Ich glaube das hier ist das passende Thema für mich und klinke mich hier mal ein…mitgelesen habe ich in diesem Strang allerdings schon seit Monaten und es war tröstlich und auch eine Unterstützung, dass ich mit meinen Problemen nicht allein da stehe.
Ich würde gern meine Erfahrungen mit meinem Hund aus dem Tierschutz teilen, denn ich bin zugegebenermaßen ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte bzw. wie es definitiv nicht ablaufen sollte. Vielleicht kann ich dazu beitragen, dass andere sich mehr Gedanken machen als ich es damals tat.
Mein Hund Emil ist ein einäugiger kleiner Mischling aus Spanien, inzwischen vermutlich knapp zwei Jahre alt und ist seit 8 Monaten bei mir (ein paar Fotos von ihm findet ihr in meiner Galerie). Wir haben viele Höhen und Tiefen hinter uns und ich habe in dieser Zeit einiges an Schweiß, Tränen und Geld gelassen.
Um ganz an den Anfang zu gehen: Ich bin absolute Hundeanfängerin, wenn man von dem Familienhund meiner Kindheit einmal absieht (eine lammfrohe Boxerhündin). Ich wollte immer einen Hund, und dieser Wunsch hat mich seither begleitet. Im letzten Jahr hat mich dieser Wunsch dann wieder verstärkt gepackt, und ich begann zu recherchieren und zu planen, wie ein Hund doch schon vor der Rente in mein Leben passen könnte (ich lebe allein und arbeite Vollzeit). Irgendwann nahm der Plan mehr und mehr Gestalt an, und in meinem Kopf formte sich eine rosarote Zukunft mit Hund.
Ein älteres Exemplar, ruhig und genügsam, aus dem Tierschutz sollte es sein. Der Hund sollte mich teilweise ins Büro begleiten und teilweise professionell in einer HuTa betreut werden. Dann waren da noch meine hundebegeisterten Eltern und mein bester Freund, die als Hundesitter und Unterstützung da wären. Es sollte ein Hund sein, der ruhig und umgänglich ist und überall dabei sein kann. Ich malte mir alles in den schönsten Farben aus…
Na ja, und dann…kam Emil. Gerade relativ frisch aus Spanien in seiner Pflegestelle angekommen, abgemagert, mit einer schweren Bronchitis und einer frischen Amputationswunde (Auge). Im Nachhinein schäme ich mich heute noch, wie ich so naiv sein konnte. Laut Tierschutzorga war er ca. drei Jahre alt, und ein ganz ruhiger, bürogeeigneter Anfängerhund…Klar ;-).
Ich hatte mein Herz schon beim ersten Kennenlernen verloren, und als die Pflegestelle zwei Tage später mitteilte, Emil müsse sofort die Pflegestelle wechseln weil es Probleme mit den anderen Hunden gäbe, habe ich Hals über Kopf zugesagt, ihn kurzfristig zu übernehmen.
Es gab keine Vorkontrolle durch die Organisation und bis heute keine Nachkontrolle. Aber sie waren den Hund losgeworden, und das war wohl das Ziel…
Ja, und jetzt wir. Emil und ich. Total überforderte Ersthundehalterin und ein völlig überdrehtes, krankes Häufchen Elend von Hund. Die ersten Wochen waren die Hölle (für uns beide). Emil war nicht in der Lage zur Ruhe zu kommen, er ging über Tische und Bänke, Beißhemmung war ein Fremdwort, er akzeptierte keine Grenzen und machte bei jeder Aufregung erst einmal unter sich. Draußen pöbelte er an der Leine alles an, was sich bewegte, und bald zeigte sich der passionierte Jäger in ihm.
Beim Tierarzt waren wir Dauergast, und bald musste ich ja auch wieder arbeiten. Es war nicht daran zu denken, ihn mit ins Büro zu nehmen, und ohne meine Eltern und meine Freunde wäre ich verloren gewesen. Eine Weile war er in einer HuTa, sind da aber wieder rausgeflogen weil Emil dermaßen rüpelig war und so viel Unruhe in die Gruppe brachte...
Wäre die Tierschutzorganisation nicht so unseriös gewesen, ich hätte ihn schon nach den ersten Tagen zurückgegeben. Wer weiß wo er dann gelandet wäre?
Unsere Hundetrainerin, die wir bis heute haben, fand ich zum Glück rasch, und sie hatte am Anfang mehr damit zu tun, mich vom Boden aufzukratzen als mit Emil und mir zu arbeiten ;-). Wir hatten sehr viel Glück mit ihr, denn ich muss wohl nicht sagen wie schnell von all den selbsternannten Hundeexperten Ratschläge kamen a la „der Hund ist dominant“ , „der Hund stellt deine Position infrage“ und so weiter…
Sie hat zunächst mal erkannt, dass Emil höchstens ein Jahr alt war, und vor allem völlig überdreht und überfordert. Und dass er natürlich klare Grenzen braucht, aber vor allem Ruhe lernen muss. Und ich vor allem Geduld und Nachsicht brauche. Aber auch dass es alles andere als einfach werden würde...
Ich würde euch jetzt gern sagen: Heute ist alles super. Das wäre aber gelogen ;-). Tatsache ist immer noch, dass Emil ein Hund ist, der viel Zeit, Ruhe, Struktur und Erfahrung braucht (gefühlt mehr als ich ihm bieten kann). Ich war häufig an dem Punkt, wo ich mich gefragt habe, ob es ihm woanders besser gehen würde. Ob ich das schaffen kann. Ist es egoistisch ihn zu behalten? Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich noch einmal einen richtigen Tiefpunkt. Ich wusste, ich musste jetzt eine endgültige Entscheidung treffen.
Und ich habe mich für ihn entschieden. Mit allen Konsequenzen. Mit dem Wissen, dass er wahrscheinlich nie der problemlose „Traumhund“, der mir einmal vorschwebte, werden wird. Und dass ich ihn nicht in mein Leben pressen kann, sondern mein Leben (zumindest bis zu einem gewissen Punkt) an ihn anpassen muss.
Und ab da wurde vieles besser. Natürlich weiter mit viel Unterstützung, aber das war klar. Und natürlich sind wir weiterhin mit Schleppleine unterwegs. Natürlich ist Emil nicht tiefenentspannt, sondern kann weiterhin von null auf 100 aufdrehen. Natürlich pöbelt er gelegentlich (je nach Tagesform) alles an, was sich bewegt. Genauso wie er alles jagt, vom Pferd bis zur Wespe. Und ich bekomme es immer noch nicht hin, die optimale Balance zwischen Ruhe und insbesondere geistiger Auslastung zu finden weil wir einfach noch so viel an den Basics arbeiten müssen und meine Zeit eben begrenzt ist.
Aber ich sehe eben auch unsere Fortschritte. Er kann sich besser auf mich konzentrieren, zumindest für kleine Zeitspannen. Wenn gerade die Außenreize gering sind, funktioniert der Rückruf, Stop und Umkehrsignal. Zuhause ist er entspannt; er schläft so viel wie ein Hund schlafen soll und er bleibt inzwischen entspannt bis zu vier Stunden allein, auch wenn er das nicht täglich muss…
Ich muss viel organisieren und ihn immer mitdenken, aber er ist nicht mehr wegzudenken aus meinem Alltag. Und auch wenn immer mal Zweifel aufkommen, grundsätzlich bin ich inzwischen überzeugt: Emil geht es gut. Ich mache sicher jede Menge Fehler, aber er ist ein glücklicher Hund. Der nebenbei seit einigen Wochen freitags mit ins Büro geht und der absolute Star unter den Kollegen ist ;-).
Nun ist es ein kleiner Roman geworden, aber ich hoffe mein Bericht ist eine kleine Entscheidungshilfe für alle, die ähnlich naiv wie ich einen Hund aus dem Tierschutz „retten“ möchten. Sucht euch vor allem eine seriöse Organisation, die euch den passenden Hund für eure Lebensumstände vermittelt.
Und gerade, wenn ihr wie ich das alles allein stemmen wollt: Ohne Hilfe geht es nicht. Sowohl professionell als auch im privaten Umfeld.
Ich würde mich freuen, mich hier weiter auszutauschen mit anderen Hundehaltern, die ähnliche Problematiken haben, und sicher werde ich auch in Zukunft mal den einen oder anderen Ratschlag einholen.