Das hat aber überhaupt nichts mit "Rangordnung" oder Chef zu tun. Der Hund wird deswegen aktiv, weil´s der Halter nicht tut. Er verteidigt sich doch nur, weil das Gegenüber nicht erkennt an der bisherigen Körpersprache des Hundes, daß er das Anfassen (gerade) nicht mag!
Es gibt da etliche Eskalationsstufen beim Hund, mit denen er zu erkennen gibt, wenn er was nicht möchte. Er beschwichtigt, dreht den Kopf weg, leckt sich übers Maul, zieht die Lefzen hoch, u.v.a. - und wenn das jeweils gezeigte Mittel nicht hilft, wird halt das nächsthöhere Verhalten aus der Eskalationsleiter gezeigt. Die meisten Menschen erkennen die ersten feineren Signale nicht, hören daher auch nicht auf mit ihrem Verhalten, der Hund wird immer weiter bedrängt - und auf einmal beißt der Hund oder schnappt, vermeintlich "aus dem nichts heraus"! Dabei hat er vorher schon tausend Stufen versucht zu zeigen, daß er das blöd findet. Ihm bleibt schlichtweg keine andere Lösung mehr!
Und an der Stelle ist der Hundeführer gefragt, das Vertrauen im Hund aufzubauen - vertrauen darauf, daß er in der Lage ist, solche Situationen für seinen Hund zu lösen. Das hat überhaupt nichts mit einer Rangordnung zu tun! Selbst wenn ich irgendwo nen fremden Hund sehe, der bedrängt wird, kann ich das verhindern, ohne sein Rudelführer zu sein. Wenn das mehrfach passiert, wird der Hund merken, daß er sich darauf verlassen kann, daß ich eingreife. Obwohl ich eigentlich "rudelfremd" bin. Und wird lernen, daß er nicht beißen muß, weil ich das manage und die Situation lösen kann.
Dadurch, daß Du dem Hund Deinen Schutz gibst in solchen Situationen, sieht er, Du bist souverän, Du kannst mit schwierigen Situationen umgehen, Du setzt ihm Grenzen, innerhalb derer er sich frei und gefahrlos bewegen kann, er kann sich auf Dich verlassen - und erst DAS macht Dich in Hundeaugen zum "Anführer", einfach, weil Du die nötigen Fähigkeiten zeigst. Dazu gehören Verläßlichkeit, Konsequenz, Berechenbarkeit (immer dieselbe Reaktion beim selben Verhalten des Hundes), keine unfairen Strafen, die Fähigkeit, ihm was beizubringen (nämlich wie das Leben bei Euch läuft), das ihm Entspannung ermöglicht - all dies macht einen in Hundeaugen zum "Anführer", dem er gern und freiwillig folgt. Weil er merkt, er wird beschützt und unterstützt.
Dann brauchts auch kein "Hund vom Sofa" oder "ich esse vor dem Hund" und so nen Quatsch, der oft von "Rudelführer"-Vertretern propagiert wird, um dem Hund zu zeigen, man möchte der Anführer sein. Wird man SO trotzdem nicht sein - einfach, weil der Hund andere Qualifikationskriterien anlegt als derjenige *gg Der gehorcht dann vielleicht verwundert, oder weil er sonst gestraft wird. Aber nicht, weil er den Halter als Anführer mit Führungsqualitäten anerkennt. Ich glaube, ein Spruch vieler Eltern wird klarmachen, was ich meine: ein "solange Du die Füße unter meinen Tisch stellst, machst Du, was ich sage...." kennt bestimmt jeder von uns - und der hat noch nie jemandem gereicht (nichtmal als Kind), um eine Anordnung widerspruchslos zu akzeptieren. Ein "ich möchte, daß Du immer um 19 Uhr daheim bist, weil ich abends koche, und das Essen sonst kalt wird" ist viel plausibler. Letzteres zeigt Führungsqualitäten, ersteres stellt mehr oder weniger ein Schild "CHEF" auf den imaginären Schreibtisch, damit jeder sehen kann, man möchte Chef sein. Ein "weil ich Dein Chef bin"-Chef, kein wirklich fähiger Anführer.