Jedenfalls hat mich das ganze soooo sehr geärgert. Dass ich nicht aufgepasst habe, zu unbedarft war. Und hab jetzt das Gefühl, wir wurden um Jahre zurück geworfen, weil das Training im A... ist und der Adrenalinrausch ihn wieder zum Vollblutjäger gemacht hat.
Shit happens. Auch dem besten Trainer. Es ist eines der grössten Ammenmärchen, dass man nach einem Rückschlag 'wieder von vorne' anfangen muss. Lernkurven - für Mensch und Hund - sind kleine Biester, die nur in der Tendenz stets nach oben zeigen sollen, aber eben auch von Niederlagen und 'Fehlern' gespickt sind. Solange die Erfolge überwiegen und im Gesamtbild innerhalb des gesetzten Rahmens deutliche Verbesserungen im Training sichtbar sind, bist Du auf dem richtigen Weg. Mach Dich deswegen nicht fertig, sondern nutze diese Energie, die der Vorfall in Dir ausgelöst hat, um etwas Positives zu bewirken.
Es ist viel produktiver und gesünder, aus seinen Fehlern zu lernen und dann in die Zukunft zu schauen, anstatt in der Vergangenheit zu verweilen und dem nachzutrauern, was falsch gelaufen ist.
Ja, Dein Hund hat bestimmt einen Kick aus dem Hetzen des Rehs gekriegt, aber er hat auch auf Deinen Abruf gehört, ist innert nützlicher Frist trotzdem wiedergekommen und Du warst bei genug Bewusstsein, den sorgfältig aufgebauten Rückruf nicht sinnlos zu wiederholen.
Ein Vollblutjäger ist Dein Hund bereits und wird es immer bleiben. Du kannst so viel Training in das Tier stecken, wie Du willst: diesen Zug, der zu seiner Persönlichkeit, zu seiner Art gehört, wirst Du nicht verändern können. Aber Du wirst - mit viel Training an seiner Impulskontrolle - zu einem bestimmten Mass ändern können, wie er sich bei gewissen Reizen verhält.
Und wie gehe ich nach so einer Sache, auch wenn die hoffentlich nie wieder vorkommt, mir dem zurück kommenden Hund um? Oft lese ich: Hund hat Anpfiff seines Lebens bekommen oder es wurde ihm klar gesagt, wie man das findet o.ä. (siehe Massai oben)
Aber WIE macht ihr das dann? Er brauchte ja paar Sekunden um wieder zu mir zu kommen, schrei ich ihn dann an oder was? Weiß er das überhaupt zuzuordnen?
Ich hab ihn einfach nur wortlos angeleint.
Obwohl eine Trainerin mal meinte: trotzdem immer loben, damit er weiß jedes zurück kommen lohnt sich.
Bin da total ohne Plan gewesen.
Schau, Dein Hund folgt in diesem Moment einfach seinem Impuls. Der macht (in seinen Augen) nichts falsch. Das Problem hat in dieser Situation also nicht Dein Hund. Das Problem hast Du.
Du - und Du alleine - willst, dass Dein Hund nicht jagt. Also liegt es in Deiner Verantwortung, genau dafür zu sorgen, dass er es nicht tut. Wütend auf den Hund zu sein, weil Du das Reh in dieser Situation nicht davor bewahren konntest, von Deinem Hund gehetzt zu werden, ist zwar menschlich, wirft auf Dich als Trainer aber kein besonders gutes Licht. Das zeigt nur, dass Du (noch) nicht begriffen hast, dass es Deine Aufgabe ist, die Umwelt vor Deinem Hund zu schützen.
Wenn Du also wütend bist und jemandem 'eine ballern' oder ihm 'den Anpfiff seines Lebens' verpassen möchtest, tu das. Leb Dich aus. Aber nicht am Hund, sondern an Dir selber. Dein Hund hat nur das getan, wozu er die Möglichkeit hatte. Er hat nie darum gebeten, in irgendeiner Art und Weise erzogen oder vom Jagen abgehalten zu werden. Das ist einzig und allein Dein menschliches Problem. Aus menschlicher Perspektive ist Dein Trainingswunsch natürlich richtig und wichtig, aber Dein Hund kann nicht nachvollziehen - und wird das niemals können - weshalb er nicht jagen soll. Als einigermassen fähiger Trainer kannst Du ihm aber beibringen (zumindest unter gewissen Umständen) so, wie Du es Dir wünschst, auf jagdbare Reize zu reagieren.
Sein Feedback an Dich ist gnadenlos und ehrlich. Das kann man als Besitzer, als Trainer, nun annehmen (und nein, das ist sicher nicht angenehm) und daraus für die Zukunft versuchen zu lernen oder man weist die Verantwortung weit von sich, schiebt seinem Hund die Schuld fürs menschliche Versagen und das Ausleben seines völlig natürlichen, arttypischen und persönlichkeitsdefinierenden Verhaltens in die Schuhe und lässt die eigene Wut, Trauer und Enttäuschung an ihm aus.
Es ist völlig Dir überlassen, welche Art von Hundeführer Du sein willst. Aber lerntheoretisch gesehen ist völlig klar, welche Vorgehensweise Sinn macht und welche einfach nur ebenso impulsgesteuert, undidaktisch und unreflektiert ist wie die Jagdaktion des Hundes.