucht' er den Futterbeutel denn? Oder hat er gelernt, dass zu Hause ja doch immer ein voller Napf auf ihn wartet? Überlege Dir, weshalb sich die Suche nach dem Futterbeutel draussen nicht zu lohnen scheint und sei, wenn Du die Antwort darauf gefunden hast, konsequent. Er könnte sich zum Beispiel sein Futter auf dem Spaziergang selber erarbeiten. Alles Futter, nicht nur so einen kleinen Snack nebenbei.
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Noch ein Problem, was mit vorstehenden aber nichts zu tun hat:
Er lässt sich weder am Bauch oder am Hintern bürsten noch die Krallen kürzen. Da er unser erster Hund ist, den wir nicht als Welpen schon hatten, ist das für mich echt ungewöhnt und ich weiß nicht wie ich hier vorgehen soll.
Das ist ein klassischer Fall in dem Clickertraining sehr hilfreich sein kann.
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Am Hintern und den Hosen mussten wir schon ein paar Mal das Fell ausschneiden. Es war extrem verfilzt als er zu uns kam. Das geht aber nur, wenn er grade sehr gut drauf ist und was ganz tolles frisst…am liebsten püriertes Hühnchen mit Joghurt, die totale Pampe, aber er mag es das aufzuschleckern. Er muss also abgelenkt sein und selbst da merkt man ihm seinen Unwillen an. Mit „gewaltvollem“ Festhalten kommen wir nicht weiter, erstens habe ich dabei Angst um sein Vertrauen und zweitens – tja, haltet mal (selbst zu zweit) 82 kg sich wehrenden Hund fest.
Ihr gebraucht das Futter dabei falsch. Hier gebraucht ihr es als Ablenkung, als Bestechung, aber nicht als Belohnung auf bereits erfolgtes erwünschtes Verhalten. Der Hund lernt dabei nicht, was ihr ihm beibringen wollt, sondern im schlechten Fall nur: 'Jedes Mal wenns Hühnchen mit Joghurt gibt, tun die mir wieder weh.' Wenn das funktionieren und der Hund dabei lernen soll, sich bürsten und die Krallen schneiden zu lassen, müsst ihr die Reihenfolge umdrehen: Futter gibts erst nachdem der Hund sich richtig verhalten hat, nicht zuvor. Du berührst also den Hund mit der Bürste da wo es ihm recht ist und nichts ausmacht - am Rücken, an den Flanken. Du bürstest nicht, sondern berührst ihn nur sanft da. Während Du noch berührst kommt der Click. Dann (und erst dann!) greifst Du zum Futter und gibst ihm ein Stück. Dann geht das Spiel wieder von vorn los. Du berührst den Hund mit dem Striegel und wenn der Hund dabei still hält, klickst Du. Dann (und immer noch erst dann) gibst Du ihm ein Stück Futter mit dem Du den Hund zuvor weder abgelenkt, noch es sichtbar für ihn hingelegt hast. Wir arbeiten nicht über Erpressung oder Bestechung, sondern über Belohnung. Dasselbe gilt für die empfindlichen Pfoten: der Hund soll lernen, dass ihm nichts passiert und das Pfoten-anfassen-Lassen mit einer tollen Leckerei belohnt wird. Ob das allerdings gelingt, hängt völlig von Euch ab. Der Hund muss Euch vertrauen können, dass ihr nur so weit geht, wie es ihm nichts ausmacht. Das wird sich schrittweise steigern wenn ihr niemals die Grenze überschreitet, an der es dem Hund unangenehm wird. Ihr müsst den Hund lesen lernen können und ihn bei dieser heiklen Übung nicht überfordern. Es muss sich für ihn lohnen, sich die Pfoten anfassen zu lassen.
Viel eher als ein 'Nicht-ernstnehmen-Problem' sehe ich hier ein Vertrauensproblem. Gerade das hier lässt mich darauf kommen:
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Das Problem hierbei ist, dass er sich halt äußerst ungern anfassen lässt. Von Menschen, die nicht wir sind, lässt er sich gar nicht anfassen. Von uns lässt er sich anfassen, aber nicht überall. Vorallem vermuten wir dass er an den Pfoten krabbelig ist oder in der Vergangenheit mit den Vorderpfoten eine sehr schlechte Erfahrung gemacht hat. Wenn wir mit ihm schmusen und kommen dabei nur versehentlich an eine Vorderpfote, kann es passieren, dass er aufspringt und einfach wegrennt.
Hoffe, das hilft und sonst zögere nicht, noch einmal nachzufragen. Alles Gute!