Hallo zusammen,
da ich manchmal einige eurer Antworten immer noch im Kopf habe, wollte ich euch einfach mal die aktuelle Situation schildern.
Zunächst mal, ich habe meinen Trainer gewechselt, mit ihm auch meinen kompletten Trainingsstil, haben nochmal ganz von vorne angefangen.
Mein Trainer hat den Hund vier- fünfmal bei der Spielstunde / Resozialisierungsstunden gesehen und konnte mir da schon sehr viele wertvolle Tipps geben (unkastrierte, selbstsichere Rüden in seiner Größe waren / sind unser Feindbild). Er hat mir gezeigt, wie ich ihn in der Situation korrigieren kann, sodass er nicht am Ende das Verhalten zeigt um aus der Situation herausgerufen zu werden (was funktionierte).
Dann war er bei uns zu Hause, ich habe ihm erklärt, dass ich einfach nur einen entspannten Alltag haben möchte und nicht, dass einer von uns an einem Magengeschwür eingeht.
Lösungsweg war, es passiert nichts, wenn er nicht ruhig ist. Wir haben 38 Anläufe gebraucht bis wir vor der Tür standen, immer wenn er gebellt hat o.ä., haben wir das Geschirr oder Leine oder was auch immer wieder weggehängt und sind gegangen.
Draußen dann das gleiche, 10 Meter strukturiert gehen, stehen bleiben, warten bis er ruhig ist, 10 Meter laufen lassen (damals an der Flexi-Leine). O-Ton, nur wenn ich danach zum Arzt muss weil er mir den Arm ausgerissen hat, war es zu viel. Danach wieder stehen bleiben, bis er ruhig ist, zehn Meter strukturiert. Am Anfang sind wir pro 1,5 Stunden vllt so 800 Meter gekommen.
Jeden zweiten Tag bin ich auf die Hundewiese gefahren, dass er Rennen darf. Das hat er auch. Aber auch hier wieder, nicht aus dem Auto aussteigen wenn er pienzt etc. Am Anfang hat es 1,5 Stunden gedauert bis ich aus dem Auto ausgestiegen und die 100 Meter zur Wiese vorgelaufen bin. Ball gab es nur als Belohnung fürs Zurückkommen auf der Hundewiese und das auch nur weil dort eben viele Leute Ball spielen.
Zusätzlich haben wir Folgeübungen wo er meine Hand folgt mit Drehungen etc. eingebaut.
Das wars für ca. 2 Monate.
Bemerkenswert fand ich, dass er keinen Tag ohne "Ausraster" war. Wenn wir gut aus der Haustür gekommen sind, war der Weg zur Hundewiese eine Katastrophe und andersrum. Der Prozess war sehr wellenförmig.
Nach ca. 3 Monaten fing ich an mit dem Ball zu trainieren, ihn zu verstecken, ihn warten zu lassen wenn ich werfe und erst loszuschicken wenn er sich entspannt hat etc. Die Hundewiese hat er kaum noch genutzt. Da er -wie ich gelernt habe- nicht sozialisiert ist und keine Hunde in seinem Dunstkreis braucht und eh nicht mit ihnen spielt, sind wir immer weniger zur Hundewiese gegangen.
Leider hat sich je ruhiger er wurde - und das war wirklich wöchentlich zu merken- ein Problem drastisch verstärkt. Er ist nicht mehr Auto gefahren. Bemerkenswerterweise ist er aber eingestiegen. Als ich ihn vor geholt habe, habe ich gemerkt, bei jeder Brücke bricht er fast zusammen, hechelt, zittert und duckt sich. Mein Trainer hatte keine Idee außer ausprobieren was ihm hilft.
Also ging der Marathon los. Er ist nach tausend Ideen etwa 4 Monate im Fußraum vom Beifahrersitz mitgefahren und es war ihm nicht erlaubt aus der Windschutzscheibe herauszuschauen. Denn das war es was ihm Angst gemacht hat.
Mittlerweile fährt er auf der Rückbank mit. Der Airbag, den man nicht ausschalten kann hat mir doch mit jedem Tag, an dem ein Auffahrunfall sein letzter sein konnte, mehr Sorgen bereitet. 100% safe ist das noch nicht, aber es wird. Strecken von 2-3 Stunden hält er gut aus, Arbeitsweg (auf dem er früher auch fast gestorben ist) macht ich auch nichts mehr aus. Lange Strecken meistert er je nach Stresspegel. Ich war mir einen Hof anschauen für ein duales Studium, da gab es einen anderen Hund (Feindbild), den er nicht mochte, außerdem Kühe und ein Wald voller Tiere und einen neue Umgebung, die Hinfahrt war gut, Rückfahrt war schlimm. Leider ist er in neuer Umgebung noch nicht so sicher, dass er da Stress abbauen kann, das heißt am Rastplatz eine halbe Stunde laufen klappt wenn er vorher nicht gestresst war gut, wenn er gestresst war nicht gut.
Ansonsten trainieren wir jetzt weiter. Hauptsächlich mit Ball. Ball werfen, vorbeirufen, abrufen, im Fuß dran vorbei, im Fuß Ball werfen etc.
Mein Trainer sagte wenn ich den Ball 100 Meter werfen kann und nach 50 Meter den Hund anhalten kann, dann gehen wir ans Wild.
Mit dem Ball sind wir jetzt an einem Stillstand angekommen. Ich kann ihn anhalten etc. aber eben nicht unendlich weit werfen und er bleibt im Platz. Bringen tut das trotzdem was. Sieht er was und hat den Geruch nicht in der Nase bleibt er da. Sobald er es riecht bin ich chancenlos.
Am Montag haben wir aber eine neue Trainingsstunde, da wollen wir ihn auf Gerüche umkonditionieren. So in der Art wie Kaninchen = kein Erfolg, Vanille = Erfolg.
Ich komme ja aus der Pfalz. Im Feld schaut er in jede Wingertszeile rein mit der Erwartung, dass da ein Hase drin sitzt. Im Wald schleift er mittlerweile die Schleppleine hinter sich her.
Wirklich laufen lassen kann ich ihn noch lange nicht. Aber irgendwie ist das gar nicht mehr so schlimm.
Er ist jetzt so umweltsicher, dass er, je nach Tagesform bei einer Katze mal kurz austickt (oder auch gar nicht), sich dann aber schütteln kann und alles ist gut. Auch begleitet er mich mittlerweile in die Stadt und er kann in fremden Gegenden spazieren gehen.
Auf der Arbeit werde ich oft angesprochen, dass er ausgesprochen ruhig und ausgeglichen ist. Auch dort darf er am Wochenende, wenn kein Chef da ist, frei laufen.
Leider weist er eine wechselseitige Lahmheit auf, die ihn immer wieder aus der Bahn wirft. Rechte Schulter und linker Ellbogen sind Schrott. Er hat immer wieder nach Belastung gelahmt. Jetzt kam erstmals die Lahmheit in einer Ruhephase. Am Freitag geht er deshalb ins CT, bis dahin bekommt er Schmerzmittel.
Mein aktives Pferd habe ich mittlerweile verkauft, Beides ging nicht.
Auch war er erstmals auf einer Campingtour mit. Er war zwar auch viel an der Schleppleine aber er hat sich tadellos verhalten, war total ruhig. Wir waren zu zweit mitten in der Pampa.
Eine Frage habe ich aber an euch. Wenn ich schlafe packt er seinen Beschützerinstinkt aus. Angenommen ich habe Besuch, der Besuch schläft bei mir im Bett, geht aufs Klo, dann lässt er ihn nicht mehr zurück ins Schlafzimmer. Also er frisst ihn nicht, aber er knurrt und stellt die Haare.
Auch hat im Urlaub ein Polizist an unser Auto geklopft, der Hund lag an der abgewandten Seite. Er hat total mit den Zähnen gefletscht und übel geknurrt. Auf der Arbeit oder wenn ich wach bin ist er immer freundlich. Ist das ein normales Verhalten?
Herzlichen Dank nochmal an alle die mitgeschrieben haben.
LG
Sabine