Hallo,
vorneweg: eine Hundetrainerin habe ich schon kontaktiert, Termin diese Woche noch steht schon. Sie hat selbst Hunde aus dem Ausland, ich denke nach gründlicher Recherche ist das die richtige für uns.
Aber momentan bin ich gerade so unglücklich mit der Situation, daher bitte ich um eure Meinung, einen Rat und ein bisschen Zuversicht, dass sich das alles in den Griff bekommen lässt. Vorsicht, das wird wohl ein Roman.
Nachdem wir im Dezember unseren geliebten Hund einschläfern lassen mussten, haben wir Ende Januar einen Mischling aus Osteuropa adoptiert. Er ist 40 cm groß, Rasse schwer definierbar, der Körper sieht aus wie bei einem Tibet-Terrier, allerdings hat er kleinere Ohren und nicht ganz so langes Fell. Er wurde auf der Straße gefunden, Vorleben unbekannt und war ein halbes Jahr dort in einem Tierheim. Wurde als anfangs schüchtern, dann aufgeblüht beschrieben. Er kam in der Box zu uns, da man wohl Bedenken hatte, er könnte bei der Übergabe stiften gehen. Womöglich hat man aber auch schon das Problem gesehen, dass er sich von Fremden wohl nicht würde angreifen lassen.
In der Box war er dann bei uns in der Wohnung anfangs sehr aggressiv, knurrte uns an, schnappte auch, kam nicht raus. Wir haben ihn also in Ruhe gelassen, haben nur nach einigen Stunden das Oberteil der Box abgemacht. Irgendwann kam er dann mal raus aus dem Ding und mein Mann hat als erster einen Zugang zu ihm gefunden, konnte ihn vorsichtig angreifen und ihn auch mal mit der Leine in den Hof bringen. Zu ihm hatte er dann auch dann auch den besten Draht (oder umgekehrt). Wir hatten damit gerechnet, dass er insgesamt viel ängstlicher sein würde. Er hatte keine Angst vor Alltagsgeräusche, war nicht schreckhaft, hatte auch draußen keine Angst vor Autos, Radfahrern usw. Die erste Zeit lief gut, eigentlich besser als gedacht. Er ließ sich an die Leine nehmen, sich streicheln, mein Mann konnte ihn kämmen. Zu unserem Haushalt zählen zwei volljährige Kinder, der Sohn kam gleich mit gut mit ihm klar, mit unserer Tochter gab es anfangs oft das Problem, dass er sie angeknurrt hat wenn er irgendwo lag und sie auf ihn zukam. Es fiel uns sofort auf, dass er draußen an der Leine sehr aggressiv auf kleinere Kinder reagierte. Von Kleinkind bis Grundschulalter, da knurrte und bellte er sofort, auch wenn die noch relativ weit weg waren. Unsere Tochter ist sehr zierlich, womöglich gehört sie für ihn in diese Rubrik "Kinder". Das Knurren hat zum Glück inzwischen aufgehört.
Fremde lässt er in die Wohnung, teilweise bellt er. Allerdings ist er sehr, sehr vorsichtig, angreifen lässt er sich von Fremden nicht. Ich bin sicher, wenn ein Fremder ihm zu nahe kommt, würde er auch zuschnappen. Nach zwei, dreimal Kontakt funktioniert das dann und er lässt sich streicheln. Allerdings sind das in der Zeit auch nur eine Handvoll Leute gewesen, es ist eher ruhig bei uns.
Allerdings ist er seit einiger Zeit (da war er ca. vier Wochen da) sehr aggressiv an der Leine zu anderen Hunden. Das war anfangs nicht der Fall, einen Beißvorfall mit anderen Hunden oder so etwas gab es nicht. Teilweise ist er regelrecht hysterisch, auch wenn wirklich Abstand dazwischen ist. Wir waren letzten Woche in der Hundeschule hier im Ort. Er ging gleich mal an der Leine auf die Trainerin los, die ihm wohl zu nahe kam für seinen Geschmack. Sie ließ ihn mit ihrer Hündin auf dem Platz frei laufen, das funktionierte gut. Ihre Aussage war, dass sein Sozialverhalten soweit in Ordnung ist und er ein Problem an der Leine hat, wenn jemand ihm zu nah kommt. Er hat wohl nicht genug Vertrauen zu uns/mir, uns das regeln zu lassen.
Teil des Problems ist vielleicht auch, dass mein Mann, den er ja gleich als seine Bezugsperson ausgesucht hat, sich nach 10 Tagen einen komplizierten Bruch zugezogen hat und nun schon das dritte Mal im Krankenhaus ist. Also immer mal ein paar Tage weg, dann wieder da, dann wieder weg. Als Gassigeher fällt er momentan ganz aus.
Ich habe mich zusammen mit meiner Tochter aber wirklich so gut wir das können, um den Hund gekümmert. Zwischendurch war ich richtig euphorisch, wie gut das alles klappt. Er lernte die ersten Kommandos, wir übten Leinenführigkeit, Rückruf, ich dachte schon, super das schlimmste ist geschafft. Ich hatte angefangen, ihn selbst zu kämmen und konnte ihm auch Sachen abnehmen. Allerdings gab es am Wochenende Vorfälle, der mich wirklich völlig aus der Bahn geworfen haben. Am Samstag hatte er im Garten plötzlich irgendwas geschnappt und kaute darauf rum. Ich ging auf ihn zu, um zu schauen und es ihm abzunehmen und er knurrte mich an, zeigte die Zähne. Ich vermute, es handelte sich bei dieser "Beute" um Katzenkot. Darauf ist er total wild, ich musste hier im Haus schon alle Katzenklos hochstellen. Auf jeden Fall reagiert er sehr aggressiv auf mich, ließ sich nicht rufen, nichts abnehmen und schnappte schließlich nach meinen Füßen. Wir haben uns da wohl hochgeschaukelt, im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, gleich ein Stück zurückzutreten. Ich bin zur Haustür rein (ca. zwei Meter entfernt) und habe ihn gerufen. Dann kam er und gehorchte auf Sitz.
Am Sonntag hatten wir ein ähnliches Problem beim Kämmen. Mein Mann (mal zuhause) kämmte ihn. Am Bauch kämmen ist ganz schwierig, da hat er offenbar große Angst und fiepte bisher immer wenn man nur in die Nähe kommt. Bauch kämmen fällt daher bisher aus. Auf jeden Fall kam die Bürste wohl zu nah dahin und diesmal das selbe Spiel wie am Tag zuvor. Knurren, Zähne zeigen, nach der Bürste schnappen. Später konnte er ihn sehr vorsichtig weiterkämmen, aber diese Aggression hat mich schon ziemlich schockiert.
Es gab auch zwei weitere Vorfälle mit Schnappen. Einmal ist er ausgebüxt, weil das Hoftor versehentlich offen stand. Er blieb um die Ecke auf dem Gehsteig sitzen. Der Freund unserer Tochter und ein weiterer junger Mann (war dem Hund bekannt) wollte ihn einfangen und hochnehmen, dabei hat er geschnappt. Ich dachte damals, die beiden waren natürlich in heller Aufregung, der Hund vermutlich auch, wahrscheinlich daher. Bei unserer Tochter ist ein Fangen-Spielen-Raufen außer Kontrolle geraten und er hat sie am Finger erwischt. Beide male hat er sich nicht festgebissen, es waren an den Fingern Spuren eines vorderen Eckzahns zu sehen.
Und nun noch diese Sache am Wochenende. Ich merke, dass ich mich in seiner Nähe irgendwie nicht mehr so richtig wohl fühle. Ich beobachte ihn ständig, habe Angst irgendwelche Signale zu übersehen. Bin auch wieder alleine mit ihm und eigentlich sehr überfordert mit der ganzen Situation. Vermutlich merkt er das auch. Ich weiß gar nicht so genau, wie ich damit umgehen soll. Angst haben ist ganz schlecht, das weiß ich auch, aber die Unbeschwertheit mit der ich mit ihm umgehen konnte, ist leider momentan weg. Frage Nr. 1: Wie kommt man denn aus so einer Negativ-Spirale wieder raus?
Frage Nr. 2: es gibt bestimmte Situationen, da fordert er lautstark Aufmerksamkeit, zumindest ist das unsere Interpretation. Das kann vorkommen, wenn man sich auf die Couch setzt oder auch zum Beispiel wenn ich mich an den PC setze. Er springt an einem hoch oder setzt sich nebendran, und bellt in einem ganz hohen, quietschenden Ton, am besten direkt ins Ohr. Er macht das auch manchmal, wenn man gerade von einem langen Spaziergang zurück ist. Dann kann es ja eigentlich keine Langeweile sein. Ich habe die ganze Zeit so reagiert, dass ich ihm ein deutliches, strenges Nein sage und ihn Sitz machen lasse. Damit hat er meistens aufgehört. Meine Tochter schickt ihn vor die Zimmer-Tür, wenn er das macht. Dort legt er sich auch hin und wartet. Kennt das jemand und was macht man da am besten?
Vielleicht das noch: wir gehen drei bis viermal am Tag mit ihm raus, insgesamt mindestens zwei Stunden. Immer auch mehrmals mit Schleppleine im Wald, sodass er auch soweit möglich Bewegungsfreiheit hat. Mehr ist in der aktuellen Situation nicht drin. Ich übe mit ihm täglich die Grundkommandos und es geht mindestens zweimal am Tag zum Spielen in den Hof. Inzwischen holt er einen Ball oder ein Wurfseil meistens zurück, aber seine Aufmerksamkeits-Spanne fürs Spielen ist noch relativ kurz. Er apportiert überhaupt erst seit einigen Tagen, anfangs hatte er gar kein Interesse an Bällen oder sonstigem Spielzeug. Klar, kannte er natürlich nicht.
Vielen Dank für jeglichen Input. Bin gerade ratlos und überfordert.