So, morgen letzter Urlaubstag und ich habe es tatsächlich geschafft, mal ein bisschen zu lesen.
"Inmitten der Nacht" von Rumaan Alam - ich muss zugeben, dass der Roman mich erstmal aufgrund des hübschen Covers (Hardcover) angelacht hat. Da dann der Inhalt interessant klang, habe ich ihn gekauft. Klappentext:
Amanda und Clay wollen mit ihren beiden Kindern eine unbeschwerte Ferienwoche auf Long Island verbringen. In einem Haus am Ende der Welt, weit weg von allem. Doch mitten in der Nacht steht dort plötzlich ein älteres, schwarzes Ehepaar vor der Tür. Die beiden behaupten, das Haus gehöre ihnen. Sie berichten, dass ganz New York im Dunkeln liege, das Leben an der Ostküste komplett lahmgelegt sei. Hier draußen jedoch, an diesem abgeschiedenen Ort, ohne Internet, Handy- oder Fernsehempfang, wissen Amanda und Clay nicht, was sie davon halten sollen. Können sie den beiden trauen?
Das Szenario startet recht harmlos, aber es entwickelt sich ein fortschreitendes Gefühl der Machtlosigkeit, von dem alle Beteiligten ergriffen sind. Die Katastrophe wird immer nur angedeutet - stellenweise wird es in Nebensätzen recht konkret - , aber man weiß als Leser*in genau so wenig wie die Protagonist*innen, was eigentlich passiert. Der Roman war viel dystopischer als erwartet, aber in keinster Weise brutal oder reißerisch. Hat mich etwas an "Die Straße" (McCarthy) oder "Die Wand" (Haushofer) erinnert - in dem Sinne, dass man keine wirkliche Erklärung für das Geschehen geliefert bekommt. Mich hat etwas die Farblosigkeit und teilweise das unglaubwürdige Handeln der Protagonist*innen gestört. Der Sohn Archie z.B.
leidet an Übelkeit, Bewusstlosigkeit und Zahnausfall und wird nicht von den Eltern ins Krankenhaus gebracht?
Kann auch Absicht des Autors sein, die Beteiligten so handlungsunfähig darzustellen.
Schwierig zu sagen ob ich ihn generell empfehlen würde. Ich denke schon, da er ganz anders war als erwartet, durchaus spannend und mich positiv überrascht hat.
"Die Überlebenden" von Alex Schulman:
Über Hoffnung. Über Versöhnung. Über Leben
Nach zwei Jahrzehnten kehren die Brüder Benjamin, Pierre und Nils zum Ort ihrer Kindheit – ein Holzhaus am See – zurück, um die Asche ihrer Mutter zu verstreuen. Eine Reise durch die raue, unberührte Natur wie auch durch die Zeit. Im Kampf um die Liebe der Mutter, die abweisend und grob, dann wieder beinahe zärtlich war, haben die Jungen sich damals aufgerieben bis zur Erschöpfung. Heute fühlen sie sich so weit voneinander entfernt, dass es kein Aufeinanderzu mehr zu geben scheint. Und doch ist da dieser Rest Hoffnung, den Riss in der Welt zu kitten, wenn sie sich noch einmal gemeinsam in die Vergangenheit vorwagen.
Von diesem Roman habe ich mir komischerweise nicht zu viel versprochen - warum auch immer - und wurde glücklicherweise eines Besseren belehrt, was auch daran liegen kann, dass die Figuren mir alle recht "nah" waren. Tatsächlich habe ich an einer Stelle auch ein Tränchen verdrückt, was mir doch selten passiert.
Die Story spielt in Schweden, hauptsächlich im Sommerhaus der Familie. (Die schwedische Natur wunderschön beschrieben, nebenbei. ) Erzählt wird auf mehreren Handlungsebenen - einmal "Hier und Jetzt",
wobei der Tag bzw. die letzten paar Tage quasi rückwärts erzählt werden,
und einmal die Kindheit (und Jugend) der drei Brüder.
Die Kindheit ist in Einzelepisoden erzählt. Es läuft alles
auf eine konkrete Situation
an diesem Sommerhaus beim Trafo-Häuschen, das eine besondere Faszination auf die Jungs ausübt,
hinaus, die das Leben aller Beteiligten verändert hat. Erzählt wird
eigentlich aus dem Blickwinkel des einen Bruders (Benjamin). Die Eltern -
die dem Alkohol sehr zugetan zu sein scheinen - vernachlässigen die
drei Kinder Benjamin, Pierre und Nils manchmal geradezu. Dennoch haben die drei eine scheinbar glückliche Kindheit,
zumindest bis zu diesem genannten Ereignis. Diese Tragödie wird allerdings nach meiner Empfindung erst im letzten Drittel (?) des Buches so präsent.
Vorher hat man nur das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Eltern erscheinen kalt, die Familie nicht wirklich intakt.
Insgesamt hat mich die Sprache überzeugt, ich habe dem Autor alle Charaktere und die Story absolut geglaubt. An ein, zwei Stellen schlittert es sprachlich vielleicht haarscharf am Kitsch vorbei, aber ich bin da auch sehr empfindlich. Alles in allem ein gutes Buch, finde ich, ein überzeugendes Familiendrama in relativ kleinem (ca. 300 Seiten), sprachlich starkem Format.