Weil hier so auf den Angsthunden aus dem ATS herumgehackt wird..
Hier wird das Leben auf der Straße für Hunde aber mMn auch zu romantisch gesehen
Wer glaubt denn wirklich, die Angsthunde (die man ja gar nicht so pauschalisieren kann, wie es hier manche machen) hatten auf der Straße keine Angst und keinen Stress, sondern ein super leben? Oder im shelter? Abgesehen davon, dass die meisten Länder eben mittlerweile Gesetze haben, dass Straßenhunde eingesammelt und meist auch zeitnah euthanasiert werden.
Ich frage mich, welchen Mehrwert ihr für die Hunde in der Ausgangssituation auf der Straße seht? Der Straßenhund der am besten mit der Situation klar kommt, ist doch nicht der, der beim Anblick eines Menschen schon in Panik verfällt und wohlmöglich vors nächste Auto rennt.
Klar, wenn man den Anspruch hat, der Hund soll in Zukunft bitte souverän zum everybodys Darling mutieren, Besuch und fremde Menschen lieben und solche Sachen, dann sucht man sich keinen Angsthund aus.
Aber - und das scheint hier manchen nicht ganz klar zu sein - hinter der Angst, haben diese Hunde auch noch eine Persönlichkeit und Charakter. Nein, ich rede jetzt nicht von dieser ominösen Dankbarkeit von "geretteten" Hunden.
In meiner bisherigen tierheimzeit gab es noch keinen Angsthund, der nicht irgendwann den Zugang zum Menschen gefunden hätte und wenn man viel mit solchen Hunden arbeitet, sieht man viel zu viele die richtig aufblühen, um an der Richtigkeit der Arbeit mit Angsthunden zu zweifeln.
Ja es ist Arbeit und oft auch ein sehr kleinschrittiger Weg.
Aber selbst die, die sich am Anfang viel krasser zeigen als Axel, brauchen manchmal nur wenige Monate bis sie- bis auf kleinere Unsicherheiten - vernünftig durch den deutschen Alltag können. Da war die Angst dann oberflächlicher, als man erwartet hätte.
Andere, brauchen vll auch ein Jahr (im Tierheim.. In einem eigenen Zuhause, mit einer Bezugsperson die viel mehr Zeit für das Training eines einzelnen Hundes hat, sieht das schon wieder anders aus), bis sie sich überhaupt ordentlich anfassen lassen. Aber irgendwann kommen die kleinen Erfolge immer häufiger aufeinanderfolgend.
Wir hatten auch einige Kandidaten, bei denen alle gesagt haben "das kann ewig dauern" und plötzlich nach 4 Wochen, oder 3 Monaten kommt der erste Körperkontakt zustande und auf einmal kann zumindest diese Bezugsperson mit dem Hund aus dem Stehgreif fast alles machen (ja, diese Kandidaten gibt's auch), weil das Vertrauen dann die Angst überwiegt.
Und andere, die zwar im Tierheim an das anfassen, Gassigehen etc gewöhnt werden konnten, aber erst im eigenen Zuhause wirklich das Zusammenleben mit dem Menschen genießen lernen konnten.
Inwiefern wäre es gerecht gewesen, einen dieser Hunde als hoffnungslos abzustempeln, wenn man den Tieren doch auch nur vor den Kopf gucken kann.
Dass nicht jeder mit einem solchen Hund glücklich wird, ist doch selbstredend. Genau wie nicht jeder mit Rasse XY glücklich werden kann.
Den Anspruch kann man doch aber auch nicht haben, um zu rechtfertigen, dass diese Hunde "hier her geholt werden". Die Daseinsberechtigung von Angsthunden im Deutschen ATS davon abhängig zu machen, dass diese Hunde bitte zu fast jedem Hundeinteressenten passen sollen, wäre doch unrealistisch.
"in ständiger Angst und dauerstress" lebt bei der Nachkontrolle im neuen Zuhause keiner mehr
Aber auch da gibt's starke Unterschiede wie gut es auch außerhalb des eigenen Zuhauses funktioniert, u.a je nachdem wie gut mit dem Hund dran gearbeitet wird.
Eine Hündin hat zB im letzten Zuhause eher Rückschritte gemacht, weil die Halter sich selbst einen immer kleiner werdenden Käfig gebaut haben.
-"Oh die hat Angst vor Straße xy, da gehen wir nicht mehr lang",
-"die meidet Gegenstand Z, dann nutzen wir den nicht mehr",
-"sie hat Angst im Dunkeln, dann schläft sie bei Licht",
-"sie hat Angst vor reflektierendem Licht (zB wenn ein Auto vorbei fährt und die Sonne reflektiert), dann machen wir Tags über alles in der Wohnung dunkel, damit kein Licht durchs Fenster fällt"
"Sie hat Angst vor Hauseingängen, könnte ja jemand raus kommen, dann gehen wir an keiner Haustür mehr näher als 20m entfernt vorbei"
Etc PP.
Dass Problem ist dort gewesen, dass das erst nach einem halben Jahr so gehandhabt wurde, bis zur Nachkontrolle kamen immer Nachrichten, wie toll alles läuft usw. Nach etwas mehr als einem Jahr musste die Hündin dann wieder weg.
Da kam sie zu mir auf PS und ja, das war nochmal anstrengend, weil ich sie erstmal mit Konfrontationstherapie wieder auf den alten Stand bringen musste. (Nee, wir sitzen das jetzt aus, du brauchst nicht panisch wegrennen, der Lichtfleck frisst dich nicht, nein wir machen jetzt keinen bogen, nur weil da ein Hauseingang ist, auf dem Gehweg sind wir weit genug davon weg etc)
Was dann unglaubliches Glück war, wir haben nach nur wenigen Monaten ein neues Zuhause gefunden, wo es einfach perfekt matched.
Es wurde so fleißig weiter dran gearbeitet, dass die Hündin jetzt im Alltag überall dabei sein kann und - abgesehen von Silvester und Gewitter - vor nichts mehr irgendeine Angst zeigt. Sie spielt, sie hat Freilauf, sie hat eine riesige Lebensfreude.
Und am Anfang, als sie zum ersten Mal zu uns kam, galt sie bei den meisten aus dem Tierheim als hoffnungslos, da ihre Angst und die nach außen gerichtete Aggression in den ersten Wochen echt zu den Extremfällen gehörte. Wie gesagt, Axel zeigt im Verhältnis noch ein recht moderates angstlevel.
Neben den schweren Jungs (also, die gefährdenden Kaliber) sind mir unsere Angsthasen am meisten ans Herz gewachsen
Meistens hab ich dieses Gefühl "den dort auf der Straße zu lassen, wäre besser gewesen" eher bei den Hunden, die sehr selbstständig und selbstsicher sind und überhaupt keine Lust auf den Umgang und die Kooperation mit dem Menschen haben, weil sie ihre Freiheiten lieben.
Die Angsthunde profitieren im Endeffekt doch davon, wenn sie sich an einem Menschen orientieren können, der Situationen regelt.
Ja, wenn man mit diesen Tieren täglich arbeitet, hat man nochmal einen ganz anderen Sichtwinkel. Das ist mir klar.