Beiträge von Wandelroeschen

    Hier eine gute Beschreibung für Lagotto Romagnolo:

    https://www.easy-dogs.net/lagotto/

    Was gefällt Dir daran? Da erkenne ich die Lagotti, die ich kenne (inklusive meinen eigenen) in gar keiner Weise wieder.

    Keine Ahnung, wo die da irgendwo einen Arbeitshund (hoch anspruchsvoll? Echt jetzt?) sehen. Ich kenn die wirklich nur als Begleithunde mit mehr oder weniger gutem Nervenkostüm. Mit echten Gebrauchshunden haben die mal so gar nichts zu tun.

    Zumal der Rasse spektakulär erfolgreiches Marketing zur Image- und Verkaufspflege sehr geholfen hat, welchem die Autorin des Artikels offensichtlich auch aufgessessen ist.

    Der Lagotto eine 'alte Rasse'? Keinesfalls. Steht sogar so in den Ausführungen zur Rasse in der FCI. Die Rasse wird als Wasserhund geführt, soll aber Spezialist im Trüffelsuchen gewesen sein? Provisorisch anerkannt wurde die Rasse gerade mal 1995 (ein Jahr vor dem Australian Shepherd, welcher nach wie vor als 'junge' Rasse gilt) und definitiv dann erst 2005... Man muss nicht wahnsinnig gut zwischen den Zeilen lesen können, damit man merkt, dass da einfach einer den Hund seiner Jugend mal eben frei erfunden wiederentdeckt hat:

    Towards the mid 1970s a group of Romagna-based dog lovers decided to save the breed, which was risking extinction as a result of the incompetence, ignorance and negligence of owners: The group was led by the gentlemanly Quintino Toschi, President of the local dog society and the E.N.C.I. breeder and judge Prof. Francesco Ballotta (who still remembered the Lagotti of his youth perfectly). They were supported by dog expert, judge and world-famous breeder Dr. Antonio Morsiani and Lodovico Babini, a Romagna-born dog lover with extensive experience. They were to set a genetic reconstruction programme in motion that would save the Lagotto from the one-way tunnel to extinction.

    Dazu passt auch, dass der Lagotto im Standardwerk Räbers erst gar nicht auftaucht, obwohl der für seine Zeit ja wirklich sehr umfassend ist (und der Aussie z.B. durchaus erwähnt wird).

    Wer weiss, wie und mit welchem Typ Hund in Frankreich und Italien wirklich professionell Trüffel gesucht werden, der kommt nicht als erstes auf den Lagotto (und auch nicht als zweites). Natürlich können Lagotti im Allgemeinen - wie übrigens jeder andere Hund auch - einen Trüffel finden, die Sucharbeit oder überhaupt sonst irgendeine besondere Spezialeigenschaft wurde ihnen als Rasse nun aber wahrlich nicht in die Wiege gelegt.

    Ehrlich wäre also eher:

    Der Lagotto ist eine ziemlich junge, ziemlich ingezüchtete Rasse ohne klare Selektion ausser vielleicht als Begleit- und Showhund, aber mit einer wirklich überzeugend klingenden Ursprungsmythologie, welche die Kassen klingeln lässt.

    Im Idealfall sind das tolle und relativ anspruchslose Hunde (nicht von mir, sondern aus dem Standard, wo die Rasse - wie sowieso immer - als eierlegende Wollmilchsau beschrieben wird als "The Lagotto is tractable, undemanding, keen, affectionate, very attached to his owner and easy to train. He is also a very good companion and an excellent watchdog.") Weniger quirlig und versatil als ein Pudel, aber in ähnlicher, angesagter Lockenoptik, ruhiger und stämmiger. Beschäftigung und Sport ohne grössere Ambition ist definitiv möglich, aber kein Muss. Im schlechtesten Fall sind es Nervenbündel (entweder scheu, unverträglich und / oder bissig), was allerdings sicher nicht der grossartigen Arbeitseigenschaften geschuldet ist, sondern einfach einer schlechten Zucht.

    Bei Lagottos sind Trüffel zwar stets in aller Munde, vergleichsweise aber gar nicht so oft dann wirklich real auf dem Teller...

    Wandelroeschen : So, wie ich es bei meinem Autohüterich erlebt und bei anderen Not-BCs gesehen habe, geht es den Hunden um die Hütesequenz, also Fixieren, Loslaufen, Kontrollieren, deswegen funktionierte ja auch der Leckerliregen bei Radsichtung mit der Trainerin nicht.

    Natürlich funktioniert das nicht. Genau deswegen muss das (also die Ansprechbarkeit bzw. das 'Belohntwerden' / Umlenken) ja zunächst in reizarmer Umgebung über klassische Konditionierung auftrainiert werden.

    Das ist die Belohnung, und die habe ich bei meinem Schwarzi auch unter kein Kommando gestellt, da reichte ein unartikuliertes, aber immer gleiches "Juuuh!", und der Kopf ging rum.

    Kann man machen, find ich aber heikel. Handle ich nach dem Grundsatz: Verhalten, das sich lohnt, wird öfter gezeigt, ist das als langfristiger Management- und Trainingsansatz viel zu kurz gedacht, bzw. da läge noch sehr viel mehr drin. Das, was Du beschreibst, ist ein Notanker (und als solcher, solange er funktioniert und hilft, Schlimmeres zu vermeiden, absolut legitim). Training als solches ist es nicht. Es ist Management.

    Das, was ich meine, ist eine aufkonditionierte Umlenkung / Umorientierung, die, idealerweise, in einem Hund resultiert, der sich auf den Reiz hin 'automatisch' zu mir hinwendet.

    Ich belohne den Hund nicht dafür, dass er aufs Fahrrad reagiert, sondern dafür, dass er sich umlenken lässt. Ein kleiner, trainingstechnisch wichtiger Unterschied: das eine ist reines Management und der Lerneffekt, so wie ich ihn möchte, eher gering. Das andere ist tatsächlich der Versuch, eine nachhaltige und langfristige Verhaltensänderung beim Hund herzustellen.

    Gerade bei hochsensiblen Hundetypen mit fehlgeleitetem Hüteverhalten, die dazu bestenfalls noch zu blitzschnellen Verhaltensketten neigen, wäre ich äusserst vorsichtig, den Hund über den triggernden Reiz an sich zu belohnen. Ich glaube Dir gern, dass das bei Deinem Hund funktioniert hat - und das mag es durchaus auch bei anderen Hunden tun - die Chance, dass sich ein Hund dann aber plötzlich auch an anderen, ähnlichen Reizen ausprobiert, weil das Verhalten auf den Reiz selbst ja belohnt wurde und wird, ist sehr hoch. Und das würde ich niemandem raten, weil er unter Umständen dann das Problem (wortwörtlich) noch verstärkt hat und der Hund dann nochmals schwieriger zu trainieren ist.

    Das Vorgehen ist lernpsychologisch im Kern dasselbe, wie Besitzer, die herausfinden, dass ihr Hund auf den Ruf 'Willst Du einen Keks?' sehr viel besser abrufbar ist als 'Fido, hier!' Irgendwann rufen die dann nur noch 'Keks!' und die Hunde sind dadurch immerhin leidlich abrufbar (vorausgesetzt, die Alternative ist nicht allzu verlockend und der 'Keks!'-Ruf wurde noch nicht allzu sehr abgenutzt. Sauber klassisch aufkonditioniert im Sinne der Lerntheorie wurde da nämlich nichts, sondern dem Hund über Wiederholung nur zu verstehen gegeben, dass heute Kekse zu erhalten sind). Ich selbst möchte aber - um in diesem Bild zu bleiben - einen Hund, der eben auch auf den Rückruf zu mir kommt. Dann hab ich im absoluten Notfall nämlich schon zwei Möglichkeiten, den Hund zu mir zu holen, nämlich einmal den Abruf und - falls der doch irgendwie versagen sollte - 'Keks!' Das ist im Notfall Gold wert.

    Ganz ehrlich? Unter diesen Voraussetzungen wäre mir alles, was der Hund als Ablenkung und Belohnung akzeptiert, recht. Mein oberstes Ziel ist es, solche Hunde möglichst jederzeit kontrollierbar zu halten, das gilt auch bei 'Ersatzdrogen'. Wenns damit klappt, wieso nicht? Den Ball kann ich nämlich kontrollieren und dosieren und ich kann dafür sorgen, dass der Hund nicht hirnlos wird und sich die Gelenke schrottet.

    Du machst das schon ganz richtig. Auch die Idee mit dem Weglaufen. Setz noch ein Kommando davor und die Umlenkung zu Dir steht sogar bald unter Signalkontrolle (so dass Du irgendwann gar nicht mehr rennen musst und den Hund rein übers Kommando auf Dich fokussiert kriegst).

    Was die Rückschritte und die Idee 'ich fang' wieder bei Null an, wenns einmal nicht klappt': das ist Panikmache. Klar, ideal ist es nicht, aber erstens verlaufen Lernkurven nicht linear (auch für Dich nicht) und zweitens hängt Vieles halt im realen Leben auch von der Tagesverfassung und manchen dummen Zufällen ab. Wichtig ist, dass die Belohnungs- bzw. Erfolgshistorie die Misserfolgsquote soweit übertrifft, dass ein Lernen und eine Verhaltensänderung tatsächlich eintreten kann. Tu also halt Dein Möglichstes, aus dem Vorfall zu lernen, leg Dir einen Schlachtplan zurecht um die Situation in Zukunft zu kontrollieren, versuche Unvorhersehbares und unerwünschtes Verhalten des Hundes zu vermeiden, aber mach Dir keinen Kopf, wenns einmal nicht klappt. Sorge jedoch nach so einem Vorfall dafür, dass der Hund erstens genügend Gelegenheit erhält, sich zu erholen (mach z.B. zwei oder drei Tage nur Programm auf Sparflamme und achte Stressfreiheit) und stelle zweitens sicher, dass der Hund nun zuverlässig eine ganze Reihe Erfolge feiern kann und das unerwünschte Verhalten nicht mehr zeigen muss.

    Hallo Mully

    Ich wollte Dich mit meinem Beitrag auf keinen Fall entmutigen. Ich fände es aber unfair, Dir Hoffnungen zu machen, die möglicherweise nicht erfüllt werden können.

    Wenn der Hund bereits Futter aus der Hand nimmt und den Futterdummy apportiert ist das sicher ein toller Anfang. Wichtig wäre, dass Du mehrere Möglichkeiten zur Belohnung und Ablenkung zur Verfügung hast, auf die Du in Ernstfällen zurückgreifen und anhand derer Du die schwierigen Situationen überbrücken kannst. Dafür müssen alle diese Dinge jedoch zuverlässig in jeder Situation angenommen werden. Die gute Nachricht ist aber, wie gesagt, dass sich das trainieren lässt. Ist aber eine Fleissarbeit.

    Ich würde gern vorher handeln, aber ich weiß nicht wie. Sobald sie ein Fahrrad sieht, kann ich nur noch Schaden vermeiden.
    Manchmal drehe ich sofort um und laufe mit ihr weg, bevor sie das sieht, aber leider sind die schneller als ich.
    Ich laufe schon vor allem im matschigen Wald wo meine Knöchel im Schlamm versinken, aber dahin müssen wir auch kommen.

    Vielleicht sollte ich ein Katzenklo kaufen und Gassi wirklich nur noch im Bürogebäude oder in die Einkaufspassage gehen. Da parke ich in der Tiefgarage und wir sind nur drinnen. Da ist alles gut.
    Viele in USA würden es so machen :face_with_rolling_eyes:

    Damit das Training fruchtet, musst Du Situationen schaffen, in denen Du gezielt üben kannst und möglichst vermeiden, dass Du überrascht wirst. Eine Ernstsituation ist kein Training, sondern ein Test fürs Training. Genau deshalb ist es so wichtig, dass Du den Hund zuverlässig umlenken kannst bevor er eskaliert und unkontrollierbar wird.

    Hast Du selbst ein Fahrrad? Oder jemanden, der Fahrrad fährt? Dann übe damit und zwar so, dass das Erregungslevel Deines Hundes so tief ist, dass er keinerlei Anzeichen von Stress zeigen muss. Dein Ziel ist (relative) Entspannung in Anwesenheit des Triggers, also vermittelt jede Art von Stress genau das Gegenteil davon, was Du erreichen willst.

    Die Idee, den Hund ins Auto zu laden und da mit ihm Gassi zu gehen, wo er es gut aushält, ist nicht schlecht. Wenn 'nur' die Geräusche das Problem sind, würde ich mir überlegen, ob ein Gehörschutz eine Variante wäre. Eine sehr einfache Lösung könnte aber auch sein, das Autoradio laut aufzudrehen oder mit Geräuschen (White Noise, monotoner Flugzeug- oder Maschinenlärm etc.) zu arbeiten. Das kannst Du auch ziemlich einfach und auf leiser Stufe zuhause aufbauen.

    Ist die Sicht ebenfalls ein Thema, würde ich ausprobieren, ob der Hund eine abgedeckte Box toleriert. Möglicherweise hilft es ihm sogar auch mit seiner Geräuschproblematik. Im Sommer wird die Luftzirkulation bei einer abgedeckten Box schnell zum Problem, jetzt im Winter sollte das allerdings kein Problem sein.

    Wandelroeschen du meinst eigentlich nicht mich

    Entschuldige bitte. Du hast natürlich recht.

    Die einen: Sofort Belohnen, wenn sie sich dir zuwendet.
    Die anderen: Nein! Sie denkt du belohnst sie, weil sie das Fahrrad verjagt hat!

    Beides nicht meine Herangehensweise. Wenn Du reagierst anstatt zu agieren und vor der kritischen Situation zu handeln, bist Du zu spät. Dann kannst Du eigentlich tun und lassen, was Du willst - trainingstechnisch gesehen bringt das eher wenig.

    Willst Du die Situation kontrollieren, handelst Du vorher.

    Hallo Dornenrose

    Auch von mir ein grosses Wow dafür, was ihr alles schon geschafft habt. Das ist richtig toll und spricht sehr für Dich. Ich habe keine Zweifel daran, dass Euch Eure gute Zusammenarbeit und das Zusammenwachsen auch in der Zukunft noch helfen wird.

    Es ist allerdings kein Wunder, dass es ausgerechnet bei dieser letzten, 'grössten' Baustelle noch hapert.


    Ihre Tage bestanden darin, am Gartenzaun Autos zu jagen. Hin und her, den ganzen Tag. Die Leute dachten, das sei gut, da sie ja Bewegung und Frischluft hatte.
    Sie musste von diese Familie dann sehr schnell weg, weil sie startete, über den Zaun zu klettern und nur noch in die Waschküche gesperrt werden musste.

    Vielleicht bist Du Dir dessen bereits bewusst, der Vollständigkeit halber möchte ich das Problem, welches diese 'Aufzucht' - gerade bei einem Koppelgebrauchshund - mit sich bringt, trotzdem kurz erläutern:

    Diese Art von Hund - und gerade Border Collies in Extremform - besitzt in der Jugend eine Art Zeitfenster, in der sie lernt, was 'hütbar' ist und was nicht. Die genetische Veranlagung zu hüten wurde bereits vorgeburtlich angelegt. Was allerdings als hütbares Objekt identifiziert wird, hat stark damit zu tun, welchen Reizen der Hund zwischen ungefähr 6-14 Monaten ausgesetzt wird. Mit spätestens 2.5 - 3 Jahren wird im Hirn dann fest verankert, was gehütet werden kann und was nicht. Mit anderen Worten: das biologisch vorgegebene Zeitfenster schliesst sich, währenddessen der Hund lernen kann, was ihm die immens selbstbelohnende Hormonausschüttung beschert, die zu suchen er genetisch vorprogrammiert ist.

    Konkret: wenn ein Border Collie in diesem Zeitraum gelernt hat, dass es Schafe, Kühe, Gänse, etc. sind, wo man diesen 'Trieb' ausleben kann, sind das schon einmal keine schlechten Voraussetzungen dafür, dass dieser Hund der Aufgabe, für die er ursprünglich gezüchtet wurde, nachgehen werden kann.

    Hat ein Hund diese Möglichkeit allerdings nicht erhalten und wurde ihm auch kein anderes, in unserer Gesellschaft akzeptables Objekt zur Kanalisierung seiner Veranlagung geboten (Bälle, Zergel, etc.), wird er sich unweigerlich selbst ein Ventil dafür suchen. Beliebt - und prädestiniert - dafür ist jegliches Objekt, das sich bewegt. Je schneller und erratischer dieser Bewegungsreiz ist, desto besser: Beine, flatternde Hosen, Kinder, Fahrräder, Motorräder, Schatten etc. - oder eben, auch sehr beliebt, Autos.

    Das Problem: Dein Hund wird in diesen für die Hirnentwicklung kritischen Jahren und der stetigen Beschäftigung mit diesem Reiz als auch der dauerhaften dadurch erfahrenen Selbstbelohnung eine dermassen starke Verknüpfung in seinem Hirn etabliert haben, dass - ich formulier das jetzt etwas böse - ein bisschen Gegenkonditionierung (egal ob da über Belohnung oder Bestrafung gearbeitet wird) da nur begrenzt wirken kann.

    Das bedeutet also, dass Du diese Reizaffinität wohl kaum jemals 'vollständig' auflösen und durch Erziehung beseitigen kannst. Da Du aber durchaus zu wissen scheinst, was Du da tust und bereits viel Erfahrung mitbringst - und mit diesem bestimmten Hund in sehr kurzer Zeit bereits viel erreicht hast - bin ich zuversichtlich, dass es Dir gelingen kann, den Hund bei Fahrrädern und Autos zumindest in Deiner Anwesenheit und unter Deiner Führung kontrollierbar zu machen. Ich würde mich realistischerweise allerdings verabschieden vom Gedanken, dass das Problem 'per se' jemals vollständig gelöst werden kann.

    Mein Ansatz bei solchen Hunden ist folgender: ich fahre mehrgleisig und baue mir so viele 'Hilfsanker' für die Notsituation ein, wie irgend möglich:

    1) Einerseits baue ich eine so starke klassische Konditionierung auf, dass ich ihn in möglichst jedem Moment aus 'dem Tunnel' holen kann. Meine Wahl ist da jeweils ein Clicker. Ich beginne in absolut ruhiger, stressfreier Umgebung und bau mir eine so starke Belohnungshistorie auf, dass der Hund sich irgendwann auch in stärkerer und zuletzt extrem starker Umgebung umlenken und belohnen lässt. Deshalb will ich

    2) den Hund auf verschiedene Arten belohnen können. Dass ein Hund z.B. Futter nimmt oder auf einen Ball anspricht, lässt sich trainieren. Klingt komisch, ist aber unverzichtbar: ich kann einen Hund auch darauf trainieren, in jeder Situation verschiedene Arten von Belohnungen anzunehmen (z.B. Futter aus der Hand zu nehmen, der Futterhand zu folgen, gestreutes Futter auf dem Boden zu suchen und aufzunehmen, mit Spielzeug zu zergeln, Spielzeug als Schnuller zu benutzen etc.)

    3) Der Hund wird so geführt, dass er weder für mich, noch für andere oder sich selbst eine Gefahr darstellt. Das bedeutet eben auch, dass ich ihn nicht zu 'Trainingszwecken' durch die halbe Stadt schleife und jeden Tag an den Rand (oder über) seine mentalen Kapazitäten bringe, sondern extrem dosiert an seinem (und meinem!) Stresslevel arbeite.

    4) Ich bringe dem Hund bei, alleine zu sein und diese Phasen zu nutzen, total zu entspannen und zu schlafen. Das gibt mir die Möglichkeit, meinen eigenen Kopf frei zu machen und meinen eigenen Dingen nachzugehen. Dem Hund ermöglicht es, das Gelernte zu verarbeiten und sich zu erholen.

    5) Ich suche nach einzelnen Triggern, also Auslösern für den Hund und exponiere ihn (aber erst nach wirklich 100% zuverlässiger Konditionierung wie beschrieben in Schritt 1) und 2)) ganz langsam und niederschwellig einzelnen Elementen. Ich spiele Autogeräusche ab, stelle mich 500 Meter entfernt an eine Strasse, etc. Das aber so dosiert, dass der Hund sich noch jederzeit kontrollieren lässt. Dabei geht es eben nicht darum, dass der Hund irgendetwas 'aushält' - dann ist das Erregungslevel schon viel zu hoch, sondern dass er mit dem ihm präsentierten Reiz bereits möglichst unaufgeregt umgehen kann.

    Dazu kommen noch einige andere Bausteine, die ich jetzt aber nicht auch noch ausführen will.

    Weshalb ich gerade dabei möglichst über positive Verstärkung arbeite? Weil mein Umlenken des Hundes in der 'unkontrollierbaren Situation' derjenigen Emotion, die der Hund dadurch sucht, möglichst nah kommen soll. Der Hund holt sich durch sein Verhalten einen Kick: wenn ich diesen durch Strafe einfach nur unterdrücke, erzeugt das Frust. Wenn ich diesen aber zumindest ein wenig abfangen kann und einerseits das (von mir) unerwünschte Verhalten verhindern und ihm zweitens aber einen alternativen (wenn - ehrlicherweise natürlich auch sehr viel geringeren) Kick bieten kann, komme ich sehr viel schneller sehr viel weiter.

    Der Hund ist viel eher bereit, mir zu folgen und sich auf mich und meine Vorschläge einzulassen, als wenn ich nur über Strafe arbeite. Abgesehen müsste man bei derartigen Hunden so starke Strafreize setzen, dass das weder mit meiner ethischen Grundhaltung noch mit dem Tierschutzgesetz in irgendeiner Weise vereinbar wäre. Dazu ist es fraglich, ob bei einem so stark fixierten Verhalten Strafreize überhaupt in irgend einer Weise nachhaltig wären.

    Belohnungen kann ich, solange ich eine solide Belohnungshistorie aufrechterhalte, immer niederschwelliger gestalten - so kann ich nach genügend (funktionierendem) Training einen Hund auch mal durchaus ohne alle Hilfsmittel aus einer Notfallsituation bringen. Und genau dafür trainiere ich ja.

    Bei strafbasiertem Training funktioniert das genau umgekehrt: der Strafreiz muss immer stärker werden um zu wirken, falls das unerwünschte Verhalten wieder auftritt. Die Eskalationskurve steigt nach oben anstatt nach unten - was den Stresslevel für alle noch zusätzlich erhöht. Ich arbeite ja aber genau auf das Gegenteil hin: ich will nicht dauerhaft unter Strom stehen, sondern langfristig eben zu Entspannung kommen.

    Dauerkläffen, Anspringen auf jeden Bewegungsreiz (eingebildet oder real), sinnloses Umherwandern, Hecheln, miteinander 'spielen', scharren und graben, fiepen, rennen, generelle Unruhe, gesteigerter Aberglaube (im Sinne von dies oder das löst den triggernden Reiz nochmals aus), Angespanntheit, Stressgesicht... Das sind so die Verhaltensweisen, die meine dann gerne an den Tag legen.

    Charakteristisch dabei sind stets die fehlende Ruhe und 'Freude' während der Handlng. Typisch ist auch die Ernsthaftigkeit, ja fast Obsession im Verhalten, die viel Verzweiflung erkennen lässt.

    Danke für die Ausführung, walkman. Deine Unterscheidung zwischen Wesen und Nervenstärke - insbesondere in einer erhöhten Reizlage, verstehe ich aber immer noch nicht. Das Wesen beschreibt doch den einzelnen Hund als Individuum als Ganzes und setzt sich unter vielen anderen Komponenten auch aus der Nervenstärke - egal in welcher Form der Erregung zusammen?

    Diese Quelle hier setzt Charakter und Wesen sogar gleich: https://www.schaeferhunde.de/der-deutsche-s…urteilung-panel

    Natürlich zeigten sich z.B. mein Jagdterrier und meine Border - um vielleicht Extrembeispiele zu nennen - z.T. von einer völlig anderen Seite, wenn sie auf der Jagd oder eben am Vieh arbeiteten, aber das gehörte eben auch zu ihrem Wesen. Auch wenn dieser Anteil im Alltag oder bei einer anderen, vielleicht eher weniger rassetypischen Aufgabe so kaum oder gar nicht sichtbar wurde.

    Mir ist die Trennung und folglich auch die Definition von Wesen vs Nerven immer noch unklar. Worauf gründet sie sich? Oder ist das einfach eine persönliche Neudefinition?

    Wesenfest bedeutet für mich, dass der Hund außerhalb einer Reizlage berechenbar und ausgeglichen ist.

    [...]


    Ein wesensfester Hund kann schlechte Nerven haben.

    Wieso beschränkst Du Deine Definition auf 'ausserhalb einer Reizlage'? Gerade da - also in einer Reizlage - zeigt sich doch, ob ein Hund seinem Charakter und seiner (gewollt oder ungewollt angezüchteten) Genetik gemäss berechenbar und 'sauber' bleiben, seine angedachte Aufgabe bewältigen sowie einen klaren Kopf bewahren kann?


    Den zweiten von mir zitierten Satz verstehe ich nicht. Wie meinst Du das?