Unsere alte Familienhündin kam aus dem Tierheim und hat uns als Kinder sofort für besonders schützenswert empfunden, was dazu geführt hat, dass sie meinen Großvater anfangs in regelmäßigen Abständen beinahe an die Wand getackert hätte, wenn er sich Späße mit uns erlaubt hat. Meine Eltern durften sich selbst verteidigen, für die hätte sie sich erstmal nicht in den Kampf gestürzt.
Mein eigener Hund hat keine Familienkinder, aber ich habe schon das Gefühl, dass er kleine Menschen als zerbrechlicher ansieht. An Erwachsene wirft er sich oft mit vollem Körpereinsatz ran, um ihre Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen, Kinder bekommen meist eher recht ruhig den Flauschekörper zum Streicheln präsentiert. Gib die Leine meines Hundes an einen fremden x-beliebigen Erwachsenen, und er wird sich erstmal benehmen, als hätte ihm noch nie im Leben jemand das Konzept der Leinenführigkeit erklärt. Gib die Leine einer Dreijährigen, und die kann spazieren gehen, weil der Pudel hat keine Augen mehr für die Welt um sich herum, sondern bleibt verlässlich neben dem Kind.
Mein Pferd ist da auch so eine Kandidatin: Die Füße der Reiterin reichen gerade so übers Sattelblatt, reiterliches Niveau mangelhaft? Macht nix, wir passen auf und versuchen möglichst gutmütig Signale zu interpretieren. Rückwärts, vorwärts, seitwärts, mein Pferd kann alles. Der Reiter ist 40, erfolgreicher Turnierreiter und setzt sich zum Spaß auf das haarige dicke Pferd? Was willst du, Schenkelgehorsam? Mach doch selber oder besser noch, steig ab.
Ich würde so ein Verhalten jedoch nie bei einem Tier voraussetzen. Es gibt definitiv auch Hunde, die Kinder mindestens als die schrecklichste Plage des Planeten wahrnehmen und Pferde, die quietschende Mädchenstimmen als Zeichen zum Reißausnehmen sehen. Mal abgesehen, dass Hunde nicht unbedingt die besten Entscheidungen treffen, selbst wenn sie Kinder schützen wollen - mein Großvater hatte den Hass unserer Hündin aus Menschensicht gesehen nicht verdient, das hätte man ihr aber nur schlecht erklären können.