Darf ich mich hier einklinken?
Ich habe einen Tierschutzhund. Ca. 9 Monate alt. Seit Anfang April ist sie bei uns.
Ich habe einen weiteren Tierschutzhund, er ist inzwischen 5 J. Er "funktioniert" inzwischen recht gut.
Ich bin also nicht völlig unerfahren. Jedoch tickt die Kleine einfach völlig anders als mein Großer, da sie die ersten 3 Monate mutmaßlich ohne Menschen lebte. Sie hat also wenig Bindung und das welpige "ich-renn-einfach-mal-hinterher-weil-ich-so-klein-bin" ist eben auch weg bzw. war eventuell nie da.
Es läuft so weit alles relativ gut. Sie fällt allerdings immer wieder zurück in alte Muster. Es gibt Tage da merke ich sofort, heute ist ein guter Tag (sie schaut ab und zu was ich mache, ist aufmerksam, guckt mich erwartungsvoll an, ist ansprechbar) und es gibt die schlechten Tage (sie ist abgeschlagen, liegt nur rum, wenig aufmerksam, kaum ansprechbar).
Sie mag Menschen und reagiert generell positiv. Jedoch habe ich den Eindruck, dass ihr Schwanzwedeln und auf den Rückenlegen mehr mit Beschwichtigung zu tun hat...weniger mit Freude, wie man es von anderen Hunden kennt. Sie macht es nämlich extrem bei Fremden, wenn ich an ihr Körbchen gehe und sie streichle, reagiert sie kaum.
Sie ist sehr sehr ruhig. Für ihr Alter fast zu ruhig. Am Anfang lag sie nur in ihrem Körbchen, ist selten aufgestanden. War wenig neugierig.
Wegen ihrer Stummelrute, fällt es mir manchmal schwerer sie zu deuten.
Sie hat initial panische Angst vor anderen Hunden. Sie schreit und fiept. Am Anfang hat sie schon gebellt wenn sie eine Schwanzspitze am Horizont sah. Das ist inzwischen besser. Wobei sie gelegentlich noch in alte Muster zurück fällt.
Ich habe versucht erst mal direkte Hundebegegnungen zu meiden, d.h. sie mit dem Körper abzuschirmen und an den Hunden vorbeizuführen. Wenn möglich gehe ich Bögen. Direkte Hundebegegnungen habe ich nur gezielt durchgeführt. D.h. ich habe mich mit Hundebesitzern verabredet, die ich kenne und sie instruiert.
Das funktioniert natürlich nur dann, wenn alle Hundebesitzer umsichtig sind und auf einen angeleinten Hund Rücksicht nehmen. Das ist bekanntlich nicht immer der Fall, daher gibt es gelegentlich Rückschläge, wenn unangeleinte Hunde auf uns zu poltern.
Im Notfall (und wenn möglich) lasse Ich meinen Rüden erst die Lage checken, damit die Kleine sieht, dass alles ok ist.
Wenn sie einen Hund erst mal kennengelernt hat, findet sie diesen großartig. Sie hat ein sehr ausgeklügeltes Sozialverhalten. Hat alle möglichen Signale drauf, die ich bei meinem anderen Hund noch nie gesehen habe. Sie orientiert sich generell sehr stark an anderen Hunden. Wenn sie nach Hause kommt, begrüßt sie sogar Hund vor Mensch.
Sie nimmt draußen (bzw. in stressigen Situationen) nicht gern Essen. Sie isst lieber "in Sicherheit" (sie frisst an schlechten Tagen auch in der Wohnung nur wenn wir den Raum verlassen). D.h. Leckerchen als Lockmittel draußen funktioniert nur bedingt. Mit Leberwurst aus der Tube läuft es recht gut. Aber sie würde für Lecker eben nicht ihre Seele verkaufen (wie es bei meinem anderen Hund der Fall ist). Spiele mag sie gar nicht, vor Quitschie hat sie Angst. Hab mit mäßigem Erfolg versucht einige Spielies anzuklickern. Spielzeug findet sie nur dann interessant, wenn es mein anderer Hund gerade interessant findet.
Übungen wie Sitz Platz und Co sind für sie nicht schön. Sie fühlt sich unter Druck gesetzt. Fiept und grunzt und zögert sehr lange, trippelt rum. Sie fühlt sich generell schnell unter Druck gesetzt. Ich glaube, wenn sie sprechen könnte, würde sie sagen: "Oh mein Gott, sie will was von mir. Oh mein Gott. Soll ich es machen? Ich will aber nicht. Sie hat aber die Wurst. Ich will die Wurst. Aber soll ich? Oh Gott ne das ist mir zu viel. Ich hab eigentlich schon gar keinen Bock diese Entscheidung zu treffen." Die Entscheidung fällt dann immer mal anders aus. Entweder macht sie es. Oder sie lässt es und legt sich resignierend hin wie ne platte Flunder.
Macken die ich ändern will sind folgende:
1) Die Unsicherheit bei anderen Hunden.
2) generelle Unsicherheit (sie bewegt sich sehr langsam und sehr wenig), sie ist gefühlt mit gezogener Handbremse unterwegs.
3) sie ist sehr schlecht abrufbar (ich führe sie an der Schlepp)
4) sie soll Freude am Arbeiten haben
Unsicher bin ich mir, weil ich nicht weiß, wie viel ich schon mit ihr abreiten soll. Soll ich erst mal alles so laufen lassen? Grundätzliches üben. Draußen Blickkontakt klickern, Hundebegegnungen, abrufen üben, etc.?
Oder soll ich noch proaktiver mit ihr arbeiten?
Hundeschule (z.B. Junghund) wäre für einen Hund wie sie, denke ich, viel viel zu viel.
Kennt ihr eventuell kleine Übungen für die Bindung die ich immer mal einstreuen kann? Oder Kleinigkeiten (auch in meinem Verhalten ihr gegenüber) auf die ich achten sollte, die man gern übersieht?
Für Tipps aller Art wäre ich euch dankbar.
Vielen Dank und herzliche Grüße!
Tinka