Wie unheimlich unwichtig geworden ist, wer wo wann läuft (letzter Teil)
Mit dieser Idee im Kopf, dieser Angst im Herzen, dass meine Hunde entweder ein Leben in Langeweile fristen müssten oder eines Tages in ihr Unglück rennen, stieß ich im Netz auf das Stopp-Konzept von Ulv Philipper. Im Video dort ging es (damals war die Homepage so, wie es heut ist weiß ich nicht).genau darum: Ein Hund jagte einen Hasen und auf einen langen Pfiff hin setzte er sich hin. Stopp. Dann ertönte ein kurzer Pfiff und der und raste los - vom Hasen weg zum Halter. Mehr, so las ich dort, braucht Hundeerziehung nicht. Ein Stopp und ein Heranrufen, wenn beides 100% aus wirklich jeder Situation gelingt, dann haben Hund und Halter, was sie brauchen...
Das hat mich geflasht!! Genau das war es, fand ich: auf das wirklich Wesentliche reduziertes Training!
Ich telefonierte mit der Schule und machte (bei 75 km Entfernung!) einen Termin aus. Schon beim Telefonat war klar: Bei Philipper gehts es um 100 %. Es soll kein "Restrisiko" mehr geben. Heute schreibe ich das etwas augenzwinkernd (Leben gibt es nicht ohne Restrisiko und auch gut trainierte Hunde blriben Lebewesen...), aber damals - nach Monaten voller Frust und Horrorgeschichten und Horrorerlebnssen (weil Tara mal wieder alleine nach Hause gelaufen war - und dort 2 Stunden NACH mir ankam) - da wollte ich 100%!!
Ja, ich war, zu diesem Zeitpunkt, sehr verbissen.....
Ich wurde also in das Stopp-Konzept eingewiesen und ganz schnell ging es nicht mehr nur um "Stopp"-Pfiff und "Komm"-Pfiff, wie ich glaubte, sondern um unser tägliches "Sozialleben" mit den Hunden; Fußgehen, Leinenführigkeit und Hinsetzen als Merkmal eines "Hundes der begleitet" - und totaler Konsequenz. Ich werde dazu noch etwas schreiben, nach und nach... Aber über die Monate wurde vor allem klar: Aus dem Bild (quasi der Zielvorstellung) von zwei freien Hunden (Tara und Dex, die machen dürfen was sie wollen) und einem fröhlichen Menschen (mir) die lustig durch die Welt liefen und keine Angst haben müssten, weil, wenn das Reh über den Weg huscht und die Hunde hinterher hetzen, ein einziger Pfiff genügen würde um die gefährliche Jagd zu beenden, wurden in Realität: ein Trio, dass sich 24 Stunden am Tag diversen Regeln unterwerfen musste:
1. Wenn Menschen sich nicht mit Hund beschäftigen wollen, haben Hunde "Pause" und sind an ihrem Platz (z.B. Decke) und dort machen sie was sie wollen, aber sie bleiben. Dazu gab es bei uns die Ankündigung "Pause". Und zwar (bei uns) immer wenn wir etwas aßen.
2. Hunde laufen fuß wenn sie angeleint sind.
3. Hunde setzen sich ruhig hin und warten ab, wenn Menschen stehen bleiben.
4. Hunde können in den Freilauf geschickt werden wenn Menschen stehen bleiben (gut für Hundewiesen
)
5. Hunde setzen sich sofort und an Ort und Stelle hin, wenn sie einen langen Pfiff (oder ein leides "Ssss" hören und bleiben dort bis zur Auflösung sitzen ("Stopp").
6. Hunde kommen beim kurzen Pfiff sofort und schnell zum Menschen gerannt ("Komm").
7. Hunde laufen immer VORNE im Freilauf
8. Hunde, die jagen gehen (also durchstarten! Loslaufen!!), werden nicht herangepfiffen, sondern ruhig eingesammelt, kurz prägnant "geschimpft" und sonst wortlos angeleint und 3 Tage ignoriert (natürlich werden sie versorgt, also gefüttert und können im Garten bzw. an der Schleppleine um den stehenden Menschen herum ihr "Geschäft" machen)
Nach diesem Konzept sind Mensch und Hunde ein Sozialverband, und nur wer alle Regeln kennt und befolgt, der darf ein "vollwertiges" Teilhaben erwarten. Die Verantwortung, die Regeln zu lehren und strikt einzuhalten, hat der Mensch. Die Verantwortung, die Regeln zu befolgen, hat der Hund selber...
Den Ansatz beim "Sozialwesen Hund" fand und finde ich richtig. Und noch etwas ganz Besonderes hab ich bei Herrn Philipper gelernt: das Hunde mich testen dürfen! Soll heißen: Wenn ich Tara etwas beibringe, zB sich zu setzen weil ich pfeife, und sie das dann verstanden hat, dann ist es im Grunde nur ein Nachfragen, wenn sie es mal nicht tut. Sie fragt dann, ob ich das auch wirklich immer so meine. Und das muss ich ihr zugestehen! Sauer oder enttäuscht zu sein, dass sie "verlernt" hat, was sie machen soll oder sturr ist, das ist Quatsch! Sie fragt "ist das immer so?" und ich kann anzworten "ja!" indem ich mich immer (!) gleich verhalte (dafür sorge, dass sie sitzt und darauf warte!). Diese Antwort von mir kann (und sollte) freundlich und respektvoll sein. Dann darf ich erwarten, dass sie irgendwann nicht mehr nachfragen muss... Das habe ich so übrigens auch wirklich erlebt, es hat mich viel gelassener und freundlicher im Training gemacht! Mit Tara verstehe ich mich besser, und für das Training von Dexter (der hypernervöse Augenhund...) war das Gold wert!! Wenn die Hunde etwas, dass sie eigentlich können und wissen mal NICHT machen, dann sehe ich heute einen Unterschied zwischen "Ungehorsam" und "Nachfragen" ...und im Grunde ist "Nachfragen" doch genau das, was ich im Trainkng möchte und brauche von den Hunden!!
Und "Ungehorsam" sehe ich heute auch eher als Zeichen dafür, dass in unserem Sozialleben etwas schief läuft. Quasi im "Geiste Philippers" sehe ich durchaus, dass die Hunde "die Verantwortung" für ihr Verhalten in diesem sozialen Kontext haben: wer sich "gefährlich" benimmt für das Rudel, der kann im Rudel nicht mitlaufen. Aber das heißt eben auch: wer im Rudel nicht gut aufgehoben ist, der zeigt das, indem er sich "gegen die Regeln" verhält...
[Die letzten zwei "Jagdausflüge" von Tara, in einem Zeitraum von 2 Jahren die einzigen, geschahen, als ich mich mit Jemanden stritt. Lautstark und wütend, eine ganze Weile lang, und die Hunde liefen "nebenher". Das eine Mal stritt ich sogar mit ihrem Herrchen, meinem Ex. So richtig "übel nehmen" kann ich ihr das nicht, und es wird wohl kaum Zufall oder Ungehorsam gewesen sein. Ich drnke sie hat damit schlicht kommuniziert, dass sie "da keinen Bock drauf hat".... ]
Naja - die starren 8 Regeln im Stopp-Konzept haben uns die Freude am Spazieren gründlich versaut, uns allen! Vor allem geärgert hab ich mich darüber, dass ich mit dem Pfiff gar nicht das Jagen abbrechen sollte (und konnte!), sondern dieses (natürliche, triebhafte) Verhalten den Hunden austreiben sollte durch Konsequenzen (ich vermeide das Wort "Strafe"...) im sozialen Bereich. 3 Tage ignorieren war für mich schlimmer als für Tara, es hat mich mit meinem Mann richtig streiten lassen, Dexter ist dabei jedes Mal "fast krank" geworden (egal ob er oder Tara betroffen war) - und es war einfach nicht meins!!! Allzu oft haben wir es auch nicht versucht, und ich möchte dem Stopp-Konzept durchaus zugestehen, dass das funktioniert, wenn man nur 100 % konsequent ist (bei Philippers funktioniert es und bei manchen Kunden ja auch, ich hab auf einem workshop durchais viel Positi es dazu gehört!!), aber ich war nicht 100 % konsequent in dieser Sache, und will es auch nicht sein. Das hat - für mich! - also auch nicht geklappt...
Die andere Regel, die irgendwie nicht gut ging für mich, war die 7. Gerade Tara lief gerne gemütlich und schnupperte viel, Dex dagegen war ja eher hektisch, und ich wünschte mir ein sportliches Tempo (nicht langsam, nicht rennen) - und vor allem ein kontinuierliches Gehen. Dabei immer vorne zu sein (aber auch nicht zu weit) bedeutete für die Hunde, dass sie nicht "auf ihre Kosten" kamen, sie waren genervt und unausgelastet. Spazieren hieß für die Hunde "begleiten", und das war langweilige Arbeit für Tara und anstrengende Arbeit für Dexter.
Das "Schöne" und die Auslastung fanden also beim Toben im Garten, beim Apportieren oder bei Sichspielen statt - aber nicht auf gemeinsamen Spazierwanderungen. Und das war nucht das, was ich wollte! Ich wollte uns ja alle drei glücklich machen 
Allerdings: nach der "nur hinten"- Regel aus dem Konzept nach Frau Nowak und der "nur vorne"- Regel vom Stopp-Konzept (und den "Ausnahmen" bei beiden durch "ok" oder Freigabe...) kann ich heute glasklar mit Tara und Dex kommunizieren, wo sie laufen sollen. Vor mir, hinter mir, nah bei mir, weiter weg, links, rechts, Fuß - alles geht! Und das nutze ich in verschiedenen Situationen voll aus (auf belebten Rad- und Wanderwegen, an Hauptstraßen, bei Hüte-spielen, beim Verstecken-Spielen, im Kontakt mit "gefährlichen" Hunden, im Kontakt mit ängstlichen.oder verletzten Hunden, wenn ich sehr eilig bin...) - und finde es total super! Aber heute ist es so, dass ich eben SITUATIV kommuniziere, und nur wenn es nötig ist, weil es nötig ist. Es schafft Sicherheit, und meine Hunde verlassen sich drauf! Aber es ist keine REGEL und die meiste Zeit ist es einfach unwahrscheinlich egal wer wo wann läuft :)
Wenn ich da manchmal einen Weg langlaufe und auf Dexter blicke, der 50 Meter links von mir über die Wiese rennt, die Nase kontinuierlich am Boden, aber im Galopp, und dann Tara sich von hinten an mir vorbei schiebt, mir einen kurzen Blick zuwirft, und dann wieder stehen bleibt um ein Mauseloch groß zu buddeln, und ich währenddessen unbeirrt ganz einfach meinen Weg gehe, dann hab ich manchmal einen Ohrwurm: so soll es sein, so kann es bleiben....weil endlich alles stimmt...... so soll es sein, so kann es bleiben......so hab ich es mir gewünscht :)