Da ein anderer Thread ("Selbstmordattentate") hiermit noch weiter ausgeleiert würde, fange ich mal einen neuen an.
Groß/klein, verträglich/aggressiv, Rüde/Hündin...... was erwarten wir von unseren Hunden?
Bei vielem, was HH beobachten und berichten und auch bei dem, was ich so erlebe, frage ich mich immer wieder, welche objektiv erscheinenden "Fakten" in Wirklichkeit Übertragung von Menschen auf ihre Hunde sind.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich sage nicht, dass es "falsch" ist, was wir sehen/interpretieren... ich frage danach, ob das Verhalten durch uns hergestellt wird und ob es - von unserer Interpretation unabhängige - Gründe dafür gibt. Oder ob es vielleicht immer eine Mischung von objektiven und (menschlich) subjektiven Gründen gibt. Ob es nicht sogar Sachen gibt, die vornehmlich selbst hergestellt sind und tatsächlich wenig bis gar nix ursprünglich mit dem Hund zu tun haben.
Wenn ja, wäre es im Interesse unserer Hunde, unsere Meinungen zu hinterfragen.
OK ... das klingt jetzt abstrakt verquast... ich werde mal konkret:
- Ich bin mal bei einem Gassi notbehelfsmäßig eingesprungen und 2x mit einem fremden, kleinen Rüden unterwegs gewesen. Dabei gab es diverse freundliche Begegnungen mit großen Hunden und eine tolle Spielepisode mit einem sehr großen. Als ich den Hund wieder ablieferte, sagte mir das Frauchen: "Oh, Du meine Güte!!! Sorry!!! Ich hatte Dir ja vorher gar nicht gesagt, dass er ein Riesenproblem mir großen Hunden hat!!! Es gibt immer Ärger: Aggro-Gebell und ohne Leine sogar Angriff und Kampf. Das ist immer so und ich kann es nicht ändern."
- Neulich habe ich Entrüstung ausgelöst, als ich - völlig naiv - hier im Forum die Frage stellte, wie man mit dem Rüden-Vorurteil besser umgehen könne, denn es sei ja klar, dass das größtenteils eine Chimäre im Glauben der HH sei (sorry nochmal). Viele berichteten, dass ihre Hunde tatsächlich einen sehr deutlichen Geschlechtsunterschied machen (was ich nicht anzweifle!) und dass sie natürlich damit umgehen müssen.
Dennoch frage ich mich, wie viel daran überschätzt wird, wie viel der vermeintlich originären Hundereaktion in Wirklichkeit das Spiegelbild der menschlichen Reaktion ist. Denn ich selbst hatte in 16 Jahren und mit 3 Rüden keine nennenswerte Begegnung mit dem Thema.
- Viele, richtig viele HH sagten mir, dass ihre Hunde IMMER auf Rüden aggressiv reagierten (außer jetzt gerade auf meinen) oder dass ihre Hunde IMMMER auf Kleinhunde/große Hunde aggressiv reagierten (außer jetzt gerade auf meinen). Diese erstaunlichen Ausnahmen von der Regel können ja nicht an meiner diplomatisch-magischen Aura liegen (zumindest bin ich in vielen anderen Dingen ganz offensichtlich nicht so mystisch talentiert).
- Der Hund von Nachbarn machte tatsächlich einen Unterschied zwischen Uniformträger/innen und anderen Menschen an der Reviergrenze (das klassische Briefträgersyndrom). Wenn der Hund aber allein im Garten war, war es ihm völlig wurscht, was jemand anhatte. Nur wenn Frauchen das Küchenfenster mit Blick auf den Hof offen hatte, gab es großes Drama (unabhängig davon, ob es jetzt Post, Paketdienst oder vorbeilaufende/r Flugbegleiter/in war). Die Nachbarn waren sich sicher, dass ihr Hund das allein aus eigener Motivation so täte und dass es ihm durch alle Erziehung nicht wieder abzugewöhnen sei.
Ich habe Zweifel an einigem, was dem individuellen oder vermeintlich natürlichen Verhalten von Hunden als Motivation zugeschrieben wird.
Bei vielen anderen Themen, nehme ich selbst vielleicht völlig unkritisch etwas als objektiv wahr an, was eigentlich nur meine Projektion ist.
Self fullfilling prophecy: Ich erwarte ein Verhalten meines Hundes und geruchschemisch, gestisch, für Menschen gar nicht nachvollziehbar, wird meine Erwartung auf das praktische Resultat übertragen. Ich sehe mich bestätigt, denn der Hund macht ja genau das, vor dem ich Angst hatte, er könnte es machen.
Bitte nicht angegriffen fühlen! Ich sage nicht: "Alles nur subjektiver Quatsch!".
Wenn Eure Hunde dieses oder jenes Verhalten zeigen, müsst Ihr damit umgehen - ganz klar.
Und auch ich bin bei einigen Sachen null sensibilisiert bin für die Frage, ob das Problem hausgemacht sein könnte.
Ich frage nur:
Wie können wir wissen, zu welchen Prozenten etwas projiziert ist?
Und wenn es sein sollte, dass menschliche Mythen existieren ohne unabwendbare natürliche Fakten dahinter:
Was können wir vielleicht sogar ändern, wenn wir ein Verhalten im Verdacht haben, Produkt von Projektion zu sein?
Habt Ihr Erfahrungen, die über mein bloßes Fragen (denn sehr viel weiter komm ich gerade nicht) hinausgehen?
Und wie könnten wir eine ungewollte Bestätigung der Projektion (und ein sich einschleifendes Verhalten) von vornherein verhindern?