Inzwischen habe ich den „Geiger“ von Mechthild Borrmann beendet und bin etwas zwiegespalten in meiner Einschätzung. Die drei Zeitebenen und Hauptschauplätze ( Workuta / Kasachstan / Moskau) bieten viel Potential für eine spannende Geschichte. Nachdem ich bei Saschas Erlebnissen die jeweiligen Personen, mit deren er Kontakt hat, immer mal wieder sortieren musste (russische Namen haben so ihre Tücken), bleiben so manche Fragen offen...
Ungewöhnlich erscheint, dass Saschas Arbeitsgeber Reger ihn derart mit Rat und Tat sowie viel Geld, Kontakten und bewaffnetem Begleiter ausstattet.
Sein Onkel Pawel stürzt vom Gerüst - fast zeitgleich mit dem tödlichen Unfall seiner Eltern. Letzteres war ein Auftragsmord, ersteres bleibt unklar. So ein „Zufall“!
Iljas Förderer und väterlicher Freund Professor Meschenow warnt den berühmten Geiger vor der Konzertreise ins Ausland, trägt aber über seine Schwester dazu bei, dass deren Mann Kopejew, Offizier im Ministerium für Staatssicherheit, Ilja verhaftet und zu einer Gulagzeit verurteilt. Und alles nur, weil er sich die teure Stradivari unter den Nagel reißen möchte?
Der Beweis für Iljas Zeit im Straflager, jene beschriebene Innenseite des Dosenpapiers, führt zu so vielen Morden? So ein hingekritzeltes Papier soll den Besitzer der Geige zweifelsfrei aufzeigen und belegen, dass Ilja in Workuta war und sich nicht ins Ausland abgesetzt hat?
Angebliche Drohbriefe bzw. Erpresserbriefe der Eltern Saschas und seiner Schwester führen zur Ermordung dieser Personen?
Im Schlusskapitel erscheint mir manches zu konstruiert: Wer wen warum umbrachte, wird undurchsichtig. Kurz: Interessante Story mit viel Tempo und Dramatik, aber zu wenig Tiefgang bzw. mE zu wenig differenzierte Schilderung der Gedanken und Emotionen der Protagonisten, die dem Leser daher eher fremd bleiben.