Beiträge von Duma80

    Mein Hund müsste alterstechnisch zwar schon laaange aus der Glotzphase raus sein, aber er macht das mit dem Gucken leider auch sehr ausdauernd. Bei ihm beginnt das aufmerksame Schauen (jedoch noch völlig ohne Aggression und ohne Anzeichen, lospöbeln zu wollen) schon auf sehr grosse Distanzen (50 - 100 m). Ich habe ihn auch immer fürs Abwenden und Mich-Anschauen bestärkt, aber ich habe den Eindruck, dass ich damit eine Verhaltenskette geschaffen habe: Hund taucht 100 m schräg hinter uns auf - Stehenbleiben und Gucken - Abwenden - Stehenbleiben und Gucken - Abwenden etc. Das würde dann so gehen, bis der Hund nicht mehr sichtbar ist. Da mir das den letzten Nerv rauben würde, lasse ich das nicht zu, sondern habe unterschiedliche Strategien, um damit umzugehen:


    - Ich lasse ihn zwei-, dreimal etwa 2-3 Sek. schauen und bestärke ihn jeweils fürs Abwenden. Dann rufe ich ihn zu mir und wir machen etwas Tolles (z.B. Dummy oder Ball suchen). Das klappt gut, da er immer Feuer und Flamme für Suchaufgaben ist und den anderen Hund dann komplett vergisst. Bis die Aufgabe abgeschlossen ist, ist der Hund meistens verschwunden.


    - Ich belohne ihn wie oben zwei-, dreimal fürs Abwenden und verlange dann für eine kürzere Strecke Fuss mit Blickkontakt oder Handtouch. Klappt auch gut, aber sobald ich ihn freigebe, bleibt er wieder stehen und guckt intensiv. Ich habe ihn auch schon dauerhaft ins Fuss genommen, bis der Hund verschwunden war und Versuche, nach hinten zu gucken, mit strenger Stimme oder Leinenzupfen abgebrochen. Das geht auf so grosse Distanzen auch problemlos, aber wenn ich ihm das Gucken verbiete, hat er definitiv Stress (Ohren ganz zurück, Stressgesicht). Das scheint ihm definitiv keine Sicherheit zu geben und löst das Problem im Grunde ja auch nicht.


    - Vorgehen wie oben (zwei-, dreimal fürs Abwenden bestärken). Wenn er dann wieder stehenbleibt und guckt, fordere ich ihn an langer Schleppleine einfach jedes Mal dazu auf, weiterzugehen (à la: "Der Hund interessiert uns nicht. Wir gehen da lang."). Je nach Tagesform klappt das recht gut und nach ein-, zweimal Stehenbleiben wendet er sich wieder anderen Dingen zu. An manchen Tagen klappt es aber überhaupt nicht. Dann bleibt er x-mal stehen und reagiert auf strengere Aufforderungen wieder mit Meiden/Stress.


    Irgendwie ist keiner dieser Ansätze das Non-plus-ultra. Ich scheine einfach nicht in der Lage zu sein, diesem Hund zu vermitteln, dass andere Hunde Wesen sind, die man einfach neutral betrachten kann. Es kann doch nicht sein, dass ich ihm beim Anblick anderer Hunde quasi Scheuklappen aufsetzen und ihm jedes Gucken in die Richtung eines anderen Hundes komplett verbieten muss?


    Das mit dem Festgucken ist glücklicherweise nicht immer so schlimm, aber in den letzten paar Tagen macht er das wieder sehr extrem und ich bin gerade ziemlich genervt.

    Ich hab hier einen Hund der Angst vor Menschen hat/hatte und das rassetypisch im Zweifel nach vorne loest. Da gibt (bzw. gab) es das ganz klare Verbot (ohne bruellen, anfassen, usw.!). Zusaetzlich zu anderen Dingen, klar. Menschen angehen, geht nicht (ausser in ganz speziellen Situationen). Thema Ende. Und zwar egal aus welcher Motivation heraus!

    Hast du dann zusätzlich ein Alternativverhalten mit ihr trainiert oder bestätigt, wenn sie sich von sich aus richtig verhalten hat?

    Ich habe ja auch einen Hund, der anfangs aus Unsicherheit auf viele verschiedene Auslöser aggressiv reagierte und konnte vieles über kleinschrittiges positives Training lösen. Bei einigen Dingen bin ich mit diesem Ansatz jedoch auch gescheitert. Daher finde ich sowas immer spannend.

    Das CAT-Video habe ich mir auch angeschaut. War interessant, aber ich habe mich gefragt, was man macht, wenn die Motivation des Hundes variiert: Manchmal will er den Auslöser weghaben, manchmal will er, dass er näherkommt und manchmal ist es vielleicht eine Mischung aus beidem. Bei meinem Hund habe ich z. B. oft das Gefühl, dass er selbst nicht weiss, warum er eigentlich ausrastet. Ich glaube, er macht es vor allem, weil das für ihn die beste Möglichkeit ist, mit Aufregung umzugehen.


    Dass man das Training nicht wirklich in den Alltag übertragen kann, ist klar, aber mich hätte es trotzdem interessiert, wie man nach dem CAT-Sessions dann im Alltag weitermacht und das Ganze abwandelt.

    Super, dass ihr euch nochmals Gedanken machen wollt :bindafür:.


    Ich denke, hier geht es niemandem darum, euch grundsätzlich von einem Tierschutzhund abzuraten. Ich bin auch total pro Secondhand-Hund und finde es immer toll, wenn jemand einen Tierheimhund aufnehmen will. Nicht empfehlenswert fände ich in eurem Fall einfach einen Hund, der wirklich direkt aus einem ausländischen Tierheim kommt und den ihr vorher nicht live kennenlernen könnt.


    Wie man an meiner Geschichte sieht, bewahrt einen ein vorgängiges Kennenlernen zwar auch nicht vor Überraschungen, aber den Grundcharakter des ausgewählten Hundes kann dadurch meist eben doch erkennen. Ich wollte z. B. keinesfalls einen typischen Angsthund, der auf ungewohnte Situationen grundsätzlich mit Panik reagiert. Dass mein Hund glücklicherweise nicht in diese Kategorie fällt, war nach ein paar gemeinsamen Spaziergängen für mich dann rasch klar.

    Ich finde es auch gut, dass du dem Tierheimhund in deiner Nähe eine Chance geben willst :gut: . Mit Direktimporten ist es halt immer so eine Sache: Es kann sehr gut gehen, aber auch zu einer totalen Katastrophe werden und man weiss einfach nicht, was einen erwartet.



    Wenn ich die Wahl hätte, mein Leben in nicht so guten Umständen verbringen zu müssen oder nach einer längeren Reise in ein neues, schöneres Leben anzukommen. Da würde mir die Wahl nicht schwer fallen.

    Wenn ein Hund im Tierheim stark leidet, z.B. weil er von anderen Hunden gemobbt/attackiert wird, mit der Unruhe im Tierheim nicht umgehen kann, aus Stress oder Unterforderung Übersprungshandlungen/stereotypisches Verhalten zeigt etc., hast du damit sicher recht. Für solche Hunde "lohnt" sich der lange Transport und ihr neues Leben wird vermutlich eine massive Verbesserung für sie sein. Es gibt aber auch Hunde, die im Tierheim im Grunde ganz gut klarkommen, in der Gruppe mit den anderen Hunden keine Probleme haben und froh sind, dass sie keinen engen Kontakt zu Menschen haben müssen, weil sich vor diesen fürchten. In solchen Fällen kann es halt auch sein, dass man dem Hund keinen Gefallen tut, wenn man ihn in eine fremde Umgebung mit komplett fremden und für ihn potenziell gefährlichen Menschen verfrachtet (auch wenn die neuen Besitzer sehr liebevoll sind und nur das Beste für den Hund wollen). Natürlich gibt es auch sehr viele Zwischenformen davon, also Hunde, bei denen man nicht so klar sagen kann, ob es für sie besser ist, sie im Ursprungsland zu belassen oder sie nach Deutschland zu bringen. Das zeigt sich dann oft erst mit der Zeit.


    Ich habe selber auch einen Direktimport (Spanien) und habe in den ersten Monaten teilweise wirklich mit mir gehadert und daran gezweifelt, ob es richtig war, diesen Hund in die Schweiz zu holen. Ich war zwar selbst in Spanien vor Ort, konnte ihn mehrere Tage lang kennenlernen und Spaziergänge mit ihm unternehmen, aber in seinem neuen Zuhause war er wegen den komplett anderen Lebensumständen ein total anderer Hund. Er zeigte massive Unsicherheit und teilweise Aggression gegenüber meinem Vater, bei dem ich damals vorübergehend lebte, und stand daher drinnen die ganze Zeit total unter Stress. Das hat mich komplett unvorbereitet getroffen, weil er im Tierheim überhaupt nicht so war, sondern sich gegenüber allen Menschen sehr freundlich und offen gezeigt hatte. Draussen war er sehr reaktiv gegenüber vielen verschiedenen Reizen und daher waren die Spaziergänge sowohl für ihn als auch für mich alles andere als erholsam. Mit dem Verhalten draussen hatte ich teilweise gerechnet und konnte damit umgehen, aber die Situation drinnen hat mich oft fast verzweifeln lassen und ich habe mehr als einmal gedacht: "Was habe ich dem armen Hund nur angetan, dass ich ihn hierher gebracht habe."

    Man möchte an dem Problem arbeiten, aber stellt fest das keiner der Methoden wirklich funktioniert und angelt sich von Trainer zu Trainer, jeder mit unterschiedlichen Ansätzen und nichts davon funktioniert. Da kann man auch nichts dafür das man massig Dinge ausprobiert bis man da was findet. Und je länger der Hund pöbelt, je länger dieses Problem besteht umso schwieriger wird es dieses Verhalten bei solchen Hunden abzustellen.

    Ja, genau, den richtigen Trainer zu finden, ist echt schwer. Und es heisst ja auch immer, dass man nicht zu schnell die Flinte ins Korn werfen und in kurzer Zeit nicht x Methoden durchprobieren sollte. Daher bleibt man ja meistens eine Weile bei dem Ansatz, den der Trainer vorgeschlagen hat und merkt manchmal erst Monate (oder in meinem Fall Jahre) später, dass man auf dem Holzweg war.

    Es ist nicht so, dass er andere Hunde prinzipiell hasst. Er lebte im Tierheim in einer Gruppe und war dort total unauffällig. Auch bei seiner Sitterin, die mehrere eigene Hunde und Tageshunde hat, ist er sehr sozial. Auf Spaziergängen lasse ich ihn aber grundsätzlich nie zu fremden Hunden, da er dann zwar nicht beschädigt, aber auch nicht nett ist (würde mobben, kontrollieren, schnappen).


    Ich habe nicht das Gefühl, dass er einfach ein Arsch ist und ihm das Pöbeln an der Leine Spass macht. Es wirkt für mich eher wie eine Art Zwangsverhalten und die einzige Strategie für ihn, seine extreme Aufregung loszuwerden. In der ersten Zeit bei mir hat er dieses Wüten an der Leine auch in vielen anderen Situationen gezeigt (z.B. bei Begegnungen mit Pferden, Schafen, Kühen, Traktoren, gruseligen Menschen, spielenden Kindern, Katzen, Igeln, Motorradhelmen o.ä.). Das hat sich nach und nach mit viel Training gegeben und die meisten dieser Dinge sind heute keine Aufreger mehr (ausser Katzen, Igel und eben andere Hunde). Es ist also nicht depriviert oder so, sondern lernt eigentlich sehr schnell und ist sehr bemüht, alles richtig zu machen.


    Wenn die Distanz zum anderen Hund nicht zu gering ist, funktioniert es gut, wenn ich seine Aufregung auf ein Zerrspielzeug umlenke.

    Zum Teil fordert er das Zerrspielzeug dann auch aktiv ein, guckt mich an, springt und fiept, damit ich es raushole. Danach hält er das Zerrspielzeug ganz fest und zerrt, während wir am Hund vorbeigehen. Er scheint also durchaus etwas anderes machen zu wollen, als zu pöbeln. Bei Distanzen unter 10 m klappt das dann allerdings nicht mehr und er lässt das Spielzeug fallen.


    Dass ich ihn auf zwei Beinen an anderen Hunden vorbeischleifen muss, kommt relativ selten vor (vielleicht zwei-, dreimal pro Monat). Ich fahre oft zum Spazieren in die Pampa und wenn nicht, gehe ich in Gebieten spazieren, die übersichtlich sind und wo ich gut ausweichen kann. Dann ist er relativ unauffällig und wir kommen in grossen Bögen gut an anderen Hunden vorbei. Aber andere Hunde in normalen Abständen zu kreuzen, ist leider ein Ding der Unmöglichkeit und wenn trotz aller Vorsicht mal ein Hund unvermittelt auftaucht, wird er wieder zum Wüterich.


    Ich denke, die einzige Option wäre, ihn über einen Schreckreiz aus seinem Film rauszuholen, ihm seine Pöbelstrategie also konsequent zu verbieten und parallel dazu sehr intensiv positiv ein Alternativverhalten zu trainieren.

    Sehr interessanter Thread! Ich reihe mich mit meinem Pöbler hier auch mal ein :ugly: .


    Das Problem besteht im Grunde seit den ersten Tagen, in denen Herr Hund zu mir kam (mit etwa drei Jahren, aus einem spanischen Tierheim, Erziehung und Sozialisierung gleich null). Ganz am Anfang war er bei Hundebegegnungen vor allem aufgeregt (Fiepen, Zerren, in die Richtung des anderen Hundes springen), aber das hat sich innert wenigen Tagen in Aggression verwandelt (Bellen, Knurren, Toben wie ein Irrer). So richtig das klassische Bild eines Schäferhundes, um den alle einen riesigen Bogen machen :verzweifelt: .


    Ich habe zuerst selbst mit Click für Blick an dem Problem gearbeitet, danach hatte ich viele Einzelstunden bei verschiedenen Trainerinnen. Es waren alles positive Ansätze und die Palette reichte von Zeigen und Benennen, Click für Blick über Geschirrgriff, konditionierter Entspannung bis hin zu Gruppenspaziergängen nach BAT. Komplett fruchtlos war das Training nicht, vor allem die Gruppenspaziergänge haben mir ziemlich geholfen und in einigen Situationen hat sich Hundi nun besser im Griff als vor ein paar Jahren, aber gelöst hat es unser Pöbelproblem trotzdem nicht. Andere Hunde irgendwie positiv oder mit Ruhe verknüpfen = Fehlanzeige (trotz intensivstem Training). Auch heute regen ihn andere Hunde noch immer fürchterlich auf und diese in weniger als 10 m Abstand zu kreuzen führt dazu, dass ich den Wutnickel auf zwei Beinen stehend am Geschirr am anderen Hund vorbeischleifen muss.


    Korrigiert habe ich ihn aus lauter Frust in solchen Situationen natürlich auch schon, aber gebracht hat das rein gar nichts, da er Korrekturen dann kaum wahrnimmt. Um zu ihm durchzudringen, müsste man das schon sehr frühzeitig und sehr massiv machen, wovor ich mich immer gescheut habe.


    Bei meinem ersten Hund (vor etwa 20 Jahren) habe ich sehr viel ausprobiert und bei unerwünschtem Verhalten auch mal ein Sprühhalsband, Discs oder eine Wurfkette benutzt. Das hat zu Beginn immer toll funktioniert und meine Hündin hat das Fehlverhalten nach zwei, drei Korrekturen gar nicht mehr gezeigt. Irgendwann versuchte sie es dann aber doch wieder und dann scheiterte das Ganze wohl bei mir beim Timing oder der Intensität und sie nahm die Korrektur von da an nicht mehr ernst. Dass es nicht mehr funktionierte, lag sicher auch daran, dass ich es versäumt habe, mit ihr ein wirklich sicheres Alternativverhalten zu trainieren, aber nichtsdestotrotz finde ich es extrem schwierig, bei Korrekturen das richtige Timing und die richtige Intensität zu finden. Daher habe ich mich bei meinem jetzigen Hund noch nicht daran herangewagt.