yane
"Da sich der Defekt erst bemerkbar macht, wenn der Hund bestimmte Substanzen aufnimmt, die es früher in der Form so gar nicht gab, hatten die Hunde ja auch kein Problem. Nicht wahr?"
Nein, nicht wahr!
Ich weiß, dass das oft behauptet wird und auch, dass es für alle Medikamente eine Alternative gäbe - gerade Züchter oder Zuchtverbände stellen das anscheinend gerne in den Raum.
Nur zeugt es eher von Unwissen oder vorgeschobenen "Ideen" als von "Wahrheit".
Begründung:
1. Das durch das MDR1-Gen gebildete Eiweiß transportiert eine Menge von Stoffen aus dem Körper, die in ihm nichts zu suchen haben (Stichwort: Entgiftung). Dazu gehören auch viele, die natürlich aufgenommen werden. (http://www.vetmed.wsu.edu/vcpl/ und http://www.vetmed.uni-giessen.de/pharmtox/mdr1_defekt.php)
2. Dieses Stoffwechselsystem hat auch Einfluß auf den Cortisolhaushalt. Cortisol ist ein Streßhormon. Hunde ohne MDR1 haben generell weniger Cortisol im Körper als Hunde mit. (http://www.mdr1-defekt.de/texte/PublicationMealey.pdf)
Punkt 1 und 2 sind die beiden bis jetzt bekannten Folgen des Defektes. Weitere werden vermutet und sind Thema in der Forschung (z. B. Darmerkrankungen).
Diese bereits bekannten und gut belegten Folgen existieren übrigens auch, ohne dass der Hund Medikamente bekommt.
Welche Probleme Hunde früher hatten oder nicht, ist nicht belegt. Seriöserweise können dazu allenfalls Vermutungen geäußert, aber keine Behauptungen aufgestellt werden.
Zu Punkt 1:
Das MDR1-Gen ist bei Säugetieren weit verbreitet und evolutionär sehr alt. Wer sich noch an Genetik/Evolution aus Schulzeit oder Studium erinnert, kennt sicher auch Darwins "Survival of the fittest" - das Überleben des genetisch an seine Umgebung bestangepaßten Lebewesens.
Das zu Grunde gelegt, wird MDR1 wohl in der Evolution der Säugetiere eine große Rolle gespielt haben.
Außerdem fußen viele unserer modernen Medikamente bzw. deren Wirkstoffe auf natürlichen Stoffen, wie z. B. auch das im Zusammenhang mit dem MDR1-Defekt immer wieder genannte Ivermectin - Grundlage ist ein Produkt eines Bodenpilzes.
Denkt nur mal an die Penicillin-Story. Da wurde auch ganz zufällig bei einem Pilz entdeckt, dass er Bakterien tötet.
Was durch eine höhere Konzentration von Fremdstoffen in Medikamenten oder durch deren regelmäßige Gabe JETZT auffällt, wird früher schleichend vor sich gegangen sein, aber trotzdem dem Lebewesen geschadet haben.
Ob und wie die von diesem Defekt betroffenen Hunde früher damit zurecht gekommen sind, kann man nur spekulieren. Dass sie es sind, ist allerdings logisch (meinetwegen auch deduktiv) unwahrscheinlich. So gibt es den Verdacht, dass bestimmte Darmentzündungen grundsätzlich mit dem Defekt in Zusammenhang stehen.
Und ich kenne auch die Vermutung, dass der Bordercollie so wenig betroffen ist, weil er als Arbeitshund eben einfach mit den Schafen entwurmt wurde. Tenor: Die Schafe bekamen Ivermectin, die betroffen Hunde wurden "natürlich ausgelesen"...
Zu Punkt 2:
Wenn schon ein Hormonhaushalt reguliert wird, was ist dann mit anderen Hormonen? Im Zusammenhang mit Hormonen wäre z. B. interessant, ob es signifikant mehr leer bleibende Hündinnen oder solche mit kleinen Würfen gibt, die MDR1 -/- sind.
Manche Züchter jedenfalls schauen auf ihre Erfahrungen und zählen da ganz einfach eins und eins zusammen.
Man sollte vielleicht dahingehend einfach mal die Zuchtbücher systematisch auswerten.
Mein Fazit dieser wenigen Punkte und Vermutungen ist jedenfalls, dass in Sachen MDR1-Defekt erst quasi die "Spitze des Eisbergs" bekannt ist.
Azalee
"Vielleicht war es anders gemeint, aber es liest sich so, als wären Merles im Besonderen von dem MDR1-Defekt betroffen."
Na ja, wenn du nochmal liest, wirst du sicher merken, dass es in dem Artikel um sehr verschiedene Gendefekte und Erbkrankheiten geht, die beim Collie auftauchen, so dass es eben kaum einen Collie gibt, der von keinem Defekt und keiner Krankheit betroffen ist.
"Viel interessanter und vor allem qualifiziert recherchiert und sachlich begründet sind diese Gegendarstellungen klick und klick."
*hüstel*
Gerade diese "Gegendarstellungen" (ich würde vor Gebrauch dieses Wortes auch mal einen tieferen Blick in das Pressegesetz empfehlen) und "Offenen Briefe" strotzen von Nichtwissen, Fehlinformationen und Uminterpretationen oder wie man divese Punkte auch nennen kann oder mag, dass mir einfach nur gruselt.
Wie können Vereine, die Rassen züchten, die deutlich von einem Gendefekt mit einer solchen Tragweite betroffen sind, nur dermaßen uninformiert sein?
Auch hier beschränke ich mich nur auf wenige Punkte, da dieser Beitrag ja sonst jeden Rahmen sprengen würde.
1. "Die MDR1-Mutation ist tatsächlich bereits vor mehr als 200 Jahren erfolgt, das betreffende Gen wurde jedoch erst im Jahr 2004 lokalisiert und erst dann wurde ein entsprechender DNA-Test entwickelt."
(http://www.cfbrh.de/GegendarstellungMinervaCollie.html - Stand heute um 9:51)
Da stimmen z. B. sämtliche Fakten nicht!
Begründung:
Über den Zeitpunkt der Entstehung des Defektes wird nur spekuliert - von einem "tatsächlich" kann keine Rede sein. Dr. Mark Neff (erforschte mit Kollegen die Verbreitung des Defektes und ist seiner im Netz durchaus zu findenden Vita nach jedenfalls kein Professor) sagt dazu selber: "The mutation probably arose in the mid-1800s, but this is speculative."
(http://www.thebark.com/content…tructing-gene-pool?page=3)
Das betreffende Gen wurde nicht erst 2004 lokalisiert. Vielmehr wurde beim Collie das defekte Gen bereits 2001 nachgewiesen! Die ersten Veröffentlichungen dazu stammen von Mealey! (http://www.vetmed.wsu.edu/depts-VCPL/publications.aspx)
Mal abgesehen davon, brauche ich nicht ERST den Test, um DANN das Gen zu lokalisieren?
Mh, anscheinend kann sich der CfbrH auch nicht wirklich auf Daten einigen, steht doch in dem beim Scrollen zuerst erscheinenden "Offenen Brief", dass in Deutschland 2003 mit der Forschung begonnen wurde (da hat man also zumindest auf die Homepage der Uni Gießen geschaut - http://www.vetmed.uni-giessen.de/pharmtox/mdr1_defekt.php), während in der "Gegendarstellung" plötzlich "2004" behauptet wird - und dass auch noch unter dem Tenor der "Richtigstellung"...
2. "Die Behauptung auf Seite 26 des Artikels, MDR1 und Merle seien Erbkrankheiten, ist falsch:
MDR1 ist tatsächlich lediglich eine Genvariante, die dazu führt, dass ein betroffener Hund bestimmte Medikamente nicht bekommen darf wie z.B. Ivermectin. Dies ist Tierärzten heute bekannt und wird entsprechend beachtet. Wird dies beachtet, wird ein betroffener Hund niemals klinische Symptome einer Erkrankung zeigen, noch Schmerzen haben oder in seiner Lebensfreude beeinträchtigt sein."
(http://www.cfbrh.de/GegendarstellungMinervaCollie.html - Stand heute um 9:51)
*hüstel*
Lieber CfbrH, natürlich hast du Recht damit, dass MDR1 (!) keine Erberkrankung ist! MDR1 (!) ist nämlich die Abkürzung FÜR "multi drug resistance" und damit der Name des FUNKTIONIERENDEN Gens, das Hunde nicht nur vor vielen unerwünschten Nebenwirkungen von Medikamenten schützt, sondern auch vor natürlich aufgenommenen Fremdstoffen etc. (siehe oben)! Deshalb allerdings ist MDR1 (!) auch keine Genvariante sondern eben die normale ursprüngliche Form! Die "Genvariante" ist der Gendefekt, der MDR1-Defekt!
Aber gut, aus dem Zusammenhang kann mensch immerhin erkennen, was gemeint ist.
Hier wird in meinen Augen gar sträfliche Verharmlosung unter Zuhilfenahme falscher Definitionen betrieben.
Begründung:
"Lediglich eine Genvariante" hat die Konnotation von "eher harmlos". Unter den Tisch fällt dabei die Wirkung dieser "Genvariante" - der "Defekt", der Ausfall der Funktion, das Nichtsynthetisieren eines für Entgiftung und Hormonhaushalt wichtigen Eiweißes.
Hier den Begriff "Erbrankheit" abzulehnen oder zu suggerieren, die Tierärzte hätten es im Griff - nun, ich bin baff!
Zu dem Punkt, dass Tierärzte es im Griff hätten, nur diese aktuelle Nachricht aus Frankreich:
"Décès d'une chienne Colley le 12/08/2010 suite à injection d'EMEPRID pour traiter une gastro-entérite."
(http://www.collie-online.com/colley/mdr1/index.htm
So, da wurde also ein Collie mit einem neuen Medikament auf Grund einer Darmerkrankung behandelt - und ist gestorben.
Interessant ist für mich auch, wie auf Seiten bestimmter Züchter/Vereine der die Folgen richtig beschreibende Begriff "Defekt" vermieden wird. Ich bin schon öfter auf Behauptungen gestoßen, dass es kein Defekt, sondern "nur" eine Mutation sei - als ob das einander 100%ig ausschließen würde. Inzwischen wird also anscheinend die "Genvariante" als Gegensatz aufgebaut.
Hat denn von den Schreibern solcher Dinge niemand ein Schulbuch mit dem Thema Genetik zur Hand?
3. "Bis heute ist bei Tieren, die im Club für Britische Hütehunde e.V. gezüchtet wurden, kein einziger Fall von PRA oder GCS bekannt geworden." ... "Im Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2009 sind 2.706 Collie Langhaar im Zuchtbuch des Clubs für Britische Hütehunde erfasst worden. Davon wurden 1.335 Hunde auf Augenkrankheiten untersucht. Insgesamt wurden 115 Fälle von CEA registriert (8,6%) und 0 Fälle von PRA.
0 Fälle von Taubheit und 0 Fälle von GCS wurden verzeichnet."
(http://www.cfbrh.de/GegendarstellungMinervaCollie.html - Stand heute um 9:51)
Auch diese Zahlen stellen keine stichhaltigen Argumente dar.
Begründung:
Für statistisch signifikante Ausagen verlangt der Statistiker leider eine wesentlich größere und sicherere Datenmenge als die klinisch auf CEA untersuchten Hunde und per Gentest waren es nach meiner letzten Zählung im CfbrH keine 100! Auch reicht nicht, dass von bestimmten Erkrankungen noch nichts bekannt ist.
Nein, wissesnchaftliche Studien muss man schon anders widerlegen als mit einem, mal lapidar formuliert, "hab ich noch nichts von gehört"!
4. "MDR1 Untersuchungen sind derzeit obligatorisch."
(http://www.cfbrh.de/GegendarstellungMinervaCollie.html - Stand heute um 9:51)
Warum eigentlich wird AUSGELASSEN (!!!), dass diese Untersuchung NUR FÜR ZUCHTHUNDE gilt, nicht aber für Welpen, die dann möglicherweise als MDR1-Überraschungspaket wahrscheinlich für gutes Geld und mit guten Worten an nicht gut informierte Besitzer gehen???
Und gerade im Zuchtbuch des CfbrH lassen sich auch in diesem Jahr viele ungetestete Welpen aus solchen Verpaarungen finden, in denen -/- Welpen möglich, wenn nicht gar 100% sicher sind.
Soviel zu den allgemeinen Behauptungen der Vereine...
Weiter Azalee
"Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Merle-Collies nicht stärker von Taubheit etc. betroffen sind als Nicht-Merles."
Und es gibt eine neuere, die genau diesen Zusammenhang herstellt. Auch die dort genannten Fakten sollten meiner Ansicht nach einem Zuchtverein einer betroffenen Rasse bekannt sein.
Auch wenn es einem nicht gefällt, mit dieser Studie - http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19192156 - zum Zusammenhang von Merle und Taubheit etc. muss man sich erst einmal auseinandersetzen, bevor man den Hinweis mit älteren veröffentlichungen vom Tisch wischt.
"Problematisch wird es, wenn eine "Meinung" als Fakten dargestellt wird und in einer viel gelesenen Zeitschrift abgedruckt wird. In der nächsten (oder übernächsten?) Ausgabe werden die Gegendarstellungen erscheinen, aber hängenbleiben wird wohl leider eher der Ausgangsartikel."
*erneutesgehüstel*
Als problematisch sehe ich eher Formulierungen zu diesem Artikel (erschienen übrigens in einer seriösen Hundezeitschrift, die schon lange am deutschen Zeitschriftenmarkt etabliert, ist und in dazu in einem Verlag, der mit "BreedersSpecial" - http://www.breederspecial.de/ - auch eine qualitativ hochwertige Zeitschrift für Züchter herausgibt!) in denen z. B. von "Denunzierung" (siehe http://www.cfbrh.de/GegendarstellungMinervaCollie.html oder "Rufmord" - so im Clubreport des CfbrH - die Rede ist.
Amüsiert bin ich dann nur noch bei dem verlinktem Brief des DCC (https://www.dogforum.de/viewto…0&postorder=asc&&start=10), der ja nun auch für sich spricht. Darin wird erst berichtet, dass dem Verlag FRAGEN BEANTWORTET und Bilder zugesandt wurden - um sich dann aber über den "EINDRUCK eines INTERVIEWS", der in diesem Artikel geweckt werde, zu beschweren.
Ähm...
Aber eine Kritik der durchaus interessanten Erwartungen und Vorstellungen der Vereine hinsichtlich der Aufgaben einer unabhängigen Zeitschrift sprengt nun wirklich den Rahmen dieser Antwort, die auch nur am Rande um Merle, einer wirklich alten Farbe, geht.
Aber ich finde auch positive Dinge in den Veröffentlichungen der vereine. Steht da doch klipp und klar, dass der Collie wenig ingezüchtet ist, dazu gesund und langlebig.
Na, dann steht doch dem herauszüchten des MDR1-defektes nichts im Wege! Denn genau diese Punkte waren es, die 2009 im Gespräch mit dem VDH angebracht wurden, um die Zuchtvorschrift zum Vermeiden MDR1-defekter Welpen vom Tisch zu haben!
Also freue ich mich, dass jetzt nicht nur weiter bis 2012 (!) vereinseigene (!) Zuchthunde auf den Defekt getestet werden, sondern dass endlich JEDER Züchter im DCC und im CfbrH diesen Defekt zu vermeiden hat!
Ist doch prima!
(Da schon Anwälte im Spiel sind, verweise ich darauf, dass diese Antwort bestens Wissens und Gewissens erstellt und mit wissenschaftlich öffentlich zugänglichen Quellen und Nachweisen fachlich und sachlich belegt wurde. Darüber hinaus enthält sie die eigene Meinung der Schreiberin, die allerdings auf Grund der Sachlage gegenüber den Vereinen nicht positiv ist. Meinungsfreiheit und Kritik sieht unser Grundgesetz allerdings ausdrücklich vor...)