Hey Alphie,
vieles von dem was Du schreibst kommt mir sehr bekannt vor! Unsere Nosy hat ebenfalls leider keinerlei Sozialisation erfahren und hatte (hat) unheimliche Schwierigkeiten, mit der neuen Situation klar zu kommen. Sie war auch ein kleiner Mogli und ist in ihrer Unsicherheit und Panik wie eine Irre nach vorne gegangen. Gerade bei mir hat sie dann auch angefangen zu denken, sie müsse mich beschützen und das hat alle Begegnungen echt zur Hölle gemacht.
Mittlerweile (wir haben sie jetzt ungefähr 10 Monate und sie wird im Februar zwei Jahre) machen wir aber riesige Fortschritte und vielleicht helfen Euch unsere Methoden auch dabei, den richtigen Weg für Euren Hund zu finden.
Was geholfen hat:
- ein Hund, der Panik schiebt, kann gleichzeitig nichts lernen. Also haben wir uns vom Tierarzt ein pflanzliches Medikament verschreiben lassen, das unseren Hund dabei unterstützt, die Nerven zu behalten (ich weiß nicht, ob ich den Namen hier nennen darf, aber bei Interesse schicke ich ihn Dir per PN)
-wir haben eingesehen, dass unser Hund nicht viele Kapazitäten frei hat, um Eindrücke zu verarbeiten. Also haben wir die Gassigänge extrem gekürzt und einschätzbar gemacht, indem wir immer die gleiche Strecke gegangen sind! Und das zweimal am Tag ne halbe Stunde, also echt richtig wenig! Plus kleine Pipirunden morgens und abends. Auslastung fand fast nur durch ruhige Kopfarbeit in der Wohnung statt.
Habt ihr einen Garten, in dem er sich ein bisschen austoben kann? Wir haben unsere Hündin konsequent an unserem Körper geführt draußen, um ihr Sicherheit zu geben. Das hat enorm geholfen, auch, weil man in jeder Situation sofort auf den Hund einwirken kann.
-Begegnungen werden von uns vollständig durchstrukturiert. In den ersten vier Wochen haben, bis auf ein paar Hunde, die sie kennt und mag, sofort bei Sichtung eine 180Grad-Wende gemacht. Und zwar so gut es ging bevor sie sich aufregte. Bei Passanten und Radfahrern und Autos haben wir sie mit großem Abstand absitzen lassen und für jedes mal hingucken und wieder zu uns gucken mit hochwertigen (!) Leckerchen belohnt. War sie zu aufgeregt um diese anzunehmen: entweder raus aus der Situation oder, wenn das nicht mehr möglich ist: sich neben oder vor den Hund hocken und ihn sanft festhalten und ruhig warten, rastet er aus: Fest halten, beim nächsten mal mehr Abstand oder ein paar mal gleich Kehrtwende.
Unser Hund ist immer noch ein Aggrobündel, aber mittlerweile lässt sie das mit den Leckerchen (und großem Abstand! ) sogar bei Hunden zu und sie hat langsam begriffen, dass wir die Situationen regeln.
-Stabilität und Verlässlichkeit sind für unseren Hund total wichtige Faktoren. Sie braucht unbedingt verlässliche Regeln, die IMMER gelten und von uns IMMER freundlich umgesetzt werden.
Druck schaltet ihr Gehirn aus. Es ist brutal hart, wirklich immer geduldig zu bleiben, aber nur so vermittelt man meiner Meinung nach dem Hund, dass man selber souverän ist und weiß was man tut und dass es klug wäre sich an einem zu orientieren.
-Ganz wichtig: unser Hund brauchte ein Hobby in dem er richtig gut ist und Selbstvertrauen gewinnen kann! Bei einem Retriever liegt das Dummytraining nahe, wir haben die ersten Übungen in der Wohnung und im Garten gemacht und nehmen mittlerweile Einzelstunden. (Gruppen sind noch nicht möglich, soweit ist sie noch nicht)
Euer Hund schnüffelt gern? Dann fängt doch damit im Haus an, das ist auch eine wahnsinnig gute Sache um einen Hund ruhig auszulasten! Und immer wie verrückt loben und bewundern! :)
- ein Hund, der sein Leben lang auf sich selbst gestellt war, hat vermutlich nie gelernt sich zu beherrschen. Übungen zur Impulskontrolle und zur Frustrationstoleranz sind wichtig! Dabei ganz kleinschrittig vorgehen, z.B. Leckerchen vor die Schnauze und kurz warten bevor ihr im es gebt oder so.
Unsere hat morgens und abends ein Warteritual bevor es Futter gibt. Das ist auch insofern gut, weil sie sich darauf verlassen kann und es den Tag schön einbettet.
So, das war es erst mal, was mir so spontan eingefallen ist. Wir haben ja schon unterschiedliche Hunde, aber vielleicht hilft Dir der ein oder andere Ansatz, um daraus etwas für Deinen Hund zu entwickeln.
Ich wünsche Dir auf alle Fälle viel Kraft und alles Gute! :)