Das in-die-Wade-knipsen hat mir natürlich gleich Sorgen bereitet, sodass wir eine bekannte Hundetrainerin kontaktiert haben. Seitdem arbeiten wir so, dass er bei Besuch an seinem Platz angebunden wird und der Besuch sich schlicht von ihm fernhalten soll. Das haben wir nun seit knapp 6 Monaten so durchgezogen, wobei wir in dieser Zeit nicht sehr oft Besuch hatten, da wir ihn nicht stressen wollen und uns mit Bekannten etc wann immer möglich außerhalb treffen. Nun war heute ein Bekannter da, der schon häufiger da war, Tobi 'kennt' ihn also aus Entfernung. Nun dachten wir, dass ihn nach den 6 Monaten üben mal von der Leine lassen und der Bekannte ihm einfach mal ein paar Leckerlis gibt und sich dann wieder von ihm abwendet und ihn nicht versucht anzufassen etc.
Das mit den Leckerlis hat soweit auch gut geklappt, er hat sie schwanzwedelnd ohne knurren angenommen. Dachten dann, dass es ok wäre, wenn er sich mit uns im Wohnzimmer aufhalten kann, während Tobi sich im Haus frei bewegen kann. Naja, kaum hat er sich von Tobi abgewendet und wollte an ihm vorbei gehen, kam Tobi von hinten und knipste ihm recht heftig in die Verse.
Ich kann gut verstehen, dass man als Halter in ein Meideverhalten fällt, wenn man einen beißwilligen Hund hat. Leider löst das eure Probleme wahrscheinlich nicht. M. M. n. hilft einzig und allein das Problem als solches anzunehmen und von nun an daran zu arbeiten. Man sollte also bewusst und verstärkt Besuch empfangen, den Hund mit einem Maulkorb sichern und Menschenbegegnungen im eigenen Haus suchen. Durch den Maulkorb bekommen alle Beteiligten Sicherheit und der Hund - vorausgesetzt der Maulkorb wurde positiv belegt - auch. Der Hund darf mit seinem Verhalten keinen Erfolg mehr haben (in dem z.B. der Gebissene sich zurückzieht), er wird sonst nur bestätigt und die Probleme nehmen zu. Das wichtigste bei Menschenbegegnungen ist es, dem Hund in der Situation deutlich zu machen, dass jedwede gegen Menschen gerichtete Aggression absolut überhaupt nicht geht. Und das muss beim Hund unmissverständlich ankommen. Über das "Wie mache ich das deutlich", sage ich hier nichts, es kommt wie so oft auf die Intensität des Hundes in der Situation, auf den Charakter des Hundes selbst und auch auf euch an (mit welcher Methode könnt ihr am überzeugendsten auftreten?). Seid so emotionslos wie möglich, niemals aggressiv, dem Hund IMMER einen Schritt voraus, macht ihm klar dass Beißen und Schnappen von nun an keine Optionen mehr sind und bietet ihm dann eine Handlungsalternative (in dem ihr ihn z.B. auf den Platz schickt). Das kann natürlich auch euer Besuch tun, wichtig wäre, dass alle Beteiligten sozusagen eine Sprache sprechen und der Hund auf sein Verhalten immer die gleiche Antwort bekommt. Viele Hunde sind erst mal total beeindruckt, wenn ihr "Gegner" sich plötzlich wehrt bzw. sich nicht mehr vertreiben lässt.
Mit der Um- oder Gegenkonditionierung könnt ihr dann beginnen, wenn der Hund verstanden hat, um was es geht und ein Gefühl für richtig und falsch entwickelt hat. Wenn ihr es richtig macht, hat der Hund nach einigen Malen verstanden, was ihr von ihm wollt und ihr werdet sehen, dass das Empfangen von Besuch wieder richtig Spaß machen kann. Ein Rückzugsort für den Hund, an dem er nicht gestört wird, ist sicherlich immer von Vorteil und hilft ihm. Er muss ja nicht bei den Menschen sein, wenn er das nicht möchte, er darf sich zurückziehen, er darf auch meiden, nur beschädigen darf er nicht. Mit dem Leckerlie füttern würde ich erst mal aufhören. Im ungünstigsten Fall bestätigt ihr ihn für unerwünschtes Verhalten (was im Übrigen beim Fixieren schon der Fall ist).
Die Vorgeschichte von Tobi, das warum und wieso verhält er sich so etc. ist für die Beurteilung der jeweiligen Situation erst mal völlig unerheblich. Der Hund agiert situativ und rein instinktiv. Er denkt dabei weder an gestern noch an früher. Er hat gelernt, dass er Fremde am besten durch Beißen abwehrt und er hat damit Erfolg gehabt. Folglich wird er dieses Programm in jeder Schlüsselsituation wieder abspielen, wenn ihr nicht gegensteuert.
Natürlich solltet ihr mit Hilfe eurer Trainerin der Sache auf den Grund gehen und dem Hund helfen, ein entspanntes Leben führen zu können. Aber es ist erst mal wichtig, sozusagen als Sofortmaßnahme, den Hund in diesem Belang zu erziehen. Dann könnt ihr daran arbeiten ihm z.B. seine Angst zu nehmen, ihn besser auszulasten etc. Und ganz sicher werdet ihr auch an euch arbeiten müssen, z.B. bei einem Rangordnungsproblem, bei unklaren Regeln o.ä. Man muss hierbei immer die Hunde-Mensch-Beziehung als Gesamtes beurteilen um gezielte Maßnahmen zu ergreifen, was die Kompetenzen dieses Forums übersteigt.