Diese "mechanistischen" oder anthropozentrischen Ansätze, daß ein Tier nicht fähig ist, die Gedanken ein paar Minuten zusammenzuhalten, und nur von einer Sekunde zur nächsten lebt, ergo immer nur die allerletzte Aktion bestimmend für die Reaktion sein darf, ist doch wohl überholt. Hunde können Handlungsketten planen, sie sind zur bewußten Täuschung fähig, sie besitzen Empathie - warum sollten sie bei enger Bindung zu ihrem Menschen nicht die authentische Reaktion auf eine Regelverletzung richtig einordnen können?
Hallo Quarus,
es freut mich wirklich, dass diese Meinung sich offensichtlich in den letzten Jahren mehr und mehr durchsetzt! Vor einigen Jahren wurde man noch sehr belächelt, wenn man nur andeutete, dass Tiere mit komplexen Nervensystemen über so etwas wie Empathie verfügen od. sich überhaupt irgendetwas vorstellen könnten. Was du ansprichst hört sich für mich fast nach "Moral" an (fehlt noch das Erkennen der Bedeutung von "Fairness") - dafür gibt es immer noch hier und da gerne mal eine Watsche
Ich denke ebenfalls, dass nicht nur Hunde sondern sehr viele andere Tiere, die in sozialen Verbänden leben nur deshalb erfolgreich zusammenleben können, wenn sie in der Lage sind Regeln zu lernen und zu verstehen (womöglich nicht auf einer uns gleichen Ebene, was es womöglich deshalb so schwierig gemacht hat das zu erkennen). Das setzt auch meiner Meinung nach voraus, dass sie Empathie besitzen, sich vorstellen können wie ein anderer aus der gleichen Gruppe empfindet. Das hieße aber auch, dass sie sich ebenso bewusst entschließen können Regeln nicht zu beachten!
(Ob das aber auf einen Hund zutrifft der sich eine od. mehrere Stunden seiner Gruppe entzieht, auf Zurufe nicht reagiert und sich dabei offensichtlich wohlfühlt und gerne auch mal danach schaut, was die Welt so Aufregendes zu bieten hat...naja! Idealerweise kommt noch der Zusatz:" Verstehe ich gar nicht, zuhause leidet er unter Trennungsangst...")
Allerdings macht es da die Sache unter "Gleichen" etwas einfacher, die soziale Gruppe Mensch/Hund besteht aus verschiedenen Spezies, was eine eindeutige, für beide verständliche Kommunikation und zielgerichtetes Handeln so wie ich es verstehe deutlich schwieriger macht.
Für mich ist eine wichtige Frage "Kann der Hund sozusagen "speziesübergreifend" Empathie entwickeln? Dazu bedarf es sicher ein sehr enges Verhältnis und eine gute Basis an entsprechend vermittelten Regeln (das Vermitteln dieser Regeln stellt ja - wie, nicht nur hier im Forum, häufig zu lesen - oft große Herausforderungen und kontroverse Ansichten über die Herangehensweise dar - das eine bedingt aber auch das andere, irgendwie).
Dem Hasen od. dem Reh kann er, wie auch andere Jäger, offensichtlich keine besondere Empathie entgegenbringen - womöglich weil es eben nicht dieselbe Art ist (wäre aber auch nicht besonders hilfreich ...sonst würde es mit der Ernährung eher schwierig werden ) - obwohl er vernünftiger Weise im Laufe seiner Sozialisation gelernt hat: Gebissen zu werden tut weh!
Es ist sicher etwas anderes wenn zwei Exemplare derselben Spezies sich etwas "beibringen" (sie verfügen schließlich über ähnliche Voraussetzungen, ähnliche Wahrnehmung, ähnliche Reflexe, ähnliche "artgleiche" Kommunikation....). Das trifft auf Mensch/Hund nicht wirklich zu - für den Hund ist es sicher noch deutlich schwieriger als für den Menschen ...er kann sich schließlich nicht ins Thema einlesen und auf Forschungsergebnisse zurückgreifen Dennoch behaupte ich nicht dass es nicht stattfindet.
Da gibt es wohl auf beiden Seiten reichlich Raum für Fehlinterpretationen und auch für Übertreibungen die schnell mal ins "Ungesunde" driften können.
Finde das ein sehr spannendes Thema - aber da meine Antworten immer dazu neigen so lang zu werden, sprengt das hier sicher den Rahmen.
Sorry Leute, für den langen Text - ich schreibe schon recht selten, aber wenn dann wirds immer irgendwie zu lang.
@mittendrin sorry Ellen - wollte dir nicht auf die Füße treten
aber wie Kerstin schon sagte meinte ich das Weglaufen UND lange Wegbleiben. Es gibt sicher einen Unterschied zwischen einem auslösendem Reflex "durchzustarten" und der Entscheidung "ich bin dann mal weg...für eine od. mehrere Stunden, mal sehen wo uns das Leben wieder zusammenführt..." Rufen zwecklos - manche Tingeln förmlich von dannen, haben es nichtmal eilig. Da gibt es eben meiner Meinung nach eine gewisses "Beziehungsproblem" - das bei allem Spass ganz böse enden kann.
Wie ich schon sagte, Ausgrenzung macht als Strafe doch nur dann Sinn, wenn der Ausgegrenzte DAS auch als solche empfindet - nicht womöglich als Anlass erneut loszuziehen. Und WENN der Hund das als Strafe empfindet, dann sollte man damit nicht inflationär sondern mit viel Bedacht umgegangen werden. Das ist nur meine Meinung dazu, andere haben vielleicht eine andere...
Mein Hund kann sich gerne selbst beschäftigen, wenn ich mich mal unterhalte od. irgendwo rumsitze auch mehr als eine Minute, manchmal auch zehn Minuten. Auch auf einem Spaziergang ist es mir genug, wenn er ansprechbar bleibt (zuviel Kommunikation und zuviel einander "lesen" zu wollen halte ich nicht mal für unbedingt sinnvoll - das ist es was ich mit "ungesund" meinte).
Aber in dieser Zeit achte ich auf ihn ...und er immer mal auf mich. Wenn ich rufe od. gehe dann geht es eben weiter. Ich hätte ehrlich gesagt keine Ruhe, wenn ich auf einem Weg stehe und mein Hund vergnügt sich im Unterholz und reagiert nicht auf Ansprache (unter DEN Umständen wäre MIR eine Minute schon zu lange).
Wenn dem so ist, DANN würde ich mir schon einige Fragen stellen. Die Antworten bzw. die Konsequenzen müssen ja nicht immer bei jedem gleich ausfallen.
Tschüss und viele Grüße
Ralf