Ich deute sein Verhalten als massiv respektlos.
Nein das ist es nicht.
Dein Welpe MUSS Grenzen testen und auch überschreiten um sie kennen zu lernen - anders geht das nicht.
Jedes Lebewesen muss dies tun um in seiner Welt zurecht zu kommen.
Auch du testes Grenzen und überschreitest sie.
Beim neuen Kollegen bist du erstmal vorsichtig, schaust nach und nach wie weit du gehen kannst, welchen Humor er versteht, welche "Sprache" er spricht.
Da testest du auch Grenzen und überschreitest vielleicht auch welche.
Jetzt schau auf den Welpen - dieses junge Lebewesen einer völlig anderen Spezies - erst wenige Wochen auf der Welt,
lernt gerade erst dein Haus, deine Sprache, deine Regeln kennen - zusätzlich lernt es seine eigenen körperlichen Grenzen und Fähigkeiten, seine Stimme, seine mentalen Fähigkeiten kennen usw.
Ihr wollt dass er sich euch anpasst, euch verstehen lernt, eure Grenzen versteht und eure Regeln befolgt - obwohl IHR intelligenter seid, IHR älter und lebenserfahrener seid und IHR ihn geholt habt.
Wie soll er das erfüllen wenn er keine Grenzen testet und eure Reaktionen versucht zu verstehen?
Habe Geduld und verzweifel nicht wenn es nach zwei malen nicht klappt.
Es braucht häufige Wiederholungen (~100x) bis im Gehirn angekommen ist "Ok, das darf ich jetzt wirklich nicht".
Ja, klar kann man den Welpen auch mit ner Ansage beeindrucken - muss man auch manchmal.
Aber dann hat er die Grenze auch nicht verstanden - er trollt sich einfach nur weil er keinen Streit will.
Wir wollen es richtig machen! Wir lesen viel, schauen viele Videos. Nur die Umsetzung klappt irgendwie nicht...
Das klappt nicht, weil ihr und euer Welpe einzigartig seid und das Leben nicht nach Lehrbuch funktioniert. 
Lasst alle Bücher und Blogs mal weg. Wirklich.
Schaut auf das Hundekind - habt Verständnis für seine Bedürfnisse.
Es ist im Moment total wurscht ob er schnell Sitz, Platz und Nein lernt. Ob er Hütchen spielt und mental gefördert wird, oder ob er ja nicht länger als die empfohlenen 30 Minuten Freigang hat (oder so ...)
Wichtig ist jetzt:
Dass ihr zuverlässliche und souveräne Menschen seid, auf die sich der Welpe verlassen kann, bei denen er Welpe sein darf, bei dem seine Bedürfnisse befriedigt werden, bei denen er Sicherheit, Geborgenheit, Struktur und Grenzen erfährt. (Denn Grenzen und Struktur geben Sicherheit).
Bei denen er Freiraum und Ruhe, Bewegung und Entspannung, Schutz und Zutrauen erfährt.
DAS alles steht nicht in Ratgebern, weil es da keine "universelle" Methode für gibt - Bindung und Bauchgefühl sind die Zauberwörter - nicht Leckerchen, positives Training oder Leinenbegrenzung. Wie genau ihr das umsetz, kann aus der Ferne (und im Buch) kaum jemand sagen - denn das ist so individuell und kommt immer auf Hund und Halter und das Team an, das sie bilden.
Vertraue darauf dass dein Welpe einen "genetischen" Plan hat den er mitbringt.
Er ist nicht unfertig - er ist genau richtig so, wie er jetzt ist - er hat bereits alles, um sich zum "besten Freund des Menschen" zu entwickeln.
Das musst du ihm nicht beibringen.
Beibringen musst du ihm nur, wie er sich in DEINER Welt - die du für ihn ausgewählt hast - verhalten soll.
Dafür braucht er von euch Zeit, Geduld, Humor, Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und faire bedürfnisorientierte Führung.
In der Übung geht es darum, dass mein Hund akzeptiert, dass ich permanent oder temporär gewisse Bereiche für mich beanspruche bzw. dem Hund einen bestimmten Bereich zuweise (z. B. das Körbchen). Das hat dann so lange Bestand, bis ich es auflöse.
Klingt nach Machtspielchen. Halte ich für Fehl am Platze
Sieh deinen Welpen nicht als Befehlsempfänger, sondern mehr als "Partner" - nicht ganz gleichberechtigt, denn du musst wichtige Entscheidungen treffen und bist "Führungsperson".
Aber eine Partnerschaft beruht auf gegenseitigem Respekt, Achtung und Einhaltung der Grenzen.
Wenn ihr ein Team seid, wird dein Hund deine Grenzen respektieren und achten. Ohne dass dafür irgendwas trainiert wurde.
Bedenke auch, dass Achtung und Respekt keine Einbahnstraßen sind sondern auf Gegenseitigkeit beruhen. Du kannst nur erwarten dass der Welpe lernt deine Grenzen zu repsketieren, wenn du bereit bist auch seine Grenzen zu achten.
Hunde leben in Familienverbänden, wie wir Menschen.
Bei Beiden übernehmen die Erwachsenen eine natürliche Führungsrolle.
Doch weder bei Hunden noch bei Menschen nutzen die Erwachsenen diese "Führungsrolle" aus, um ihren Willen durchzusetzen oder den Nachwuchs permanent unterbuttern können. (bzw. nur in ungesunden, krankhaften Strukturen - oder welchen die unter unnatürlichem Zwang entstehen (Gehegewölfe z.B.)
Es geht darum, dem jungen Lebewesen die Welt zu erklären und in die Familie zu integrieren.
Die Erwachsenen werden respektiert und geachtet. Der Nachwuchs wird geschützt und geliebt.
Die Erwachsenen haben einige Privilegien - sie dürfen entscheiden. Vor allem aber haben sie Verantwortung und müssen für das Wohl aller entscheiden und dabei oft selber zurück stecken.
Wenn die Eltern zuverlässig, fair, echt und souverän sind - wenn sie "der Fels in der Brandung" sind und die Bedürfnisse erkennen und erfüllen -
dann wird der Nachwuchs niemals diese natürliche Hirachie in Frage stellen.
(In der Pupertät vielleicht mal phasenweise, da gibt es einen Abnabelungsprozess der ebenfalls ganz normal und wichtig ist)
Ich bin immer sehr gut damit gefahren, meinen Hund wie ein Familienmitglied/wie ein Kind zu behandeln.
Hilft einem auch dabei einzuordnen, ob ein Tip jetzt gut für uns ist, oder nicht.
Als Anfänger hört man ja viel.
- Spritz den Hund mit Wasser an wenn er Problemverhalten zeigt.
- Sperre ihn in die Box zum Ruhe lernen.
- Der Hundeführer muss jedes Spiel beginnen, beenden und gewinnen.
- Wenn der Welpe weint, darf man erst zu ihm reingehen wenn er aufhört mit dem Weinen.
Ich hab mir bei jedem "Problem" überlegt, was ich beim Kind machen würde.
Also: Warum reagiert es so, welches Bedürfniss steht dahinter und wie kann ich ihm helfen, dieses Verhalten nicht mehr zeigen zu müssen?
Das auf den Hund übertragen und voilá - braucht man keine Ratgeber und Bücher sondern findet (i.d.R.) den Weg, der für das eigene Leben der Richtige ist.
Was nicht heißt dass ein Blick von Außen schlecht ist! - Den Blickwinkel ändern und sich Wissen aneignen, sich austauschen und Dinge überdenken ist gut und wichtig.
Aber ihr macht da im Moment zuviel des Guten
Ihr findet "euren" Weg nicht in Büchern, Ratgebern und youtube videos. Auch nicht im Hundeforum.
Den findet ihr nur indem ihr auf euch und euren Welpen schaut. Mit Empathie und Geduld, Humor und Gelassenheit.
Viel Erfolg!