Beiträge von buihuu

    Kannst du mir Situationen nennen, die nicht planbar/berechenbar sind?

    Um zwei Beispiele zu nennen:


    Du steigst in einen Aufzug, der Aufzug hält, mehrere Menschen steigen zu, soweit kein Problem, du stehst ganz hinten. Der Aufzug hält nochmal, zwei schreiende Kinder mit ihrer Mutter steigen ein und hüpfen wild herum, die Aufzugstür schließt sich. Hier nimmt das Unheil seinen Lauf. In dieser Situation kann ich nicht weg. In dieser Situation kann ich den Hund aber auch nicht toben und kleine Kinder fressen lassen. Ignorieren also eher schlecht. Und eine Aufzugsfahrt kann manchmal so verdammt lang sein.


    Du befindest Dich in einem beengten Behandlungszimmer beim Tierarzt. Dein Hund ist in Behandlung, plötzlich stürmt eine Katze gefolgt von der aufgeregten Sprechstundehilfe ins Zimmer. Unnötig zu erwähnen, dass sich der Hund nicht die Bohne für die Katze interessiert, sondern die Sprechstundenhilfe das Objekt der Begierde ist! Auch hier ist aus der Situation gehen nicht möglich.


    Was ich damit sagen will: das Leben ist eben eine Aneinanderkettung von Umständen und alles andere als planbar.

    Unser oberstes Gebot ist, dass sie sich niemals einer fremden Person nähern darf. Niemals. Solange der Abstand groß genug ist, passiert bei uns rein gar nichts und die Umsetzung ist relativ einfach.

    Und wenn sich eine Person ihr ungefragt nähert (s.o.)?

    Ich arbeite/ignoriere auch oft das nicht gewünschte Verhalten meines Hundes, aber wir reden dann über belanglose Verhaltensweisen die niemanden irgendeiner Gefahr oder Belästigung ausetzen. Die zudem auch nicht selbstbelohnend sein darf.

    Leider trifft beides auf von mir geschilderte Situationen zu. Und deshalb kann ich es auch nicht einfach ignorieren.

    Da liegt der Fehler: Man ignoriert das Verhalten nicht, solange der Hund das Alternativverhalten noch nicht zuverlässig zeigt, man vermeidet, dass es überhaupt auftreten kann und nimmt den Hund, wenn es doch auftritt, aus der Situation.

    Verstehe was Du meinst und wenn ich mir etwas in der zurückliegenden schwierigen Zeit hätte wünschen dürfen, wäre es genau das: planbare Situationen, die sich gut managen lassen. Leider ist dies ein Idealbild und mitunter sehr theoretisch, d.h. es kann in der Praxis nicht immer gewährleistet werden. Man kann es so umsetzen in Situationen, die in gewisser Weise vorhersehbar sind und in denen man überhaupt erst eine Möglichkeit hat zu managen. Wie ein Deinem Beispiel mit dem Radfahrer. Den sehe ich schon von weitem und habe genug Zeit, um alternatives Verhalten abzufragen, den Hund anzuleinen oder auszuweichen. Whatever.


    In vielen Alltagssituationen hat man diese Möglichkeit aber leider nicht, weil diese völlig überraschend aus dem Off kommen. Mit Management ist es dann Essig und ich kann auch nicht immer aus jeder Situation heraus. Und das sind (waren) dann bei uns leider genau die Momente, in denen sich - und ich bleibe dabei: aufgrund der ausbleibenden Korrektur meinerseits - Verhalten gefestigt hat. Es bleibt also die Frage: Was machst Du in Momenten, in denen Du nicht managen kannst? Ignorieren ist keine Option, Korrigieren auch nicht.


    Mal davon abgesehen, dass dieses ständige Management 1000%-ige Aufmerksamkeit und Wachsamkeit in jeder Lebenslage abverlangt und es trotzdem Situationen gab, in denen wir gescheitert sind und die uns meilenweit zurückgeworfen haben, habe ich es als sehr nervenaufreiben und alles andere als entspannend empfunden und wahrscheinlich hat sich das auch auf den Hund übertragen. Mit Lebensqualität hatte das dann für uns beide nicht mehr allzu viel zu tun.

    Ich baue grade mein Abbruchsignal nach der Anleitung auf:
    AbbruchsignaleMarkertraining

    Das liest sich ganz interessant, bedarf aber m.E. sehr, sehr vielen Wiederholungen und ob es dann in einer absoluten Reizsituation auch zuverlässig ausgeführt wird, vermag ich mal zu bezweifeln. Zumindest bei den Hunden, denen Futter nicht so wahnsinnig wichtig ist, wird es sicher um einiges schwerer werden, dass auch zuverlässig zu trainieren. Aber es kommt auf einen Versuch an, der ja sicher nicht schadet. Bei uns reicht es in den meisten Situation, dass ich ihren Namen sage, dann schaut sie mich auch an, ich freu mich und es gibt auch mal einen Keks. Unter hoher Ablenkung, bspw. wenn ein anderer wütend in der Leine hängender Hund auf uns zukommt, funktioniert das nicht zuverlässig. Da muss ich dann schon deutlicher werden, wenn ich nicht will, dass sie zurück keift. Ein "LASS ES" oder ein gezischtes "NEIN" ist in diesem Fall deutlich effektiver. Wenn sie es lässt, gibt es auch dann ein Lob bzw. eine Belohnung.

    Ich würde dennoch - und darauf stützt sich meine gesamte Kritik - nicht über Meideverhalten/Strafe bei einem Hund arbeiten, der Menschen beißen möchte, sondern ihm positiv aufgebaute Alternativen zeigen.

    Damit habe ich leider keine guten Erfahrungen gemacht bzw. schlimmer noch, bin ich der Meinung, dass das unser Problem erst richtig groß gemacht hat. Ich habe dem Hund in jungen Jahren schlechtes Verhalten durchgehen lassen bzw. es ignoriert. Das Ignorieren des unerwünschten Verhaltens hat dazu geführt, dass der Hund dies als richtig abgespeichert hat, weil ihm eine Reflektion auf dieses Verhalten gefehlt hat. Ergo: Das Verhalten wurde massiver und es wurde von mal zu mal schwieriger, ihm in den Schlüsselsituationen positive Alternativen zu vermitteln.


    Deshalb finde ich die generelle Kritik an "Strafe" (ich ersetze dieses negativ belegte Wort lieber durch Korrektur) brisant und mitunter auch gefährlich. Gerade für Ersthundebesitzer mit schwierigen Hunden, die noch auf überhaupt keine Erfahrungen in der Hundeerziehung zurückgreifen können.

    Wie kann ich denn ein Abbruchsignal positiv aufbauen? Ein Abbruchsignal ist ein Abbruchsignal, dass den Hund in seinem Verhalten - das er in der gegenwärtigen Situation für angemessen und richtig erachtet- unterbricht. Somit ist es schon per Definition "negativ" und das soll es ja auch sein, wenn ich damit eine deutliche Grenze setzen möchte. Erziehung heißt in meinen Augen auch, dass der Hund auch mal negative Erfahrungen machen muss. Das versetzt den Hund überhaupt erst in die Lage zwischen richtig und unrichtig unterscheiden zu können.


    Positiv verhalte ich mich unmittelbar nach der Korrektur, nämlich genau dann, wenn der Hund das gewünschte Verhalten zeigt. Falls Du das mit positivem Aufbau meinst.

    Na dann glaube ich liegen wir ja mit unseren Vorstellungen von Korrektur und Verhaltensabbruch gar nicht so weit auseinander. Einige Posts von Dir lassen darauf schließen, dass Du ausschließlich mit positiver Verstärkung arbeitest, was Du ja nun selber revidiert bzw. klar gestellt hast.

    Es gibt keine Konsequenzen, wenn ein Kommando ignoriert wird - das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Hund geblockt wird, in die Leine rennt oder, dass ich ihn wortlos, aber nett einsammle.

    Blocken und in die Leine rennen ist m.E. durchaus eine Negativeinwirkung und per Definition eine Aktion, die einen Verhaltensabbruch bewirkt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass der Hund das unerwünschte Verhalten beim nächsten, spätestens übernächsten mal, nicht mehr zeigt. Jeder, der einen Hund schon mal per Volldampf in die Leine hat kacheln sehen, wird wissen was ich meine. Ich will das weder schönreden noch verteufeln, aber ich sehe hier meine These gestützt, dass man über positive Verstärkung alleine nicht bei JEDEM Hund - am wenigsten bei den vermeintlichen Beißern - etwas ausrichten kann. Und das ist auch gar nicht schlimm, manchmal braucht es eben einfach überzeugende "Argumente", die beim Hund eine Reflektion über sein Verhalten hervor rufen.


    Entsprechendes hierzu habe ich ja bereits geschrieben:

    Und ich persönlich habe gar nichts gegen positive Verstärkung und Belohnung von positivem Verhalten. Bei uns hat leider das alleine nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Aber das ist eben von Hund zu Hund unterschiedlich. Ich hatte eine kleine Giftkröte, die tatsächlich auch mal eine Ansage brauchte.


    Du wirst mir jetzt schreiben, dass das schön und gut ist, aber bei deinem Hund nicht funktioniert hätte, deshalb nehme ich das einfach vorweg, auch, wenn das total unhöflich ist: Ich denke schon, dass es funktioniert hätte und ich glaube, mein Hund ist in vielen Dingen weitaus extremer als deiner.

    Nein, das werde ich Dir nicht schreiben, denn genau das von Dir beschriebene wende ich auch bei meiner Hündin an. Leg also die Glaskugel getrost wieder beiseite :D Wenn ich von Korrekturen spreche, dann reicht meine Palette von einem einfachen "NEIN" (in den meisten Fällen auch ausreichend) über ein gezischtes "KSCHT" oder einem erhobenen Zeigefinger bis hin zu einer körperlichen Blockade; ich habe sie auch schon mal für 2 Minuten vor die Terrassentür gesetzt. Eben angepasst auf die Situation. Wieso Du wiederum daraus schließt, dass meine Hündin dadurch eingeschüchtert oder verängstigt wird, habe ich immer noch nicht ganz verstanden (ok, bei der Aktion mit der Tür lasse ich mir das womöglich noch gefallen, das war ein bisschen böse von mir). Genauso lobe und verstärke ich aber auch erwünschtes Verhalten und ich möchte mal meinen, meine Nettigkeit und der positive Umgang - insgesamt der "Kuschelfaktor" mit dem Hund überwiegt deutlich. Aber ich lasse mich eben auch nicht ver...schen. Genauso wie ich meine Kröte als Lebewesen mit eigenen Emotionen und Empfindungen respektiere, erwarte ich von ihr, dass sie mich nicht in Frage stellt und meine Entscheidungen akzeptiert. Es sind nicht allzu viele Dinge, die ich ihr abverlange, aber in einigen wenigen Situationen ist mir gehorsam sehr wichtig.


    Ob unsere Hunde ein vergleichbares Niveau haben, können wir glaube ich beide erst beurteilen, wenn wir die beiden mal live und in Farbe gesehen haben. Man kann Hunde ja auch schwer vergleichen. Unhöflich empfinde ich Dein Statement nicht, wir tauschen uns ja hier bloß aus, also nehme ich das alles nicht allzu persönlich. Ich hoffe, Du siehst das ebenso :flucht:

    Dass deine Hündin auf leichte Einwirkungen reagiert, zeigt, dass diese Einwirkungen für sie massiv genug sind, um daraufhin ihr Verhalten abzubrechen

    ..und das ist auch gut so, denn ich möchte mit meiner Einwirkung ja genau das auch erreichen! Die "Kunst" dabei ist, angemessen zu reagieren, d.h. die Korrektur darf nicht zu schwach ausfallen, aber auch nicht überzogen sein.

    und nett gesetzte Grenzen

    Gib doch bitte mal ein Beispiel, wie du "nette" Grenzen setzt, die der Hund auch als solche annimmt.

    Einerseits ist dein Hund unsicher und hat eine niedrige Reizschwelle, andererseits kann er Korrekturen aber ab - doch gerade, dass er darauf, sogar bei angeblich geringer Korrektur, reagiert, zeigt doch, dass er es nicht "abkann", sondern, dass es ihn ängstigt/verunsichert.

    Dieser Logik kann ich leider nicht folgen. Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?


    Dass meine Hündin auf leichte Einwirkung reagiert, zeigt erst mal nur, dass sie sensible Antennen hat. Verängstigt oder verunsichert ist sie durch meine Korrektur nicht. Im Gegenteil - eine immergleiche Antwort auf immergleiches Verhalten gibt ihr Sicherheit und einen Handlungsrahmen in dem sie sich bewegen kann.

    Bei uns muss ich kombinieren zwischen Alternativverhalten und auch mal körpersprachlich zurechtweisen.

    Genauso sieht (sah) das bei uns auch aus. Mittlerweile ist das Alternativverhalten verinnerlicht und körpersprachliche Korrekturen (Zurückdrängen) sind nur ganz, ganz selten nötig. Wahrscheinlich gibt es jetzt wieder einen Aufschrei, ja, ich bedränge meinen Hund auch mal wenn es sein muss. Meine Kröte kann das ab.


    Ich habe einen souveränen Hund ohne Rückwärtstendenzen, der allerdings eine recht hohe Reizschwelle hat

    Ich habe leider keinen souveränen Hund, sondern einen unsicheren, unberechenbaren Draufgänger mit extrem niedriger Reizschwelle, der gelernt hat wie man Menschen wirkungsvoll vertreibt. Glücklicherweise hat sie auch sensible Antennen und reagiert sehr gut auf eine Korrektur.

    Ich finde, deine ersten Posts hier klangen sehr verallgemeinernd und legten die Interpretation nahe, dass scharfe Ansagen, Korrekturen usw. grundsätzlich besser funktionieren.

    Achso, nein, ich wollte eigentlich nur mal von meinen Erfahrungen berichten und vordergründig ging es mir darum, dass der vielzitierte Angsthund in meiner Wahrnehmung sehr präsent ist. Von daher wollte ich Betroffene einfach mal dazu ermuntern, etwas genauer hinzuschauen. Richtig ängstliche Hunde gibt es m. M. n. viel seltener als angenommen. Bei mir war es damals tatsächlich ein Aha-Effekt, als ich erkannte dass meine "Angstbeisserin", die ich immer beschützen wollte und um die ich wie um ein goldenes Kalb herumgetanzt bin, in Wahrheit einfach nur eine unsichere Giftkröte ist. Von dem Tag an, an dem sie auch mal ein entsprechendes Echo auf Ihr Verhalten von mir bekam, funktionierte auf einmal alles viel besser. Und da frage ich mich schon manchmal, warum man in vielen Fällen ewig mit Samthandschuhen herumdoktert, anstatt einmal richtig deutlich zu werden. Daran ist doch an sich auch nicht schlimmes. Als Kind musste ich mir auch jedes mal ein Donnerwetter von den Eltern anhören, wenn ich was verbockt hatte, geschadet hat es mir glaube ich nicht :ka: