Ich hab auch just nach meinem Post gedacht, dass es eigentlich zwei sehr getrennte Themen sind.
A) wie kommen die Gebrauchs-/Arbeitsrassen aus einem genetischen Minipool raus
B) wie sieht die Zukunft der Hundezucht aus, wenn viele Rassen kaum noch gebraucht werden
A) Gebrauchs- und Arbeitsrassen sind witzigerweise nicht diejenigen, welche da die grössten Probleme hätten. Wann auch immer ein Tier zu einer gewissen (mehr oder weniger messbaren) körperlichen Leistung herangezogen wird, achten Züchter schon darauf, dass diese Leistung auch erbracht werden kann. Wenn Du Zuchten anschaust, die auf Leistung selektieren, wirst Du da zwar beide Extreme in Bezug auf Inzucht und Outcross finden, aber in den allermeisten Fällen findest Du - möglicherweise genau deshalb - in diesem Bereich eine einigermassen stabile und im Hinblick auf die genetische Vielfalt eher weniger gefährdete Population. Leuten, denen es in erster Linie wirklich um (messbare) Leistung geht, kümmern sich meist weniger um einen Fleck am falschen Ort oder nicht perfekt stehende Ohren. Oft sind genau da die Zuchtbücher auch entweder ganz geöffnet oder man findet andere Mittel und Wege, als 'gut' bewertete, aber nicht zwingend 'reinrassige' Tiere in die Zucht aufzunehmen.
Das eigentliche Problem findet man bei denjenigen Tieren, die keine (messbaren) Kriterien mehr erfüllen müssen, damit sie in die Zucht dürfen. Liebhaber-, Familien- und Begleithunde sind also diejenigen Rassen, welche die geringste genetische Vielfalt aufweisen. Da kann man noch so mit der ellenlangen Ursprungsgeschichte wedeln und wunderschöne Geschichten zum eigentlichen Einsatzgebiet dieser Hunde erzählen: es ändert nichts daran, dass die allergrösste Mehrheit dieser Tiere jetzt eben 'einfach' als Haustiere gehalten werden. Wer nur noch auf einer Show möglichst spektakulär seinen ins Extreme verzüchteten Körper herzeigen muss, bringt - im biologischen Sinn - eben keine wirklich messbare Leistung.
Anstatt die Haustierhaltung aber nun einfach zu verteufeln - was einige hier im Forum gerne tun - finde ich, sollten stattdessen klare Kriterien aufgestellt werden, was von einem nachhaltig und dem Tierwohl entsprechend gezüchteten Hund, der später selber auch 'guten' Nachwuchs produzieren soll, erwartet werden kann. So stünde für mich z.B. die Gesundheit (inklusiver der Erhaltung der genetischen Vielfalt) und das Wesen (neugierig, freundlich, resilient, hohe Reizschwelle, sehr hohe Tendenz zu Fiddle / Freeze und möglichst keine Fight-Neigung bei Konflikten, sehr hohe Beisshemmung) im Vordergrund.
B) Nun, auch das hat unweigerlich mit dem Kulturwandel zu tun. Anstatt dagegen anzukämpfen setze ich mich kontroverserweise ja dafür ein, diejenigen Hunde zu züchten, welche eine Gesellschaft sucht und will. Anstatt also z.B. Doodles und weitere Modekreuzungen zu verteufeln, sollte man sich meiner Meinung nach besser dazu Gedanken zu machen, welche Rassen denn den Ansprüchen, welche die Leute heute an ihre Haustiere haben, gerechter werden und wie man dies mit einer durchdachten, gezielten und vernünftigen Zuchtpraxis erreichen kann. Das wäre auch durchaus im Sinne des Tierwohls.
Hundehaltung ist eine emotionale und keine rationale Sache. Deshalb kann man zwar dafür plädieren, dass nur eine ausgewählte Gruppe von wohlinformierten Leuten Hunde halten dürfen, aber es ist in seiner Forderung einfach utopisch. Anstatt also einfach mal die ganze Menschheit in ihrem Wesen und ihrer emotionalen Reaktion Hunden gegenüber umerziehen zu wollen, würde ich eher beim Hund - der ja eh schon ein menschgemachtes Produkt ist - ansetzen. Die Genetik des Menschen können wir schlecht bekämpfen. Diejenige des Hundes aber, die liegt in der Hand und der Verantwortung eines jeden Züchters und Zuchtverbandes...