Hallo zusammen,
erst einmal vorne weg: ich halte meinen Welpen nicht für "böse", bin aber, durch Äußerungen anderer Leute, an einigen Punkten verunsichert und wollte daher mal weitere Meinungen einholen. Zu einem Teil des Themas habe ich auch schonmal im Welpen-Austausch geschrieben, aber da ist es scheinbar etwas untergegangen, weshalb ich einfach mal einen eigenen Thread eröffne.
Mein Freund und ich haben seit rund 3 Wochen einen inzwischen gut 13 Wochen alten Welpen aus dem Tierschutz, geboren und bis zur Abgabe aufgewachsen auf einem Hof in einem kleinen Dorf direkt am Wald. Dort war er ein "ganz normaler" Welpe, hier bei uns hat er aber seit dem 2. Tag nach seiner Ankunft Schiss vor allem und jedem. Daran arbeiten wir und verzeichnen auch gewisse, manchmal sogar riesige, Fortschritte.
Was mich verunsichert, ist allerdings sein Verhalten anderen Hunden gegenüber, speziell solchen, die in etwa seine Größe haben - in den meisten Fällen waren das bisher Welpen bzw. Junghunde. Als wir das erste Mal mit dem etwa gleichaltrigen Welpen meines Schwager spazieren gingen, schoss unser sonst so schüchterner Bub mehrfach auf den anderen Welpen los und attackierte ihn. Sah nicht nach Spiel aus und hing scheinbar damit zusammen, dass der andere Hund sich uns für Marleys Geschmack zu schnell näherte, mit anderen Worten: eine Art Verteidigungsreaktion. Nach einer deutlichen Zurechtweisung ließ er das dann aber bleiben und ging schließlich sogar wenigstens im Ansatz auf die Spielaufforderungen des anderen Welpen ein. Was mich allerdings verunsicherte, war die "Diagnose" meines Schwagers nach dem Motto "der ist dominant" und "der übernimmt hier die Chefrolle, weil er euch nicht als Rudelführer akzeptiert". Uff. Schwierige Begriffe... Und meinen scheuen Welpen derartig grantig werden zu sehen, hat auch nicht gerade zu meinem Wohlbefinden beigetragen
In der Welpenstunde konnten wir dann ein ähnliches Verhalten beobachten, wenn auch nicht so vehement. Marley knurrte die anderen Welpen erstmal kategorisch weg, sobald sie ihm und uns zu nahe kamen. Seine "liebste" Position dabei war immer dicht bei uns. Sonst ging er den anderen Hunden aber eher aus dem Weg, und bei der dritten Sitzung hat er sogar mal richtig klasse mit den anderen Welpen gespielt
Einen weiteren ähnlichen Vorfall hatten wir dann im Park mit einer jungen Goldie-Hündin, mit deren Besitzern wir uns eine ganze Weile unterhalten haben. Anfangs war auch noch alles in Ordnung, die Hunde haben sich vorsichtig beschnuppert und sich dann eigentlich soweit in Ruhe gelassen. Dann hat mein Freund die Hündin gestreichelt, die recht locker und freundlich, auch nicht übermäßig schnell, auf ihn zukam, und plötzlich sprang Marley zwischen seinen Füßen hervor, zwickte die Hündin ohne Vorwarnung ins Ohr und ging ihr dann knurrend hinterher und sprang nochmal drauf. War es ihm da einfach zu viel? Wieder Verteidigung? Eifersucht?
Zuletzt hatten wir ähnliche Situationen am Wochenende zu händeln, als wir zu einer Gartenparty bei meinem Schwager waren. Wieder mit von der Partie natürlich dessen Welpe, der inzwischen mit dem ganzen Trubel und den vielen Leuten kein Problem mehr hat und teils sehr vehement sein kann in seiner Spielauffoderung. Für Marley war das eine recht stressige Situation, und er hätte den Abend wohl im letzten Gartenwinkel hinten in der Hecke verbracht, wenn wir ihn nicht zu uns geholt hätten. Da lag er dann auch unterm Stuhl (wir saßen natürlich eher am Rand der Gesellschaft, nicht mittendrin) und schaute sich das alles an. Anfassen lassen wollte er sich von anderen Leuten nicht, und wenn der Welpe meines Schwagers ankam und wieder mal spielen wollte, spannte Marley sich schon total an. Er hat dann auch beschwichtigt, weggeschaut etc. und als alles nichts half, auch mal geknurrt. Siehe da, der kleine Plagegeist ließ ihn sofort in Ruhe und beide Hunde lagen friedlich nebeneinander und kauten an Stöcken herum Insgesamt scheint es da geholfen zu haben, dass wir den anderen Welpen immer gebremst haben, bevor er uns erreichte, und ihn auch mal gestreichelt haben, damit Marley merkt, dass es nicht nötig ist, uns zu verteidigen oder gleich so vehement zu werden.
Trotzdem kam von einem anderen Gast auch wieder ein Kommentar nach dem Motto "der (= Marley) ist aber der aggressivere von beiden". Gut, Marley war in den Momenten, wenn der andere Welpe ankam, alles andere als entspannt und wäre vermutlich auch bereit gewesen, nach vorne zu gehen. Gemacht hat er es aber nicht.
Das Schlimmste an dem Tag war allerdings, dass mein Schwager zwischendurch ankam und versucht hat, Marley halb spielend, halb streichelnd auf den Rücken zu drehen. Marley hatte Angst, wollte weg, konnte aber nicht, weil er ja angeleint war, damit er nicht die ganze Zeit nur in der Hecke sitzt. Da hat er sich dann mit den Zähnen gewehrt. Dazu muss ich vielleicht sagen, dass er durchaus öfter mal mit Zähnen signalisiert, wenn ihm was nicht passt, dabei aber in der Regel allerhöchstens ein paar Zahnabdrücke ohne Hautverletzung hinterlässt. Er ist selbst beim "Verteidigen" vorsichtiger als andere Welpen beim Spielen... und trotzdem meinte mein Schwager, ein Welpe in dem Alter dürfe sich so etwas nicht erlauben und wir müssten aufpassen, dass wir hinterher keinen Angstbeißer haben...
Ich bin eigentlich nicht der Meinung, dass ein Hund, auch ein Welpe, sich von jedem alles gefallen lassen muss. Ich habe den Eindruck, Marley braucht einfach noch etwas Zeit und möglichst wenig Druck. Von meinen Schwiegereltern, die ihn schon mehrfach gesehen haben, nimmt er inzwischen Leckerchen und lässt sich auch ab und zu anfassen, von meiner Schwiegermutter mehr als vom Schwiegervater. Trotzdem frage ich mich, ob ich meinen Hund einfach falsch einschätze und ihm zu viel durchgehen lasse - immerhin ist mein Schwager mit Hunden aufgewachsen, für mich ist Marley aber der erste Hund. Oder ob mein Schwager in Sachen Hundeerziehung einfach eine völlig andere Einstellung hat als ich und nur den Teufel an die Wand malt. Daher wäre ich dankbar für weitere Meinungen, weil die Angst natürlich schon da ist, dass Marley seine Scheu vor Menschen vielleicht nie so ganz ablegt. Abgesehen davon fühle ich mich schlecht, weil ich mein Welpi nicht vor der für ihn beängstigenden Behandlung durch meinen Schwager beschützt hab, auch wenn das keine lang anhaltende Sache war
Jetzt ist es doch ein ziemlich langer Text geworden, tut mir Leid. Ich wollte nur so vollständig wie möglich berichten, da "Ferndiagnosen" ja ohnehin so gut wie unmöglich zu erstellen sind.