Jetzt muss ich doch den Laptop aufklappen und mir meine Trauer von der Seele schreiben, ich fühle mich so alleine und weiß einfach nicht wohin mit mir und der unendlich wirkenden Traurigkeit.
1 1/2 Jahre nach dem Vestibularsyndrom und kurz darauf folgender Pankreatitis hat es unsere Maus entgegen aller Zweifel und Sorgen nochmal geschafft fit zu werden, sie sprang durch Hof und Garten wie ein junger Hund und genoss jeden Spaziergang. Letzte Woche stelle sich dann etwas Schwindel ein, und wahrscheinlich wollte ich es nicht als das sehen, was es war - ein Vorbote, dass ihre Zeit nun so langsam gekommen ist. Trotz optimistischer Aussichten und obwohl nach einigen Tagen wieder alles normal war stand sie dann gestern plötzlich da in ihrem Körbchen, zitternd und mit eingezogenem Schwanz und sah mich einfach nur an. Ich war für sie da, habe sie gehalten, ein letztes Mal sind wir noch ganz schwach und langsam eine kleine Runde spazieren gelaufen, haben den Garten besucht und die kühle frische Luft im Hof genossen. Als dann gar nichts mehr ging, die Schmerzen zu stark wurden und der Kopf zu schwer sind wir zum Tierarzt gefahren und haben uns langsam von ihr verabschiedet. Sie war so tapfer und konnte schließlich nach kurzer Zeit und wenig Leid friedlich einschlafen und ihre Ruhe finden.
Ich kann nicht sagen wie dankbar ich für die Zeit mit ihr bin, für all das, was sie mir beigebracht hat, für all die Tage und Jahre, in denen sie für mich da war, ganz egal was los war. Ich bin 27, wir hatten 15 wundervolle gemeinsame Jahre, sind durch alle Hoch und Tiefs, die Hälfte dieser Zeit habe ich mich neben Job und Privatleben alleine um sie gekümmert, sie hat halb Europa mit mir bereist und sogar zwei Mal einen Ausflug nach England auf die Insel gemacht, war nachdem sie in den letzten Jahren nicht mehr alleine bleiben wollte immer dabei, egal ob in der Stadt, beim Einkaufen, manchmal bei der Arbeit oder auf dem Klo. Duschen mit geschlossener Türe? No Go, Oma musste sich immer sicher sein, dass ich noch da bin, auch wenn sie mich nicht mehr so gut hören und sehen kann. Und das war in Ordnung. Schließlich war sie auch immer für mich da. Umso härter war es gestern Abend hier alleine in meine Wohnung zurückzukehren, die Leinen an Eingang, das Kissen und das Körbchen auf dem Teppich, noch so zu recht gerichtet, dass es auch sicher bequem ist. Der gefüllte Futternapf in der Küche. Das letzte Stück Hähnchenfilet in der Tüte, das wir für abends aufheben wollten. Und noch so viele Kaustangen. Das Mäntelchen für kalte Winterspaziergänge. Überall Haare. Überall Ilzy.
Ich kann nicht mehr tun als sitzen. Alles fühlt sich falsch an, ich möchte nicht raus ohne Ilzy, ich möchte mein Leben nicht einfach so weiterleben ohne Ilzy. Ich kann mich doch jetzt nicht einfach aufs Sofa hauen und Netflix anmachen, Onlineshoppen, Weihnachtsgeschenke einpacken und Essen kochen, während sie eingewickelt in ein Handtuch in der Garage liegt, und überhaupt, wer isst denn jetzt meine Karotten aus der Gemüsemischung? Und wer schleckt den Teller aus? Und wer stubst mich von der Seite an wenn ich mal wieder zu viel am PC gehangen bin?
Keine tapsigen Krallen auf Laminat mehr, kein Gewurschtel und Gekrumpel auf dem Hundekissen, bis der bestmöglichste Platz gefunden wurde, kein Geschnarchel und keine tiefen, zufriedenen Schlaf-Atemzüge, kein Katzen anbellen im Garten mehr, keine morgendlichen Kuscheleinheiten und abendlichen Gute-Nacht-Küsschen.
So froh ich auch darum bin, dass alles so schnell und friedlich zu Ende ging - es ging so schnell. Ich weiß, dass das sehr egoistisch ist, aber irgendwie habe ich mir das immer anders vorgestellt, der letzte besondere Spaziergang, ganz lang und vorbei an allen Lieblingsplätzen, nochmal die besten Leckerlies und den guten Thunfisch über der Schüssel mit Hüttenkäse. Vielleicht sogar nochmal ein bisschen gute Wurst, die ungesunde fettige. Ganz viel Kuscheln und Liebhaben, Zeit nehmen, kein Alltagsstress, keine Arbeit, kein Ich-muss-aber-doch-erst-noch. Zu spät. Kein Hund jetzt mehr.
Wie schaffe ich es, die Trauer mit dem Alltag zu vereinen, wenn ich das doch eigentlich gar nicht will, wenn gerade alles so sinnlos und taub erscheint und meine beste Freundin fehlt?
Ich weiß, dass es ihr jetzt gut geht da oben, dass sie nun endlich ihre Ruhe finden kann und ganz friedlich schläft. Aber jetzt fühlt sich die Welt hier unten so unendlich leer an.