Ich finde ehrlich gesagt, dass das einfach nach einem mittlerweile erwachsenen Hund klingt, der weder klare Linien noch deutliche Regeln kennt.
Nur weil ein Hund bei seiner ersten Familie gut gehört hat und diese respektiert hat, heißt das nicht, dass er das bei seiner neuen Familie auch tut. Möglich, ja, es gibt viele Hunde, bei denen wäre das der Fall. Aber es gibt eben auch solche, für die das nicht gilt. Mein Hund lebt mit mir und meiner Familie. Er hört bei mir auf jedes Kommando, nimmt mich ernst und er akzeptiert, dass ich entscheide, was wann passiert und was nicht, wo er sich zurückzuhalten hat und wo er frei agieren darf. Er nimmt mich ernst. Bei meinen Familienmitglieder befolgt er auch das ein oder andere Kommando, einfach so, weil es halt irgendwie gelernt ist und vielleicht kommt ja mal ein Lob dafür, er beherrscht es ja auch und tut es dann auch mal. In Situationen, in denen es wirklich drauf ankommt (Außenreiz groß o.ä.) können die den mal, dann testet der aus was das Zeug hält und überlegt sich mehr als 2x, ob das Kommando jetzt wirklich sein muss - idR entscheidet er sich dagegen. Würde er bei mir niemals tun. Betteln am Tisch? Bei mir niemals. Bei meinen Familienmitgliedern werden Kommandos ignoriert und er klettert mal eben halb auf den Schoß. Er käme bei mir im Leben nicht auf die Idee, irgendwen anzuknurren und wenn, dann wäre das sofort zu unterbinden. Bei meinen Familienmitgliedern würde der tun, worauf er Bock hat und wenn er Bock hat, knurrt er eben. Mein Hund ist ein Hund, dessen "Respekt" man sich über Monate hinweg mit knallharter Konsequenz, Zuverlässigkeit und viel Training erarbeiten muss, damit er einen ernst nimmt und trotzdem würde er es sofort heimzahlen, wenn man sich inkonsequent zeigt. Der würde bei euch über Tische und Bänke gehen und sich vermutlich ähnlich verhalten wie euer Hund (Ressourcen verteidigen, selbst entscheiden was wann passiert, wer was darf und wer nicht,...), bei mir würde der gar nicht erst drüber nachdenken. Es gibt solche Hunde, euer Hund scheint so ein Hund zu sein und für Hunde dieser Sorte klingt das nicht nach einer optimalen Hand, die den Hund zu führen weiß.
Abgesehen davon, finde ich, kann man auch die Rassekombination nicht ganz außer Acht lassen, genauso wie das Alter.
Ihr habt den Hund übernommen, da war er 1,5 Jahre alt. Ein Junghund, der noch dazu eben diese Führungskompetenz wohl kennengelernt hat und gewohnt war. Jetzt ist der Hund erwachsen, schon mal ein riesen Unterschied. Erst recht, wenn in der Zwischenzeit kaum etwas gemacht wurde und die Führungskompetenz, um es mal so zu nennen, im Prinzip gefehlt hat. Die Zeit bis zum erwachsenen Hund ist entscheidend. Außerdem steckt in eurer Rassekombi ein Schäferhund. Die wirklich relevanten Charaktereigenschaften dieser Rasse, die in falscher Hand oft zu Problemen führen, entwickeln und zeigen sich oft erst im erwachsenen Alter - zwischen dem 2. und 3,5. Lebensjahr. Ich finde, angesichts der Rassekombination in Zusammenhang mit der fehlenden Führung des Hundes sind die Verhaltensweisen eures Schäferhundmixes relativ nachvollziehbar und je nach dem, wie viel er von welcher Rasse mitbekommen hat, könnte das noch deutlich kritischer aussehen.
Ich finde es eigentlich relativ offensichtlich, wo da an welcher Stelle etwas falsch gelaufen ist. Euer Hund verhält sich auch nicht "böse", ich finde er verhält sich vielmehr den Umständen entsprechend. Es hat niemand anständig mit ihm gearbeitet, also warum soll er sich so verhalten? Das hat nicht nur etwas mit Kommandos zu tun, die ein Hund ganz toll abspulen kann, sondern spiegelt sich vor allem in alltäglichen Verhaltensweisen, in denen der Hund eben kontrollierbar ist oder nicht. Das "Ernst nehmen" seines Hundehalters zeigt sich nicht darin, dass der Hund "Sitz" macht, wenn man ihm es sagt, sondern darin dass er sich im alltäglichen lenken lässt nach den Wünschen des Halters und nicht nach den Impulsen des Hundes. Letzteres erarbeitet man sich u.a. aber eben auch mit stupidem Training.
Abgesehen von dem Tierarztcheck (der letzte ist deutlich zu lange her!), bei dem auch Schilddrüsenwerte kontrolliert werden sollten, würde ich mir vor allem über obiges Gedanken machen. Wenn man sich anschaut, wie die ersten 1,5 Jahre dieses Rassemixes aussahen und wie die letzten 1,5 Jahre aussahen, würde ich vermutlich eher dort den Knackpunkt vermuten und weniger bei medizinischen Ursachen. Abklären lassen würde ich das aber trotzdem, logisch. Und ein Trainer, der weder mit Rudelstellungstheorien noch mit Dominanzgehabe arbeitet, wäre sicher nicht verkehrt. Ich finde, ohne das böse zu meinen, so manches im Umgang mit dem Hund klingt doch recht blauäugig und da fehlen irgendwie schon ganz grundlegende Dinge, die ein Hund eigentlich braucht und schätzt. Da wird ein Trainer sicher helfen können, einen Einstieg zu finden. Momentan kann man da sicher noch viel machen, sonst hat man irgendwann vielleicht wirklich größere Probleme an der Backe.
Euch viel Glück und alles Gute!