Beiträge von Munchkin1

    Ich habe heute eine wichtige Lektion zum Thema Objektivität, Bauchgefühl und vor allem Demut gelernt.


    Ich habe einen Welpen aus einer Arbeitslinie geholt. Mailo ist ein Wirbelwind, ständig auf Zack, irrsinnig lernbegierig, schwer zu beruhigen und lächerlich leicht zu motivieren. Sowohl zu Blödsinn als auch zu Übungen.
    Wenn ich mich über ihn ärgere, dann liegt das meist daran, dass er mich sehr verwöhnt und ich an sofortigen Erfolg gewöhnt bin.


    Ich bin sehr oft über die Info gestolpert, dass Welpen viel Ruhe brauchen, nur kurz Gassi sollten (5-Minuten-Regel), leicht überfordert sind.
    Ich gebe zu, dass ich darüber oft geschmunzelt habe, denn besonders die 5-Minuten-Regel hätte ich mit Terrorzwerg gar nicht umsetzen KÖNNEN, der verlangte von Anfang an mehr Input und war wirklich unausstehlich, wenn er mal kürzer musste oder nicht in Ruhe erkunden konnte, wie er wollte. Pausen mussten hier mit Hausleine und absolut rigoros eingefordert werden, was auch nur möglich war, wenn er vorher ausgelastet war.
    Wir reden hier nicht von stundenlangem Dauerlauf, aber täglich 30 aufwärts (wovon aber ein Großteil Fahrtzeit, also Ruhezeit ist), sind hier von Anfang an die Regel.


    Ins Nachbarhaus ist nun ein kleiner Labrador eingezogen, maximal 8 Wochen alt.
    So was kleines, zartes, verunsichertes. Der Besitzer trägt ihn tatsächlich zum lösen raus, geht maximal 20m bis zur Straßenecke und dann wieder zurück und rein.
    Und für diesen Hund ist das absolut richtig so. Der drückt mit seiner ganzen Körpersprache aus, dass er ein Baby ist, dass ihm das alles zu viel und zu früh ist und dass er schlichtweg Angst hat.


    Das erinnert in NICHTS an meinen Draufgänger, meinen Streber, der gar nicht schnell genug erforschen, entdecken, (zerstören) konnte/kann.
    Diese beiden Hunde sind so unterschiedlich, dass der Umgang mit ihnen gar nicht hätte anders sein können. Mailo so zu "schonen" hätte dazu geführt, dass der Hund aus angestauter Energie schlichtweg nicht händelbar gewesen wäre. Den Labrador hätte Mailos Fahrplan in einer Größenordnung überfordert, die mit Sicherheit bleibende Schäden hinterlassen hätte.


    Lange Rede, kurzer Sinn:
    Ich habe gelernt, nicht von uns auf andere zu schließen.
    Ich habe gelernt, dass mein Bauchgefühl nach wie vor stimmig ist.
    Ich habe gelernt, dass Regeln ihre Berechtigung haben, aber nicht allgemeingültig sind.
    Und das Wichtigste: Ich habe gelernt, dass Mailo für uns die optimale Wahl war.

    Mailo gehört auch zu der Sorte, die ab und an (meist abends zur gleichen Zeit) leicht neben sich steht und zur Freude der Nachbarn beiträgt, indem er vom Schlafzimmer ins Bad brettert und wieder zurück.
    Dann nehme ich ihn mir entweder an die Hausleine, setze mich mit ihm hin und warte, bis er sich beruhigt oder warte, bis er sich minimal beruhigt hat und hole ihn dann zum kuscheln, dann beruhigt er sich schlagartig und schläft meist sogar ein

    Ist natürlich klar, dass man sich da am Hund orientiert.
    Drum schrieb ich ja, dass ich das an seinem Verhalten fest mache.


    Mailo zB legt sich hin, wenn er nicht mehr mag oder nimmt die Leine ins Maul und „zieht“ mich heim. Das sind die absoluten Abbruchsignale.


    Man lernt sich gegenseitig zu „lesen“ wenn man mag

    Also ich oute mich mal als derjenige, der sich nicht an die Regel gehalten hat und hält.
    Mailo durfte von Anfang an „normale“ Gassirunden drehen und in die Stadt oder den Stall mit.


    Aktuell machen wir es so, dass es alle 3-4 Stunden zum lösen vor die Tür geht, bis er fertig ist, also maximal 5 Minuten, ich habe einen Schnellpinkler :pfeif:


    Mittags/Nachmittags gibt es eine lange Gassirunde mit Laufen, Spielen, Üben, also was das Hundeherz begehrt. Die Dauer variiert je nach Ort, an dem wir sind, denn wir fahren auch mal gerne ein Stück an spannende Orte.
    Hier wird es mit der Berechnung schwierig, denn wenn ich 30 Minuten an den Strand fahre, die mein Hund in der Bahn verpennt, dauert der Ausflug 2 Stunden, von denen 1 Fahrtzeit ist und am Strand selbst nochmal 30 Minuten Sitz/Buddel/Wellen-Anbell-Zeit ist. Also netto 30 Minuten laufen.


    Ähnlich am Stall oder in der Stadt. Oder beim Übungsgassi in der Umgebung.
    Mir ist wichtiger, dass er sich aktiv mit der Umwelt auseinander setzt.
    Die Zeit mache ich an seinem Verhalten fest. Mailo zeigt an, wenn er müde ist

    Ich push den Thread mal, da ich ganz aktuell und relativ hautnah von einem ähnlichen Projekt berichten kann, allerdings aus Polen.


    Der Züchter meines Welpen arbeitet in einer JVA als Diensthundeführer.
    Er hat nun zum zweiten Mal an einer Sendereihe teilgenommen, in welcher Sträflinge unter anderem unter seiner Anleitung mit TH-Hunden arbeiten, welche aufgrund ihres Verhaltens nicht gut vermittelbar sind. Diese Hunde werden nun von den Sträflingen bespielt/bespaßt/trainiert/therapiert/rehabilitiert (passendes bitte aussuchen, möchte mich nicht am Wort aufhängen), bis sie das Äquivalent eines Wesenstestes oder einer einfachen BH ablegen können, welche den Hunden eine bessere Vermittlungschance geben soll.


    In den USA gibt es das verschärft: Sträflinge, die Wildpferde anreiten, die dann als Reitpferde vermittelt werden.