Rabaukermann
Lass dir nicht einreden, ihr hättet das Problem verursacht, indem ihr Grenzen etabliert habt, wo der Hund dran darf oder wo nicht.
Es ist auch keine Racheaktion des Hundes wegen verletzter Gefühle oder entzogener Privilegien.
Schon gar nicht, wenn ihr ihn erst seit 8 Wochen (!) habt. Da seid ihr noch in der Kennenlernphase und der Hund am ankommen.
Manche Hunde backen erst kleine Brötchen und packen alles, was sie so können und wollen erst aus, wenn sie sich im Zuhause selbstbewusst fühlen.
Babys und Kleinkinder bewegen sich anders. Die haben manchmal einen starren Blick, einfach weil sie noch nicht scharf sehen.
Das ist für ganz viele Hunde ein Thema.
Ein Riesenproblem ist die Volksmeinung, Hunde müssten alle Babies lieb haben und beschützen wollen und niedlich finden.
Im Krankenhaus gab’s den Rat, ich soll dem Hund ne volle Windel hinlegen, damit er sich an den Geruch gewöhnt
So ein Käse.
Der Hund kann dein Baby allein schon an deinen Händen und Kleidung riechen.
Der muss nicht mit dem Rüssel dran!
Mein Hund ist inzwischen ehrlich entspannt und tolerant, selbst bei der letzten Familienfeier mit 6 Kindern zwischen 1-3 Jahren. Auch wenn die mal über ihn stolpern.
Und TROTZDEM würd ich ihn nicht an nem Säugling schnüffeln lassen und übrigens auch nicht an Hals und Gesicht der größeren Kinder.
Es gibt Dinge, die müssen einfach nicht sein.
Er darf auch nicht an Seniorenbeine, Allergiker und sämtlichen Besuch, der sich dabei eher unwohl fühlen würde.
Und trotzdem hasst/fürchtet er den nicht.
Gute Zäune machen gute Nachbarn.
Abstand halten. Situationen immer sorgsam kontrollieren.
Einfach beobachten und dran gewöhnen lassen.
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Regeln kann man auftrainieren. Aber es geht ja vor allem auch darum, wie sich der Hund WIRKLICH fühlt.
Nicht nur um den Gehorsam, den er länger oder kürzer zeigen kann.
Unser Hund ist sehr defensiv und hat sich komplett ferngehalten vom Säugling, weil er gespürt hat: Der Kleine ist uns sehr wichtig, wir sind sehr besorgt, aufmerksam, besitzergreifend.
Er fand den kleinen Zweibeiner nicht wichtig genug um da nen Konflikt herbeizuführen und ist ihm halt aus dem Weg gegangen.
Es hat gut ein Jahr gedauert, bis er in unmittelbarer Nähe ganz entspannt war. Und noch ein Jahr bis er das auch mit fremden Mini-Kindern war.
Aber das ist ok. Friedlich und bisschen Abstand halten reicht völlig aus.
Er respektiert auch keine Kinder unter Teenageralter. Wird er auch nie.
Er würde sie nie umrennen, aber sich Essen und Spielzeug einfach nehmen. Da muss ein Erwachsener dabei sein und widersprechen.
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Ich kann noch von meinen Erlebnissen berichten:
Als 2020 mein Sohn zur Welt kam war mein Border Collie Rüde Mulder 5 Jahre alt.
Wir haben davon intensivst Hundesport gemacht und ich bin auch noch hochschwanger Turniere mit ihm gelaufen und auf Ausstellungen mit ihm.
Dort führte in mein Mann vor — doch zu viel Rennerei.
Nicht, weil ich dachte „das muss“, sondern weil das für uns normal so war und ich mich fit fühlte.
(Unser Verlasspferd bin ich auch weiter geritten.)
Spezielles Baby Training für ihn gab es nicht.
Er kennt es aber, dass unsere Nymphensittiche und Pferde einfach Tabu für ihn sind.
Da wird nicht groß „eingebunden“, oder „schnüffeln gelassen“.
Mulder ist ein geliebtes Familienmitglied, dessen Bedürfnisse uns wichtig sind, aber er muss nicht überall die Nase dran haben.
Wir bekommen übrigens auch manchmal Erwachsene Besuch, den er wegen Allergie oder Angst auch nicht anschnüffeln darf.
Er macht den Eindruck, als sei das für ihn kein Drama.
Wegen HELLP-Syndrom kam unser Sohn als extremes Frühchen auf die Welt und war danach noch 6 Monate auf der Neo-Intensiv und Kinder-Intensiv.
In der Zeit war ich, wenn überhaupt, nur mal nen halben Tag oder ne Nacht mal daheim.
Und mein Mann und ich entsprechend am Limit unserer Nerven.
Natürlich war das ne Umstellung.
Dann kam das Baby heim, erstmal mit Herzmonitor.
Und dann entwickeln sich Kinder ständig weiter:
plötzlich greifen sie sich nach dem Hund,
dann robben und rollen sie auf dem Boden,
dann haben sie Futter in der Hand,
krabbeln, laufen lernen (samt stolpern),
dem Hund was sagen wollen, füttern wollen…
Aktuell hört Söhnchen schon etwas auf uns — und lernt Roller fahren. Und das mit ordentlicher Geschwindigkeit.
Alles Herausforderungen.
Natürlich achtet man auch auf die Rechte des Hundes.
Aber der muss kein Kinder-Fan sein.
Er muss nur wissen, dass seine Handlungsoptionen dann sind, sich raus zu halten.
Als Trost: Es wurde leichter, weil Mulder über den sehr langen Zeitraum auch tiefes Vertrauen ausgebaut hat.
Nicht nur, dass es eben „nicht seins“ ist, sondern dass der kleine Zweibeiner ihm nichts tut oder wegnimmt.
Aber echtes Vertrauen braucht oft Zeit.
Wenn jetzt das Kind doch mal über ihn stolpert, sich hinter ihm durchdrückt während er was frisst oder …
(alles Sachen, die man trotzdem nicht will)
dann sieht er das tatsächlich als Ausrutscher und reagiert gleichgültig und entspannt.