Erst mal ein Hallo in die Runde, das ist mein erster Beitrag hier. Ich lese schon seit einiger Zeit ab und zu mal mit und hab einiges interessantes gelernt - und als ich zufällig über diesen Thread gestolpert bin und gelesen hab, dass ihr einen Bearded Collie in der weiteren Auswahl hattet, musste ich mich einfach endlich anmelden und meinen Senf dazu geben.
Denn zumindest zum Beardie kann ich vielleicht ein paar - hoffentlich hilfreiche - Informationen Erfahrungen (aus über 15 Jahren Leben mit Beardie und allgemeinem Interesse/Begeisterung für die Rasse) beisteuern.
Erst mal: Das mit dem "Hütehund ohne Hütetrieb" kann ich ganz und gar nicht bestätigen! Klar, mit Border Collies sind sie nicht vergleichbar, aber den meisten Beardies merkt man doch noch deutlich ihre ursprüngliche Arbeit an (gar nicht so wenige arbeiten auch heute noch, zumindest "hobbymäßig" an Schafen). Der Drang, Bewegungsreizen (Radfahrer, Jogger usw.) nachzurennen, ist bei den meisten vorhanden, auch wenn er sich normalerweise recht gut in den Griff kriegen lässt (Bearded Collies haben nach meinem Eindruck meist nicht dieses "workaholic"-hafte Fixiert-Sein wie man es z. B. von Borders kennt, sondern lassen sich leichter ablenken)
Unsere jagt auch ziemlich gerne Vögel, Rehe, Kaninchen usw. (wir arbeiten dran) und geht sogar Spuren nach - das mag eher eine Ausnahme sein, aber die meisten Beardies, die ich kenne, hatten zumindest zeitweise eine Phase, wo sie öfters mal für 2.3 Minuten in den Wald abgehauen sind. Auch das kriegt man mit mehr oder weniger viel Training sicher in den Griff, aber die Behauptung "Beardies jagen gar nicht", die man leider auch von Züchtern immer wieder hört, trifft längst nicht auf alle zu, meiner Meinung nach sogar eher auf eine Minderheit (es sei denn, man würde "Jagen" nur als "mindestens 10 Minuten unabrufbar einer Spur nachgehen" oder "das Beutetier tatsächlich töten wollen" definieren - DAS kann ich mir bei einem Beardie wirklich nicht vorstellen)
Was bei vielen Bearded Collies sehr ausgeprägt ist, ist der Drang, Menschengruppen zusammenhalten zu wollen - wer sich beim Spaziergang zuweit entfernt, wird mit Hinterherrennen, schlimmstenfalls auch mit Bellen oder Anspringen "eingefangen". Das könnte in Schulsituationen vielleicht teilweise auch problematisch werden.
Schwierig als Schulhund könnte auch ganz allgemein das Temperament werden - vielen Beardies muss man erstmal (teils recht lange) beibringen, dass nicht jeder fremde Mensch Anspringen und Küsschengeben als freundliche Begrüßung und Liebesbeweis sieht.
Auch die in der Rasse leider ziemlich verbreitete Geräuschempfindlichkeit (und leider zunehmend auch generelle Ängstlichkeit, obwohl die eigentlich gar nicht rassetypisch sein sollte) könnte im Schulalltag Schwierigkeiten bereiten.
Was für den Beardie als Schulhund (und auch überhaupt) spricht, ist die enorme Freundlichkeit. Typische Beardies (Ausnahmen gibt es natürlich wie bei jeder Rasse) lieben Menschen, sind Fremden gegenüber offen und neigen auch bei Unsicherheit o.Ä. eher zum Zurückziehen, statt "nach vorne" zu gehen. Schutztrieb haben sie normalerweise nur in sehr händelbarem Maß.
Die meisten Beardies sind zudem sensibel (was dann im ungünstigsten Fall eben zu Ängstlichkeit führen kann) und gut darin, Menschen zu beobachten und
Ohne allzuviel Ahnung von den genauen Anforderungen an einen Schulhund zu haben, könnte ich mir deshalb Beardies grundsätzlich als geeignet vorstellen - wenn man die obigen möglichen problematischen Punkte im Hinterkopf hat und ggf. dran arbeiten würde bzw. akzeptieren, dass es evtl. eben nicht geht. Die absolut ideale Rasse ist es meiner Meinung nach nicht (bleibt die Frage, ob es die überhaupt gibt?) Ich weiß aber von einzelnen Bearded Collies, die als Therapie- oder sogar direkt als Schulhund "arbeiten"
Natürlich gibt es da große Unterschiede innerhalb der Rasse und du hast ja schon selbst geschrieben, dass die Züchterauswahl da eine besonders große Rolle spielt. Wobei tendenziell (!) die von dir (zurecht ) bevorzugten "nicht-ganz-so-langhaarigen" Linien oft auch vom Charakter her noch "ursprünglicher" sind, also mehr Arbeitswillen, aber auch mehr Hüte-/Jagdtrieb haben - auch wenn das oft etwas zu sehr pauschalisiert wird.
Punkte, die nix mit Schulhund-Eignung zu tun haben, aber bei der Entscheidung sicher trotzdem relevant sind:
- die meisten Beardies sind mit Artgenossen gut verträglich (gerade mit anderen Hütehunden), also tendenziell gute Zweithunde
- das Fell macht doch einige Arbeit - wenn man Glück hat und den richtigen Wurf wählt, gar nicht so sehr bei der Pflege selbst (wie aufwendig die ist, ist wirklich von Beardie zu Beardie extrem unterschiedlich), aber vor allem auch durch den Dreck, der mit dem Hund ins Haus kommt
- eure sonstigen Bedingungen/Anforderungen klingen sehr passend - Beardies lieben Spaziergänge (v. a. mit viel Freilauf, sie brauchen das "Rennen können"), aber es muss kein Marathon sein, Agility macht den meisten sehr viel Spaß und Dogdancing/Tricksen ist auch sehr geeignet
Sorry für den laangen Beitrag, aber ich hoffe, es waren ein paar hilfreiche Dinge dabei (noch mehr gerne auf Nachfrage)