Mal ausgehend davon, dass die Tasthaare grundsätzlich bei jeder Rasse eine Funktion haben -
Wenn sie keine Funktion hätten, dann wären es genau genommen nur Haare und keine Tasthaare.
Strittig ist nicht, ob sie eine Funktionen haben, sondern ob sie eine notwendige Funktion haben.
Meines Wissens ist die Hauptfunktion von Tasthaaren bei allen Säugetieren (einschließlich Mensch - Wimpern sind auch nur Tasthaare) der Schutz vor Verletzung. An der Wurzel von Tasthaaren befinden sich sehr viele Nervenenden, die bei unerwarteter Berührung Schutzreflexe auslösen. Ich bleibe beim Menschen: wenn unsere Wimpern plötzlich von etwas berührt werden (eine Fliege oder ein Zweig von dem Gestrüpp durch das wir uns im Garten gerade kämpfen) dann löst das sofortiges Zwinkern aus. Wir merken das gar nicht, bzw. wir merken es erst wenn es mal nicht funktioniert. Bei Brillenträgern ist der Reflex oft aktiv verlernt, weil zu oft "sinnlos" ausgelöst. Das führt nicht zwangsläufig zu Problemen, es führt auch nicht zwangsläufig zu Verletzung, aber das Verletzungsrisiko ist ungleich höher als mit funktionierendem Frühwarnsystem.
Genauso ist es bei Hunden. Das fehlen der Vibrissen ist kein Drama. Aber es bedeutet für den Hund ein höheres Verletzungsrisiko im Gesichtsbereich. Wenn ein Hund mit Vibrissen durchs Gestrüpp rennt, dann sorgen seine Tasthaare dafür, dass er jeder Berührung am Ende der Vibrissen reflexartig ausweichen kann und so kann er ganz viele Kollisionen mit Ästen und Zweigen vermeiden. Der Hund weiß davon genauso viel wie wir von unserem reflexartigen Lidschlag, nämlich in 99% der Fälle gar nichts. Er tut es einfach. Wenn die Vibrissen fehlen oder wenn die Borsten nur aussehen wie Vibrissen aber keine Funktion haben, fehlt auch dieses Frühwarnsystem. Nicht mehr und nicht weniger.
Ab wann, also welcher Länge, können die Tasthaare dann wieder ihre Funktion übernehmen?
Beim Ausrasieren eines Pudelgesichts sind die Tasthaare nur sehr kurze Zeit ganz ab, da die Haare sehr schnell wachsen. Das kann man sonst auch ganz gut an Sams Bild sehen.
Bei meiner Hündin war es so, dass das auf 1cm abgesäbelte Tasthaar noch empfindlicher war als ein normal langes. Was auch logisch ist: die kurze Borste hat bei Berührung viel stärker auf die Nervenenden im Wurzelbereich eingewirkt als ein normal langes Haar. Dass kurze harte Haare stärker "pieken" merkt man ja an beiden Enden und bei Tasthaaren ist die Wahrnehmung noch viel stärker.
Es hängt also vom einzelnen Haar ab, wann die Funktion einigermaßen "normal" ist (wobei "normal" immer nur für das Individuum gilt, es ist kein allgemeingültiges "normal").
Dürfte ein langer Bart den Hund dann nicht ebenso stören, da geschätzt die Hälfte oder teils auch mehr der Tasthaare im Bart sitzt und nur das Ende wirklich frei fürs Tasten ist?
Jein.
Es ist richtig, dass ein Tasthaar im Bart ganz sicher anders reagiert als dasselbe Tasthaar ohne umgebendes Fell. Aber ob das umgebende Fell "stört" oder die Wahrnehmung sogar verstärkt (weil ja jede Bewegung des übrigen Fells vom Tasthaar wahrgenommen wird), das ist vermutlich nicht eindeutig zu klären.
Ich bin ziemlich sicher, dass man beim Pudel keine echte Chance hat. Entweder dicker Bart oder Tasthaare ab. Beim Pudel ist ja tatsächlich strittig ist, ob die Tasthaare den Namen überhaupt noch verdienen oder ob die nicht eher Tasthaar-Rudimente ohne echte Funktion sind. Bei manchen (nicht allen) anderen Bartträgern mag man eine Chance haben, die Tasthaare auch bei gekürztem Bart zu erhalten.