Neulich komme ich vom Spaziergang mit meiner Tierheim-Gassi-Hündin -- ein etwa kniehohes, hyperaktives Muskelpaket mit ausgeprägtem Jagdtrieb, völlig übersteigertem Beutetrieb und terriertypischem Größenwahn. Auf dem Parkplatz erwartet uns bereits eine ältere Dame (Ü60), in teuren Freizeitklamotten an ihren Porsche gelehnt. "Aaach, da ist er ja endlich, den will ich!"
"Guten Tag... Sie interessieren sich also für diesen Hund?"
"Jaaa, genau den will ich. Den hab ich mir im Internet schon ausgesucht! Wissen Sie, ich wollte schon immer mal einen Hund haben, und ich brauche einen aktiven Hund, der mich so richtig fordert--nicht so einen Langweiler! Genau DER ist es!"
"OK.. also, das ist übrigens eine Hündin. Wie sind Sie denn ausgerechnet auf sie gekommen? Was möchten Sie denn mit dem Hund machen?"
"Ich bin viel draußen!"
Fragende Stille.
"Naja, also...ich jogge gern! Und am Wochenende gehen wir auch schon mal wandern. Außerdem möchte ich vielleicht mal auf den Hundeplatz gehen! Da brauche ich schon so einen Hund." Ich muss mir auf die Zunge beißen, um sie nicht zu korrigieren. ("Die Polizei brauchtso einen Hund. Der Zoll braucht so einen Hund. die Rettungshundestaffel braucht so einen Hund. Was Sie suchen, ist einfach nur ein netter Freizeitbegleiter.")
Stattdessen habe ich ihr dann höflich erklärt, dass wir diesen Hund nicht so gerne an Hundeanfänger vermitteln würden und habe ihr einige andere Hunde vorgeschlagen, die deutlich besser zu ihren Ansprüchen und beschriebenen Lebensumständen passen würden: Junge, gesunde, lernwillige Hunde, die sich auch von unerfahrenen Menschen gut führen lassen, die gerne unterwegs sind und bei jeder Wanderung Schritt halten können; die Spaß am gemeinsamen Arbeiten haben, es aber nicht exzessiv einfordern. Jeder dieser Hunde wurde rigoros abgelehnt -- "Zu klein." "Zu langweilig." "Ich suche schon eine richtige Herausforderung." "Es soll schon ein richtiger Hund sein."
Abgesehen von der Portion Selbstüberschätzung, die hier sicher mit im Spiel war, stolpere ich auch hier im Forum immer wieder über ähnliche Gedankengänge. Wenn hier ein TE gefragt wird, warum es denn ausgerechnet ein Aussie/Siberian Husky/Rhodesian Ridgeback/[sonstigen Modehund hier einsetzen] sein soll, kommt als Antwort oft etwas wie: "Wir haben einen großen Garten mit ganz viel Platz zum Toben. Am Wochenende sind wir viel in der Natur unterwegs und fahren auch Fahrrad. Ganz in der Nähe sind viele Felder, ein großer See und ein Wald mit ganz viel Platz zum Bällchenspielen und Toben. Ich möchte auch gerne in die Hundeschule gehen und vielleicht Agility machen oder dem Hund Tricks beibringen." Herzlichen Glückwunsch, das sind ja prima Voraussetzungen für einen HUND! Aber woher kommt dann so häufig die Idee, dass es gleich ein extrem lauffreudige Rasse sein muss, weil man ab und zu Fahrrad fährt? Oder eine hoch intelligenter, fordernder Hund, nur weil man ein bisschen tricksen möchte oder Spaß an Denkspielen hat? Abgesehen von einigen Ausnahmen (sei es körperlich/medizinisch oder durch den individuellen Charakter bedingt) kann doch praktisch jeder Hund solchen Anforderungen gerecht werden.
Mir geht es hier gar nicht um die alte Diskussion, ob gewisse Spezialisten als Familienhund nun glücklich werden können oder nicht; das ist meiner Meinung nach immer nur im Einzelfall zu beantworten und soll hier gar nicht wieder "hochkochen". Was mir nur auffällt, ist, dass es (neben sicherlich optisch bedingten Modeerscheinungen) auch immer mehr in Mode kommt, besonders "anstrengende" Hunde auszuwählen, weil man ja eine aktive Familie ist und auch gerne die Herausforderung sucht. Das kann ich sogar bedingt verstehen; auch ich habe Spaß an Hunden, die mich besonders fordern und durch die ich mich weiter entwickeln und lernen kann. Aber manchmal glaube ich, dass viele Leute vergessen oder einfach nicht wissen, dass jeder Hund eine Herausforderung sein kann. Ich kann jeden Hund individuell so fördern, dass wir beide Spaß an der geistigen Auslastung haben--und das kann fordernd und bereichernd sein, auch und gerade wenn der Hund gerne und von sich aus kooperiert und nicht erst davon überzeugt werden muss. Ich brauche keinen Gebrauchshund, um hobbymäßig auf den Hundeplatz zu gehen und gemeinsam mit meinem Hund dort Spaß zu haben.
Vielleicht geht's ja nur mir so, aber mir fällt das doch immer wieder auf, und woran es liegt ist mir leider ein Rätsel...