TEIL 2
Mit dieser feinen sozialen Interaktion geht auch eine souveräne Führung einher. Und das ist ein weiterer Knackpunkt - wer seine Hund nicht führen kann, dem nützt das ganze Sozialgedöns nichts weil welcher Hund schließt sich freiwillig jemandem an der das Zeug dazu eigentlich gar nicht hat. Ich bin eh so ein kleines Alpha
mir fällt es leicht den Ton anzugeben, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen. Wer das nicht kann hat ein hartes Stück Arbeit vor sich.
Führen heißt aber auch Grenzen stecken, Gefordertes durchsetzen, Konsequenzen folgen lassen wenn der Hund nicht kooperiert. Es ist ein Geben und Nehmen und Platz für irgendwelche Philosophien (alles nur rein positiv o.ä.) ist da nicht.
Authentizität ist wichtig. Wenn ich sauer bin, dann lächle ich das nicht weg. Wenn ich freue, dann lebe ich das aus. Wenn ich einen schlechten Tag habe, dann ist das so. Und wenn mich gerade die unbändige Liebe zu meinen Chaoten überkommt, dann zeige ich das. Hunde sind hochsozial, haben gelernt den Menschen zu lesen und wenn ich versuche etwas anderes auszustrahlen as ich meine, dann geht das in die Hose. Die merken das, sind verunsichert und nehmen mich nicht für voll. Wie sollen sie da gehorsam sein, was haben sie davon?
Meine Hunde und ich hatten vorher schon eine sehr gute, innige Beziehung, aber inzwischen passt ein Blatt Papier mehr dazwischen. Der Gehorsam hat sich enorm verbessert seit wir nicht mehr nach "wenn du xy machst kriegst du Futter" handeln. Das Thema Jagen ist ein gutes Beispiel: Wenn Rehe aufspringen und ich verbiete hinterher zu gehen, dann ist das keine Entscheidung zwischen der Gaudi seines Lebens und dem Futter in meiner Tasche (das gibt es ggf trotzdem, das eine schließt das andere ja nicht aus), bei dem ja ganz klar ist was lohnenswerter für den Hund ist. Sondern es ist eine Entscheidung zwischen dem Wild und mir bzw der Einheit, die der Hund und ich bilden. Und die ist stärker!
Ares diskutiert viel, viel weniger als früher, hört besser, ist auch auf sehr große Entfernungen immer ansprechbar.
Und damit wären wir beim Vertrauensvorschuss und beim Hinterfragen von Regeln und Management - ist das wirklich nötig? Oder deckle ich den Hund, übe Druck aus, beschränke ihn bzw uns unnötig? Außerdem ist Authentizität wieder eine große Sache.
Ich finde zB ganz viele der typischen alltäglichen Regeln die man als guter Hundehalter so aufstellt eigentlich nervig. Nicht durch Türen drängeln, erst nach Freigabe fressen, nicht aufdringlich sein, draußen immer innerhalb einer Nanosekunde reagieren, brav und still neben mir sitzen während ich mich unterhalte. Und nun ratet mal, was meine Hunde nie wirklich brav gemacht haben? Weil ich versucht habe irgendwas anzuerziehen was mir eigentlich nicht wichtig war und das merken die nun ganz genau.
So, nun dürfen die also durch Türen drängeln, mir auf die Pelle rücken, wenn sie dringend müssen fordere ich keine perfekte Leinenführigkeit solange sie es mit dem Ziehen nicht übertreiben, ich gestehe ihnen in eine gewissen Rahmen zu noch schnell fertig zu schnüffeln bevor sie das Kommando befolgen ... aber wenn ich ihnen sage, dass sie vor der Tür sitzen bleiben sollen bis ich ich sie freigebe, dann haben sie das zu tun.
Ich habe ganz viele alltägliche Regeln aufgeweicht weil ganz ehrlich - die meisten waren überhaupt nicht nötig. Das war mein Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit mit dem ich die Hunde teilweise richtig eingemauert habe um blooooß nicht die Kontrolle zu verlieren. Gerade bei Ares, wo ich ja wusste der wird mal sehr groß, sehr stark und sehr selbstbewusst. Aber das war nur in meinem Kopf. Inzwischen gibt es nur noch die nötigsten Regeln, die nötigsten Kommandos (die meiste Zeit des Spaziergangs sage ich überhaupt nichts während ich früher gefühlt jeden Schritt kontrolliert habe, Radiustraining ohne Ende, den Rückruf bis zum Erbrechen geübt, viel einfach aus Prinzip verboten habe weil es könnte ja irgendwie in unkontrollierbaren Hunden enden ...) und oh Wunder - ich bin entspannter, die Hunde sind entspannter, viel kooperativer und es ist nicht die völlige Anarchie ausgebrochen. Die benehmen sich trotzdem super, obwohl es nicht mehr drölfzig Verbote gibt. Diesen Vertrauensvorschuss haben sie nicht missbraucht.
Genauso habe ich die Radiuskontrolle aufgegeben. Wieso soll ich die Hunde auf eine gewisse Meterzahl beschränken wenn sie auch weiter weg noch hören? Das war anfangs ein seltsames Gefühl und ich musste mich überwinden den Hunden diesen Vertrauensvorschuss zu geben. Aber es hat sich gelohnt!
Mit Vertrauensvorschuss ist nicht gemeint den Hund frei laufen zu lassen obwohl er es nicht kann o.ä. - das wär kein Vertrauen sondern dumm. Sowas macht man natürlich nur in einem Rahmen den der Hund auch befolgen kann.
In Lolas Beispiel wäre das zB nicht imme einzugreifen wenn sie mal einen Schritt den Weg verlässt. Sortiert sie sich vielleicht gleich wieder selbstständig zurück, eigentlich kennt sie die Regel ja? Oder nicht so viel Distanzkontrolle an der Schleppleine zu machen. Sie kann doch eh nicht weg. Pendelt sich das nach einer Weile vielleicht von selbst ein wenn sie einfach mal ihr Ding machen kann und nicht ständig korrigiert wird? Wenn nicht, wieso kann sie das nicht? Ist sie zu aufgeregt? Oder wurde sie gerade in ihrer Aufregung gedeckelt, wirkt äußerlich ruhig und ist es aber eigentlich gar nicht und kann deshalb nicht leinenführig sein? Da wäre es dann wichtig sie wirklich runterzutakten. Vor ein paar Tagen schrieb Pueppi.Schlappohr von einem 1,5 stündigen Spaziergang bei dem 30 Minuten für Rumstehen und runterfahren draufgingen. Das ist mMn viel zu lange und ich tippe, dass sich da innerlich eher noch mehr anestaut hat als dass sie wirklich ruhig geworden ist. Effektives, echtes runterfahren dauert nicht so lange.
Okay, jetzt sind die Finger wund und den Roman lesen vermutlich eh nur wenige zu Ende. Ich klinge wahrscheinlich wie eine völlig irre Eso-Tante.
So schwurbelig wie es vielleicht klingt ist es überhaupt nicht, denn unterm Strich kommuniziere ich einfach mit meinen Hunden in einer Art und Weise, die ihrer Natur recht nahe kommt, die sie verstehen und zurückgeben können.
Achtung! Was ich beschreibe wird sauber aufkonditioniert und es gehört viel Fingerspitzengefühl dazu den Hund und seine Erregung damit zu steuern. Also jetzt nicht alle die Hunde in den Arm nehmen und dann wundern wieso der trotzdem nicht besser hört.
Aber wer es mal ausprobieren will: macht ruhig, kaputtmachen könnt ihr nichts. Nehmt den Hund in den Arm, spürt den Herzschlag, entspannt euch und versucht das auf den Hund zu übertragen. Ihr könnt dabei ruhig mit ihm reden - ein Märchen erzählen oder sonstwas. Spürt einfach mal in euch und den Hund rein und guckt, was passiert. Es muss ja nicht in einer kmpletten Umstrukturierung des Alltags ändern, aber allein diese sehr intensive Zeit mit dem Hund dient dazu sich und den Hund besser kennenzulernen und es fördert die Bindung weil es einfach shön ist. Ein bisschen wie meditieren mit Hund.