Hallo zusammen,
ich lese gerade in dem aktuellen Millan-Thread und mir brennt da was auf den Nägeln zum Thema "Kleine Hunde auf den Arm nehmen".
Ich beziehe mich auf die Beiträge hier: Der Hundeflüsterer; Seite 21 ff. und dabei besonders auf folgende Beiträge:
Zitat
Wer nimmt denn einen Hund zum Schutz auf den Arm? So langsam wirds echt schräg! Die Geschichten werden ja immer besser.
Zitat
[...]
Und wenn du das mit dem hochheben nicht kennst, achte mal auf 70% aller Hundehalter die einen kleinen Hund haben. Sobald ein großer Hund angelaufen kommt, holen die den auf den Arm. Dass ich das selbst für schwachsinnig halte, ist eine andere Sache, aber das war auch absolut nicht das Thema. Das sollte nur verdeutlichen, dass es nur für den Schutz meines früheren Hundes gedacht war und nicht dass wir unsere Hunde gerne mal quälen....
Zitat
Ne sorry ich versteh die Kleinhundebesitzer schon ganz gut wenn die ihre Hunde sichern und je nach Situation ist auch das aufn Arm nehmen allemal besser wie 2 Teile Heim zu tragen
Vorab: Ich muss leider sagen, dass in meinen Augen das Klischee vom unerzogenen kleinen Kläffer durch seine Berechtigung hat, und mir scheint es durchaus so zu sein, als beschäftigen sich Kleinhundehalter insgesamt weniger mit dem natürlichen Verhalten von Hunden und sind weniger gut darin, die Signale von Hunden (und ihren Haltern ...) zu deuten.
Ein Absatz ist mir aber ins Auge gestochen, mit dem ich so nicht einverstanden bin:
"[...]achte mal auf 70% aller Hundehalter die einen kleinen Hund haben. Sobald ein großer Hund angelaufen kommt, holen die den auf den Arm. Dass ich das selbst für schwachsinnig halte, ist eine andere Sache [...]"
Ja natürlich, es gibt sie, die Kleinhundehalter, die ihren Hund grundsätzlich hochnehmen, wo es vielleicht gar nicht nötig und unter Umständen für das Verhalten der beteiligten Hunde sogar kontraproduktiv ist.
Aber vielleicht denkt der ein oder andere, der der Meinung ist, es sei "schwachsinnig", einen kleinen Hund hochzunehmen, um ihn zu schützen, auch einmal darüber nach - statt vorschnell zu urteilen über eine Handlung, deren Hintergründe er nicht kennt - dass es auch in solchen Fällen Halter von Kleinhunden gibt, die durchaus wissen, was sie da tun.
Ich habe zwei sehr kleine Hunde. Gleiche Rasse, gleiches Gewicht. Ignoriert ein großer, distanzloser Hund - soll es ja gelegentlich auch geben - unsere Tabuzone und/oder reagiert nicht auf die Ansagen meiner Hunde (oder meiner eigenen), wenn's nicht passt, nehme ich meine Hündin hoch, während der Rüde unten bleibt. Warum? Gespaltene Hundehalterpersönlichkeit?
Eher nicht. Ich habe einfach zwei im Wesen völlig unterschiedliche Hunde. Der Rüde hat von klein auf gelernt, mit Hunden aller Couleur umzugehen, er ist neugierig und aufgeschlossen und ziemlich clever im Umgang mit anderen Hunden. Große Hunde findet er genau so toll oder doof - je nach Hundecharakter - wie kleine Hunde.
Meine Hündin hingegen ist ein Angsthund. Bei kleinen Hunden reagiert sie absolut hündisch; mit Freundlichkeit, angemessener Korrektur oder Ignoranz.
Sie hat aber leider in ihrem Vorleben mehrfach schlechte Erfahrungen mit großen Hunden gemacht und daraus offenbar den Schluss gezogen, alle großen Hunde sind böse, reagierte fortan mit entsprechendem Angstverhalten, je nach Art der Bedrängnis knurrend nach vorne gehend oder die Flucht ergreifend.
Ich arbeite, seit sie bei mir ist, stetig mit ihr an dieser Angst und habe ihr als erstes beigebracht, dass sie bei mir sicher ist; sobald ich sehe - und mit ein bisschen Übung erkennt man das am Verhalten meiner Hündin schon recht schnell, noch bevor der andere Hund bei uns ist - dass es nicht passt mit dem anderen Hund, nehme ich sie hinter mich und bitte den Halter des anderen Hundes, seinen Hund von meinen abzurufen. Kommt der Halter meiner Bitte nicht nach (oder hat seinen Hund nicht im Griff), nehme ich meine Hündin hoch.
Warum? Oft passiert es, dass ein distanzloser, unerzogener oder einfach auch unerfahrener Hund sich zwischen mich und meine Hündin drängt; nicht immer kann ich schnell genug reagieren und den anderen Hund blocken.
Und das ist der Punkt, wo meine Hündin bei großen Hunden in Panik gerät und erst einmal reflexartig die Flucht ergreift, weil sie mich nicht mehr erreichen kann. Schlimmstenfalls animiert das den anderen Hund, sie zu jagen.
Solche Vorfälle werfen uns in unserer Bewältigungsarbeit unnötig zurück, und darum verhindere ich das durch das Hochnehmen meiner Hündin in Situationen, wo auf den anderen Halter absehbar nicht zu zählen ist. Und siehe da, seit ich das tue - ich war auch einst der Meinung, das Hochnehmen ist grundsätzlich Mist - wird ihre Angst weniger und sie verkraftet unangenehme Begegnungen zunehmend schneller. Weil sie weiss, dass ich sie wortwörtlich nicht einfach "stehenlasse". Auch bei Begegnungen mit Leinenpöblern führt das Hochnehmen dazu, dass sie nicht zurückpöbelt, sondern ruhig auf meinem Arm der Dinge harrt, ohne sich aufzuregen.
Mich selbst betrifft dieses (Vor-) Urteil auch eigentlich eher nicht, weil daraus, dass ich nur einen meiner beiden kleinen Hunde hochnehme, die Leute meist schon schließen, dass das einen bestimmten Grund haben muss. Aber dem Hundehalter, der mit einem einzelnen Kleinhund unterwegs ist und sich so verhält, dem wird dann gern sofort der oben beschriebene Geisteszustand attestiert. Manchmal zu Recht, aber so manches Mal eben auch zu Unrecht. Und für den möchte ich hier einfach mal eine Lanze brechen.
Wer bis hierhin durchgehalten hat - danke für's Lesen