Alles anzeigenIn der Studie in der dieses Gen gefunden wurde, wurde dasselbe Gen auch bei Flat Coated Retrievern gefunden. Eine Rasse die nicht gerade für ihre Fettleibigkeit bekannt ist. Bevor man jetzt also einfach nachplappert, dass die armen, dicken Labbis vermutlich alle diese POMC Mutation tragen, sollte man die Studie vielleicht erstmal raussuchen und lesen. Dort wurden ca 310 Labradors getestet und viele der Hunde, bei denen diese Pro-Opiomelanocortin-Mutation gefunden wurde, gehörten zu einem Assistenzhunde-Zuchtprogramm:
"Labrador retriever samples were collected from dogs from a large assistance dog breeding colony or that were pet dogs from the UK" (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4873617/)
Allein aus diesem Zuchtprogramm wurden 81 Hunde getestet. Leider konnte ich nicht finden, woher genau diese Hunde stammen (oder Infos dazu, wie eng diese Gruppe miteinander verwandt ist). Eine Theorie der Forscher ist, dass Hunde mit diesem Gen eine hohe Futtermotivation mitbringen und daher leicht zu trainieren seien und diese Hunde dann gezielt gezüchtet wurden. Kann sein, dass dies ein Selektionsmerkmal für dieses Assistenzhundezuchtprogramm ist? Kann ich nicht beurteilen. Was ich beurteilen kann ist die Tatsache, dass der Großteil der Züchter und Trainer von Labs (aus Arbeitslinien), diese nicht mit Futter trainieren. Im Gegenteil, das ist verpöhnt und ich bin da meistens eher die Ausnahme, wenn meine Hunde eine Futterbelohnung bekommen. Die Arbeit solle für die Hunde selbstbelohnend sein. Und wenn ich während des Trainings meinen Labs Futter vor die Füße werfe, bücken sie sich nicht einmal danach, weil sie lieber arbeiten wollen. Die Theorie der Labrador wäre also seit jeher auf Futtermotivation hin selektiert, kann irgendwie nicht ganz aufgehen. Dass diese Mutation irgendwo, irgendwann aufgetreten ist und sich einige dies unbewusst zu nutzen gemacht haben, mag durchaus sein. In wie vielen anderen Rassen man diese Mutation auch findet, weiß man übrigens noch gar nicht. Bisher wurden lediglich 38 andere Rassen getestet, bei denen diese Mutation (noch) nicht gefunden wurde. Auch hier habe ich leider noch nichts darüber gefunden, welche Rassen und wie viele Individuen jeweils getestet wurden. (Nachträgliche Ergänzung: Laut der Untersuchung wurden im Durchschnitt nur ca 10-20 Individuen untersucht. Eine Ausnahme ist hierbei der Golden, bei dem man immerhin 55 Individuen untersucht hatte)
Du sagst es ja schon selber, davon ist nicht jeder Labrador betroffen und ich bezweifel einfach, dass dieser Defekt so oft auftritt, wie es hier den Anschein macht. Vielleicht liegt das daran, dass ich keinen einzigen krankhaft verfressenen Labrador persönlich kenne. Wenn ich Essen auf dem Couchtisch stehen lasse, klaut das maximal mein Curly. Meine Labbis haben das noch nie gemacht. Am WE haben wir mit einigen anderen Labbis (und anderen Retrievern) auf einer Wiese voller frischer Schafsköttel gearbeitet und keiner der Hunde hat davon gefressen. Auch nicht in den Pausen. Ich weiß durchaus, dass dies bloß persönliche Erfahrungen sind, es sich dabei auch um Field Trial Labbis handelt und ja Labbis sind trotzdem verfressene Hunde. Ich behalte das Ganze definitiv im Auge, aber mache mir aktuell doch eher um einige andere genetisch bedingte Erkrankungen Sorgen und ich denke im häufigsten Fall ist ein übergewichter Labrador schlichtweg aufgrund seiner Haltung und Fütterung zu dick.
Und by the way. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein krankhaft, verfressener Hund ein guter Arbeitshund ist, da hilft dann auch die Futtermotivation nicht mehr. In der Rettungshundearbeit haben wir teilweise Essensreste auf den Trümmerkegeln ausgelegt, weil die Hunde sich davon bei der Suche nicht ablenken lassen durften und das gilt ja für alle Bereiche (ein Blindenführhund der angesichts einer auf dem Boden liegenden Currywurst mitten auf der Straße stehenbleibt, wäre ja auch nicht so optimal).
Zu dem Thema Labrador und POMC Mutation zitier ich mich mal eben selbst aus einem älteren Beitrag.
" [...] a 14 bp deletion in the pro-opiomelanocortin (POMC) gene, [...] is associated with increased body weight, adiposity, and food motivation in both Labrador retrievers and the closely related flat-coat retrievers (FCRs). We also find that the mutation is significantly more common in Labradors selected to become assistance dog breeding stock than those selected to be companions." (Raffan, 2016)
Hier nochmal der Hinweis auf das verstärkte Auftreten dieser Mutation innerhalb der Hunde des Assistenzhundezuchtprogrammes. Es wird auch gesagt, dass es bei "pet dogs" seltener auftrat und sie daher von einer Selektion auf Futtermotivation bei dem Assistenzhundezuchtprogramm ausgehen. Leider fehlt mir an dieser Stelle eine genauere Definition für die pet dogs, vermutlich sind damit einfach alle teilnehmende Hunde beschrieben, die nicht aus dem Assistenzhundezuchtprogramm sind. In UK sind AL sehr häufig, von daher gehe ich davon aus, dass auch in der "pet dogs" Gruppe AL vertreten sind. In der Untersuchung wird zumindest auch gesagt, dass sie diesbezüglich keinen Unterschied zwischen SL und AL ausmachen konnten.
Außerdem konnte ich herausfinden um welches Assistenzhundeprogramm es sich handelt (Guide Dogs UK). Die laut der HP über ein eigenes "National Breeding Center" verfügen, in welchem nach eigenen Angaben bis zu 1500 Welpen (nicht nur Labradors) pro Jahr geboren werden (National Breeding Center). Da würde ich eine gewisse Verwandtschaft innerhalb dieser Testgruppe für relativ wahrscheinlich halten. Daher ist die Schlussfolgerung auf die Selektion von futtermotivierten Hunden möglich und nachvollziehbar, es könnte aber auch eine (zufällige) Häufung in einer untereinander verwandten Gruppe sein. Dazu würde es meiner Meinung nach mehr Tests an mehr Individuen benötigen, um die genannte Vermutung zu untermauern. Das scheint ja im Form der Tests in Brasilien auch schon begonnen zu haben.
Bezüglich der Zucht der AL in UK (als Jagdhunde) kann ich zumindest sagen, dass es dort keine Selektion auf Futtermotivation gibt.
Ich würde an der Stelle aber vor allem auch hinterfragen, wie sich dies tatsächlich auswirkt. Wird über diese Studie gesprochen, geht es schnell um niemals satte Hunde, die allen Dreck förmlich einsaugen, weil sie krankhaft hungrig sind. In der Studie wird ein solches Verhalten nicht ansatzweise beschrieben. V.a. wird auf eine bessere Trainierbarkeit durch Futtermotivation für ein bestimmtes Assistenzhundeprogramm verwiesen, welches, wie bereits erwähnt, vermutlich nicht von Hunden durchlaufen werden könnte, welche sich vor lauter Hunger oder Fresslust nicht zuverlässig auf ihre Aufgabe konzentrieren könnten und auf ein e Tendenz zu höherem Gewicht bei einigen der Hunde (nicht allen). Es beschleicht mich daher schon der Eindruck, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung häufig falsch interpretiert werden.
Habe eben mal bei Generatio nachgesehen und auf die Schnelle auch nicht gefunden, dass ich darauf testen lassen könnte. Würde ich nach aktuellem Stand für mich persönlich, meine Hunde und meine Zuchtvorhaben aber auch nicht notwendig oder beeinflussend finden.