Puh. Ich wollte hier eigentlich nicht streiten oder mich rechtfertigen. Aber mal ein paar Worte zu meiner Vorgehensweise:
Ich habe selbstverständlich nicht erst gestern angefangen, mir Gedanken über einen Hund zu machen. Wir machen uns seit Jahren darüber Gedanken, ob wir grundsätzlich einen Hund halten wollen oder nicht. Wir haben uns erst für ein Ja entschieden, als wir uns absolut sicher waren. (Wir hatten übrigens beide in der Vergangenheit schon Hunde und wissen, was auf uns zukommen wird.)
Also blieb noch die Frage, welchen spezifischen Hund wir haben wollten:
Tierheim oder Welpe, Rasse oder Mischling, Wolfshund oder Chihuahua.
Wir haben uns nicht nur hier schlau gemacht. Aber selbstverständlich hat man eine selektive Wahrnehmung. Denn wie alle Menschen habe ich Vorurteile. Blöd! Aber wohl normal. Einen Collie hätte ich nie in Erwägung gezogen, da ich dem weit verbreiteten Irrtum unterlegen bin, dass die Fellpflege ein Mords-Aufwand ist. Also habe ich mich nie intensiver mit der Rasse beschäftigt.
Aber wir wollten uns einen offenen Geist bewahren und zusätzlich eine Meinung von erfahrenen Hundehaltern einholen, zu welchem Hund man uns raten würde, wenn man unsere Präferenzen nicht genauer kennt.
Den "Fragenkatalog" habe ich hier im Forum gefunden. In einem urmelalten Beitrag wo dem Threadersteller exakt diese Fragen gestellt wurden. Ich fand die Liste eine gute Möglichkeit, etwas über uns zu erzählen. Eine Ausgangsbasis für weitere Diskussionen.
Ich glaube immer noch, dass mein Weg der Richtige war. Ich bin nicht vorurteilsfrei in die Diskussion eingestiegen, aber ich wollte den Verlauf nicht von vornherein einschränken. Und siehe da: Dieser Thread hat bestätigt, dass ich keineswegs perfekt bin und es gut war, mir weitere Meinungen zu holen. Über Collies hätte ich nie nachgedacht, aber nach dem Ratschlag habe ich mir die Mühe gemacht, die Rasse mal genauer zu recherchieren und war immer begeisterter, je mehr ich las und sah.
Ob es unfair anderen Rassen gegenüber ist, dass ich eine Rasse als besonders passend empfinde? Vermutlich.
Ob es unfair ist, dass ich eine Präferenz zu gebildeten Männern mit Bauchansatz habe? Vermutlich.
Ob es unfair ist, dass ich meinen Sohn lieber hab als den Nachbarsjungen? Vermutlich.
Ob es menschlich ist? Aber hallo!
Einen Hund habe ich nicht nur für ein halbes Jahr. Ein Hund ist ein Partner, der auf Jahre hin mein Heim teilt. Natürlich will ich mir diesen Gefährten gut aussuchen.
Ich weiß nicht, was falsch daran sein soll, sich Rat zu holen. Ganz ehrlich. Wäre es besser, wenn ich mich in der Bildzeitung informiere? Ich habe hier zu Hause ein altes Buch über Hundeerziehung, das zur Stubenreinheitserziehung den Ratschlag gibt, den Hund mit der Nase in sein Pipi zu stupsen. Hätte ich dem trauen sollen?
Ich finde es ganz ehrlich unverantwortlich, sich auf einen einzigen Informationskanal zu verlassen. Wenn ich eine solch wichtige Entscheidung treffe, dann gehe ich über mehrere Kanäle. Dazu gehören Rassebeschreibung des VDH. Dazu gehören Gespräche mit Hundehaltern, die ich kenne. Dazu gehörten sogar YouTube-Videos.
Oh, und ich fand es spannend, auch die geballte Macht der Netzcommunity zu nutzen, und dieses Forum zu besuchen. Auch wenn das für einige hier der falsche Ansatz war (warum habe ich immer noch nicht verstanden), war es für mich persönlich sehr hilfreich.
Ich hatte übrigens nicht das Gefühl, hier betüttelt zu werden. Ich hatte das Gefühl, ein wertvolles Gespräch mit netten Leuten zu führen, die einfach in bestimmten Bereichen mehr Erfahrung haben als ich. Und ich habe mich entschlossen, einen Rat anzunehmen. Sowas ist aber doch keine Betüttelung?
Zur Frage: Welpe, 2ndHand- oder Tierheimhund: Ich finde, alles hat Vor- und Nachteile.
Wir haben uns im Endeffekt entschieden, dass wir lieber einen älteren Hund als einen Welpen haben wollen. Einen, der idealerweise schon ein paar Kommandos beherrscht. Einfach deshalb, weil sich das in unseren Lebensalltag besser integrieren lässt. Weil es besser ist, wenn der Hund mir nicht ins Büro pieselt. Weil bei Welpen halt auch mal Unfälle passieren, auch wenn sie eigentlich schon stubenrein sind. Daher haben wir Welpen für uns ausgeschlossen.
Und ja, auch ein bisschen aus dem Gefühl heraus, dass es für niedliche Welpen einfacher ist ein tolles Heim zu finden als für erwachsene Hunde. Den fehlt einfach der Possierlichkeits-Bonus.
Einen Tierheimhund haben wir nicht ausgeschlossen, tun wir auch immer noch nicht.
Aber es ist für uns wichtig, einen Hund ohne Verhaltensauffälligkeiten zu haben. Zum einen deshalb, weil der Hund ab und an mal mit ins Büro kommen wird, vor allem aber, weil wir in der Bekanntschaft unheimlich viele Familien mit kleinen Kindern haben. Und ich will nicht jedes Mal den Hund wegsperren müssen, wenn Kinder ins Haus kommen, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat. Das heißt nicht, dass Hund und Kind unbeaufsichtigt zusammen spielen dürfen. Aber eine gewisse Toleranz und Gutmütigkeit macht Besuche für Hund und Kind so viel einfacher.
Ein erwachsener Hund aus zweiter Hand, der nicht erst den traurigen Umweg über ein Tierheim machen musste, war für uns ganz persönlich also die optimale Wahl.
Was ist das Problem mit Kleinanzeigen?
Wir haben Hund und Besitzer heute kennengelernt. Und ich war beeindruckt. Von Halter und Tier gleichermaßen.
Der Hund ist exzellent gepflegt, tierärztlich untersucht, geimpft, kastriert und gut erzogen. Er beherrschte die gängigen Kommandos aus dem Eff-eff, konnte ein paar lustige Tricks (nicht, dass Tricks mir wichtig wären, aber es zeigte, wieviel Energie der Halter in den Hund gesteckt hatte), und hat sich weder durch die Spaziergänger am Gartenzaun noch durch die kreischenden Kinder der Schwägerin aus der Ruhe bringen lassen.
Die Halterin hat uns erklärt, warum sie den Hund abgeben muss und ich konnte es verstehen. Sie hat dabei nicht auf die Tränendrüse gedrückt, aber man hat ihr angemerkt, wie traurig der Abschied sie machte.
Sie hat sich übrigens sehr genau nach unseren Verhältnissen erkundigt und hat offenbar schon so einige Bewerber wieder fortgeschickt, weil sie da kein gutes Gefühl hatte. Ihre Aussage war ganz klar: lieber behält sie den Hund und sucht noch ein Jahr weiter, bevor sie ihn in falsche Hände abgibt. Und Tierheim war ganz klar keine Option für sie.
Übrigens finde ich das toll. Ich kann ehrlich nicht verstehen, wie man sagen kann "lieber gebe ich den Hund ins Tierheim als selber nach dem nächsten Besitzer zu suchen. Per Kleinanzeige und mit der Möglichkeit selber zu entscheiden, ob ich das Tier in diese Hände abgeben will oder nicht." Ich halte das für verantwortungsvoll.
Tierheime sind überfüllt und haben oft ultraknappe Ressourcen. Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass Menschen ihren Hund ohne zwingenden Grund in solch traurige Verhältnisse geben. Das halte ICH für verantwortungslos.
Und diese ganzen Tiere-in-Not-Seiten? Ich habe gestern 7 Telefonate geführt, nicht eine einzige dieser Anzeigen war aktuell. Tierheimseiten oftmals übrigens auch nicht. Man kann über Ebay-Kleinanzeigen sagen, was man will, aber wenn ich dort nach den Anzeigen der letzten Woche filtere, sagt mit mein Gesprächspartner am Telefon wenigstens nicht "Das Tier ist schon seit Mai letzten Jahres vermittelt".
Wie auch immer. Ich glaube, es können nicht vorhersehbare Gründe eintreten, warum man ein Tier abgeben muss. Das ist dann traurig und schmerzhaft für alle Beteiligten. Nicht jeder, der ein Tier abgibt, ist deshalb ein verantwortungsloser Schuft. Im Gegenteil, wenn man erkennt, dass ein Tier es unter bestimmten Umständen woanders besser hätte, dann habe ich Hochachtung davor, wenn jemand im Sinne des Tiers entscheidet und sich nicht aus einem falschverstandenen Gefühl von Verantwortung aus ebendieser stielt.
Falls wir und die Halterin uns dafür entscheiden, dass wir ein gutes Gefühl bei der Sache haben, dann würden wir bis Ende Mai immer mal wieder Gassi-Dates verabreden, damit der Hund eine Bindung aufbauen kann, und es nicht so schwer hat. Die Halterin würde auch bei uns zuhause vorbeikommen um sich selber noch einen Eindruck zu verschaffen. Ende Mai kann ich ein paar Wochen Urlaub einreichen und könnte den Hund für die ersten Wochen quasi 24/7 betreuen, um ihm den Übergang so einfach wie möglich zu machen.
Oh, und die Kosten für das Tier? Die finde ich gerechtfertigt. Tiere sind keine Ware, aber ich finde es absolut legitim für ein gut gepflegtes Tier Geld zu bezahlen.
Ich bekomme ein reinrassiges Tier, gepflegt, wohlerzogen und kerngesund – mit allen Papieren.
Sie bekommt dafür ein gewisses Gefühl der Sicherheit, dass wir auch bereit sind, in einen Hund zu investieren und nicht schon am Anfang vor den Kosten zurückschrecken.
Falls es wen interessiert: Ich bin verliebt in diesen Hund. Ich hätte ihn am liebsten sofort mitgenommen und nie wieder losgelassen. So ein verschmuster, verspielter und gleichzeitig wohlerzogener Hund - ich hätte nie erwartet, so einen zu finden. Ich glaube, wenn wir die Halterin von uns überzeugen konnten, dann haben wir das ganz große Los gezogen.
Mein Mann findet den Hund charakterlich auch super, bittet sich aber noch eine Nacht Bedenkzeit aus. Ihm fällt es noch schwer, sich mit Collies als Rasse anzufreunden, da er sich bisher eher auf die Optik eines Neufundländers/Landseers/Bernhardiners/andereTeddyartige eingeschossen hatte. Aber er gibt auch offen zu, dass objektiv betrachtet diese Rassen nicht optimal zu uns passen würden. Mal sehen. Im Endeffekt wird es mein Hund sein, aber mir ist wichtig, dass wir uns beide mit der Wahl auch gut fühlen.
In ein paar Tagen weiß ich mehr.