Besser spät als nie, aber ich kann nicht gut kurz ...
Ich gebe zu, das war kurz und einseitig, political inkorrekt.
Ich wollte dich (Chris) eigentlich nur loben für deinen vorbildlichen Einsatz und deine sehr vernünftige Einstellung. Und - ganz klar - es fühlen sich definitiv die Falschen angesprochen, nämlich diejenigen, die meine zugegeben polemische Kritik überhaupt nicht betrifft. Liegt wohl auch daran, dass dies der Wolfs-Thread ist und meine Kritikpunkte aber mit dem Wolf gar nichts (oder fast nichts, da diese von mir bemängelte Einstellung natürlich auch in Sachen Wolf Probleme macht) zu tun haben, insofern also OT sind. Es geht mir wirklich eher um die "wirtschaftsoptimiert Denkenden" Vertreter ihrer Zunft, die dies sehr rücksichtslos oder auch gedankenlos umsetzen.
Ich kann kurz erklären, woher mein durchaus konkreter Groll kommt: Ich lebe auf dem Land, umgeben von Landwirtschaft und Landwirten. Es hat also nichts mit "romantischer Städtersicht" zu tun - die geht einem abhanden, wenn man tagtäglich sieht, wie sich die Landschaft rasant verändert und wie die spärliche Restartenvielfalt immer weiter verarmt. Haben wir Naturschützer früher schon eine überdüngte Löwenzahnwiese belächelt, so können wir heute froh sein, überhaupt noch einzelne Löwenzahnexemplare am Feldrand zu haben, das was früher Wiesen waren ist heute Maisacker oder fünfschürige Weidelgrasacker.
Was die Fauna betrifft, so setzen meine Berührungspunkte, die für jahrelang angesammelten Ärger sorgen, schon weit unter Tieren wie dem Wolf an. Es geht um Kleintiere wie Reptilien und Amphibien, für die ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeiten Maßnahmen wie Strukturanreicherungen plane und umsetze. Wenn ich von Landwirten auf benachbarten Flächen unserer Ausgleichsflächen Klagen höre über Kröten, Eidechsen oder Schlangen, die über ihre Wiese laufen könnten - ja sorry, da komme ich dann eben auf solche Einstellungen, die ich in meinem Eingangspost hier kurz und knackig formuliert habe, gepaart mit dem Wunsch, dass es mehr Landwirte geben möge, denen klar ist, dass ihre Produktionsflächen auch Landschaft und Lebensraum sind.
Artenvielfalt kann nicht nur in Naturschutzgebieten erhalten werden, da dies viel zu wenig und nochdazu verinselte Fläche ist. Daher müssen die Arten auch in der bewirtschafteten Kulturlandschaft erhalten werden. (Bei Interesse zu den Größenordnungen: BfN: Gebietsschutz / Großschutzgebiete / Schutzgebiete)
Ich erlebe hier leider immer wieder im Gespräch mit einigen (!) Landwirten, dass sie nichts auf ihren Flächen (Feldflur und Wald) dulden wollen, keine Kleintiere (s. o.), keine Rehe, keine Hasen (es trifft also nicht nur Wolf und Luchs, sondern auch die Allerweltsarten), keinen Baum und keinen Strauch (Hecken schon mal gar nicht). Diese Selbstverständlichkeit, mit der alles "Störende" beseitigt wird, macht mich zornig, ja. Es schmerzt mich jeden Tag zu sehen, wie die Landschaft, in der ich lebe und die ich liebe, immer weiter industrialisiert wird, wie die Verarmung besonders innerhalb der letzten 10 Jahre rasant voranschreitet. So viele Pflanzen und Tiere, die noch vor zehn Jahren häufig waren, sehe ich nicht mehr oder nur noch extrem selten.
Ich weiß, dass die Landwirte unter Druck stehen, aber ich weiß auch, dass die Zerstörung der letzten schmalen Säume, der Bach- und Waldränder, die Rodung jedes noch so kleinen Baumes oder Strauches am Feldrand nicht nötig wäre. Es ist ja OK, einen Feldschlag intensiv zu nutzen, wenn man daneben wenigstens einen Saum lassen würde und Verbundstrukturen zwischen den Feldern erhalten würde. Aber nein, es wird noch bis in den Bach hineingeackert (oder über den Wegsaum bis in das Bankett des angrenzenden Sträßchens). Mir kann niemand erzählen, dass der Landwirt pleite gehen würde, wenn er den kleinen Baum am Feldrand/Straßenrand stehen lassen würde oder wenn er darauf verzichten würde, den letzten kleinen Rain umzuackern. In meinen Augen ist dies einfach Rücksichtslosigkeit und Unachtsamkeit, und es lässt sich mit den heutigen technischen Möglichkeiten auch leicht umsetzen, also wird es gemacht. Davon abgesehen kann es ja auch nicht die Lösung sein, wenn alle um immer höhere Produktion wetteifern - siehe Milchpreis (was passiert, wenn alle ihren Milchviehbestand aufstocken? Genau). Dieses Verhalten nützt einzelnen nur kurzfristig (wenn überhaupt), schadet aber dann allen, mit vielen Kollateralschäden.
Es geht mir nicht einmal darum, dass alles Bio sein müsste. Es geht mir darum, dass die Landwirtschaft verantwortungsvoll und nachhaltig mit ihren Flächen umzugehen hat in dem Bewusstsein, dass die Landschaft nicht nur für ihre Produktion existiert, sondern Lebensgrundlage für Tiere, Pflanzen und andere Menschen ist und dauerhaft bleiben soll. Natürlich gibt es Landwirte, die das gut machen (auch konventionell, denn dies ist eine Frage der Einstellung), aber ich erlebe leider auch diejenigen, die es nicht gut machen und/oder dumm daherreden ("jammern") und eine tierfreie Landschaft favorisieren, wo noch der letzte Hase und die wenigen Rehe zuviel sind. Und diese machen mich wütend, daher meine Aussage zu Beginn.
Ich wäre sehr dafür, dass wirkliche landschaftspflegerische Maßnahmen und fachlich gute Beweidung staatlich üppigst subventioniert werden sollten, viel mehr als jetzt, unabhängig vom Wolf. Die Wahrnehmung der Verantwortung für die Landschaft wäre neben der Versorgung eine wichtige Aufgabe der Landwirtschaft und sollte mit allen Mitteln gefördert werden. In diesem Sinne fände ich es auch richtig, dass Weidetierhalter - egal ob Vollerwerb, Nebenerwerb oder "Hobby" (wenn es um Landschaftspflege geht) - mindestens finanziell bestens unterstützt werden sollten. Wir bräuchten also eine andere Stoßrichtung der Agrarpolitik. Echte Landschaftspflege, der Erhalt und die Förderung von artenreichen Kulturlandschaftslebensräumen ist ungeheuer wertvoll und wir alle, unsere Gesellschaft, somit der Staat sollte dies entsprechend wertschätzen und zwar ganz konkret durch eine gute Bezahlung derjenigen, die dies mit ihrer Arbeit umsetzen (da können sich jetzt die guten Tierhalter in diesem Thread angesprochen fühlen).
Dies hat alles tatsächlich nichts mit dem Wolf zu tun, es ist ein viel allgemeineres Problem. Gerade in meiner Gegend wären Wolfsvorkommen sogar vergleichsweise unproblematisch, weil bis auf ganz wenige Ausnahmen (traditionell) keine Weidehaltung betrieben wird. Dennoch wird es, wie ich die Lage einschätze, gerade hier lange oder gar nicht zu fest etablierten Vorkommen kommen. Das "Berumdadreieck" ist bekannt? Es wäre schön, wenn ich mich irren würde. Ich weiß, dass ich mit Wölfen auf meine Hunde aufpassen müsste, aber das muss ich jetzt schon genauso (Jäger, Autos). Ich bin eben auch nicht allein auf dieser Welt und muss sie deshalb teilen mit Zeitgenossen, die mir nicht so passen - ist nun mal so.
So, das war's jetzt von mir zu diesem Thema. Wenn es euch zu OT ist, könnt ihr es löschen oder in einen Thread "Wo sind all die Blumen (Schmetterlinge, Heuschrecken, Feldvögel etc.) hin ..." verschieben. Dann mag man weiterhin glauben, dass hier ein naturromantischer Städter und Wolfskuschler von Wölfen fantasiert.