Beiträge von Wandelroeschen

    Ich schliesse mich da gerne dragonwog an. Schau Dir ihr Handling mit dem Hund an und lerne daraus, wenn Du weiterhin auf ihn aufpassen musst. Begegne ihm freundlich - egal wie unfreundlich er selber ist - und beobachte seine Trigger. Nimm ihn ernst. Schütze Dich, die anderen und ihn.

    Ich hab ja immer wieder ganz bewusst und gerne 'schwierige' Kandidaten bei mir in Pflege. Was ich daran mag: dass diese Hunde sich wehren und eben nicht - wie die meisten anderen - alles einfach so über sich ergehen lassen. Das sind häufig Hunde, die kennen sich mit Gewalt und Grenzüberschreitungen sehr gut aus. Das kennen sie schon. Nett hingegen ist oft neu für sie. Respektiere seine Grenzen.

    Natürlich kann man durch 'richtiges' Handling sehr viel herausholen. Mein erster Schritt ist immer, Konflikte anfangs möglichst ganz zu vermeiden und eben einfach nur zu managen, bis sich ein Vertrauensverhältnis etabliert hat. Ich hab aber auch den Luxus, Hunde tierschutzkonform trennen und halten zu können, wenn ich sie aus dem Weg haben will oder muss. Das ist wichtig: ich und die Hunde kriegen Pause.

    Erst wenn eine vertrauensvolle Beziehung besteht, kann so ein Hund später auch einmal mit Ein- und Beschränkungen leben. Vergiss als erstes den Satz, dass der Hund versucht, sich durchzusetzen. Der ist wahrscheinlich überfordert, hat Angst und reagiert entsprechend. Und hat wohl einfach nicht gelernt, dass man auch anders 'nein' sagen kann.

    Inwiefern es Dein Job ist, den Hund umzutrainieren oder einfach nur aufzubewahren musst Du mit der Besitzerin klären. Kannst und möchtest Du ihn denn 'einfach' aufbewahren? Hast Du überhaupt die nötigen Voraussetzungen (persönliche Erfahrung, Know-How, aber auch die räumlichen Gegebenheiten) dazu? Kannst Du den Hund z.B. einfach kurz raus in den Garten lassen ohne Gassi gehen zu müssen? Kannst Du ihn so unterbringen, dass er nicht zu kurz kommt, aber dass es für alle ungefährlich, stressfrei und akzeptabel ist?

    Du musst die Fragen nicht unbedingt hier öffentlich im Forum beantworten, aber das wären so die Dinge, die ich mir überlegen würde.

    Ich hab schon öfter mit Pferden über positive Verstärkung gearbeitet. Meist ging es dabei um 'Problemverhalten' das im Umgang aufgetaucht ist.

    Das funktioniert wunderbar, solange man dem Pferd auch beibringt, ein Leckerli anständig zu nehmen. Was bei diesbezüglich unerzogenen oder unerfahrenen Hunden oft gerade noch so drinliegt, wird beim Pferd im Zweifelsfall schlichtweg gefährlich. Auch das geht über positive Verstärkung, braucht aber Erfahrung. Lerntechnisch funktioniert eher schlecht als recht, wenn in derselben Situation Strafe und Belohnung kombiniert werden.

    Ich hab, was Clickertraining beim Pferd betrifft, schon viel Gemurkse gsehen - inklusive verletzter Finger und Hände, weil eben das Wissen fehlte, wie man auch über positive Verstärkung Grenzen setzen kann (und bei manchen Pferden wirklich muss)!


    Was also Schwierigkeiten oder Trainingsziele im Umgang betrifft, ist Clickertraining wirklich toll. In der Reiterei, so wie unsere Kultur sie betreibt, kann ich mir ehrlicherweise nicht vorstellen, dass wir mindestens um eine parallele Verwendung von negativer und positiver Verstärkung herumkommen. Ich lasse mich aber natürlich sehr gerne eines Besseren belehren!

    Ich verstehe, wenn das Konzept für Euch neu ist, RiaMia und BellaMN. Aber nur, weil ihr es noch nicht kennt oder (noch?) nicht nachvollziehen könnt, ist er nicht schlecht oder funktioniert nicht. Es geht tatsächlich einfach um die simple Anwendung der Lerntheorie. Um eine Verhaltensänderung herbeizuführen, hab ich genau zwei Varianten. Zu belohnen oder zu strafen. Ich wähle den Weg der Belohnung, ihr den anderen.


    Mir jedenfalls geht und ging es in keiner Art und Weise darum, dass irgendeine Methode 'besser' als die andere wäre. Ich habe lediglich erklärt, weshalb ich so handle, wie ich es tue. Gerade weil mein Weg eben häufig der menschlichen 'Intuition' oder dem 'Bauchgefühl' oder wie man es auch immer nennen mag, entgegensteht. Funktionieren tut er trotzdem, ob man es glauben mag oder nicht. Mit Glauben hat meine Art des Trainings nämlich nichts zu tun.


    Mein Kommentar, BellaMN war deshalb ganz bestimmt nicht auf Dich gemünzt und es tut mir leid, wenn Du Dich angesprochen gefühlt hast. So war es nicht gemeint. Eines ist aber tatsächlich richtig: mein Weg erfordert ein Umdenken. Dieses Umdenken ist völlig freiwillig.


    "Bauchgefühl" hat mMn schon immer nur mit einem entsprechenden Wissenshintergrund wirklich funktioniert. Das "Bauchgefühl" war die Mischung aus eigener Erfahrung und Bewertung, die dann letztlich zur Auswahl des (vermeintlich) passenden Weges geführt hat.

    Das finde ich einen ausserordentlich wichtigen Punkt!

    Natürlich. 'Von mir aus' wäre auch noch Vieles möglich. Nur kann der Lernende halt einfach keine Gedanken lesen und wird es nie können. Es ist eine Philosophiefrage, ob ich mich selber oder den Hund ins Zentrum stellen will und kann.


    Ich hab kein Problem mit Abbrüchen. Ich finde sie für meine Zwecke einfach nicht dienlich und habe sehr viel sinnvollere Alternativen gefunden.

    Ich mach mir halt gerne so wenig Arbeit wie möglich und erziehe meine Hunde dahingehend, dass sie in den unterschiedlichsten Situationen selber die 'richtigen' Entscheidungen treffen lernen und ich nicht dauernd mit Argusaugen hinterherrennen und hindern und korrigieren muss. Aber wenn andere das so mögen, ist das doch völlig in Ordnung.


    Dazu passt dieses Beispiel von BellaMN ganz gut:

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    Was genau sollte ich aufbauen, wenn sie es dennoch versuchen oder einfach was finden? Das es jedes Mal eine Belohnung dafür gibt, wenn sie stattdessen zu mir kommen? Könnte ich machen, aber das würde darin enden, dass meine Hunde absichtlich anfangen zu suchen, was sie nicht fressen dürfen, damit sie mehr Leckerlies einheimsen können. Ist für mich nicht Sinn der Sache. Sie sollen das schlicht und einfach komplett lassen. "NEIN" ist ein vollständiger Satz.

    Meine Hunde lernen, Fressbares anzuzeigen. Ganz einfach. Da kann auf dem Weg liegen, was will, die Hunde zeigen mir das an. Ich schau nach, was es ist und gebe es frei, wenn ich denke, es ist nichts Gefährliches. Manchmal geb ich's auch nicht frei und dann kriegen alle eine Runde Kekse, wenn ich welche dabei habe. Ich bin happy, die Hunde sind happy.


    Zitat

    Und ich hab bei meinen Hunden untereinander auch noch nie erlebt, dass sie sich beim deutlichen Aufzeigen einer Grenze danach hinsetzen, Alternativverhalten anbieten und sich erklären. Für die funktioniert das deutliche NEIN sehr gut untereinander.

    Ich bin kein Hund und bin deshalb überzeugt, nicht wie ein Hund handeln zu können. Ich glaube auch, dass mein Hund das auch weiss. Ausserdem halte ich mich im Allgemein für klüger als Hunde. Aus diesen Gründen benehme ich mich gerne doch einfach meiner Spezies entsprechend und überlasse (angebliche) Tierimitationen lieber anderen.

    Zitat

    Aber meine Hunde werden auch mit 15 nicht verstehen, warum irgendwas draußen fressen nicht erlaubt ist. Die müssen das einfach so hinnehmen.

    Es geht nicht darum, dass Hunde (oder Kinder!) irgendetwas verstehen müssen. Auch Kinder können ein 'Nein' übrigens viel weniger häufig nachvollziehen, als wir uns glauben machen wollen. Selbst wenn wir es erklären. Das ist nicht der Punkt.

    Es geht darum, dass meine Tiere mit mir kooperieren und kooperieren wollen und nicht dauernd das Gefühl haben müssen, ich sei die Spassbremse. Sie sollen - im Gegenteil - den Eindruck haben, dass die Zusammenarbeit mit mir lohnenswert wert. Nicht, weil sie mich so mögen, sondern weil sie gelernt haben, dass es etwas zu gewinnen gibt. Hunde sind Opportunisten. Das macht sehr Vieles einfacher.

    Szenario: Dein Hund findet etwas aus seiner Sicht Fressbares, aber aus unserer Sicht Gefährliches auf dem Waldboden.

    Es gibt einige Möglichkeiten, wie Dein Hund nun reagieren kann. Wie er das tut, hängt sehr von seiner Erfahrung mit Dir als sein Mensch ab. Zwei davon wären:


    Variante A: Hund hat gelernt, dass der Mensch bei Fressen, dass der Hund spontan hat, häufig erregt wird und das Fressbare für sich beansprucht und es verbietet. Merkwürdigerweise lässt der Mensch das Zeug aber liegen ohne selber davon zu fressen, will aber gleichzeitig auch nicht, dass es vom Hund gefressen wird. Die meisten Hunde werden nun sehr schnell lernen, dass es sich lohnt, so schnell wie möglich alles, was geht, davon hinunterzuschlingen. Mensch und Hund haben nicht dasselbe Ziel und kommen in eine Konkurrenzsituation. Es kann nur einer gewinnen.

    Variante B: Hund hat gelernt, dass es sich lohnt, wenn er Fressbares anzeigt. Fressen darf er es nach Begutachtung des Menschen, es fällt aber immer etwas für ihn ab: entweder kriegt er das Leckere vom Boden oder den Keks vom Menschen. Manchmal gibt's auch beides. Der Mensch beansprucht das Fressbare nicht für sich. Es gibt keine Konkurrenzsituation. Alle sind zufrieden. Alle haben gewonnen.

    Bei Variante A streiten Hund und Mensch bei der nächsten Situation wieder um das Fressbare. Bei Variante B nicht. Der Mensch kann sich darauf verlassen, dass die Hunde die richtige Entscheidung treffen. Ich schlender also entspannt und gemütlich meines Weges und kann mich darauf verlassen, dass meine Hunde mir zeigen, wenn sie etwas Tolles gefunden haben. Ich muss nicht dauernd kontrollieren. Aber man muss natürlich schon wissen, wie man das richtig aufbaut. Ein bisschen Fachwissen, Lerntheorie und Köpfchen gehören dann halt schon dazu.

    Manche haben regelrecht das Wort "nein" aus ihrem Wortschatz gestrichen und wollen bloß nie anecken. Weil Grenzen setzen und auf deren Einhaltung achten furchtbar schrecklich schlimm ist.

    Dass sie damit keinen verlässlichen Rahmen bieten, egal ob Hund oder Kind, wird entweder nicht wahrgenommen oder erfolgreich verdrängt.


    Unter anderem deswegen finde ich das "Bauchgefühl" problematisch/kritisch, weil mancherleuts Bauchgefühl sagt: "Ich darf das nicht verbieten, nachher liebt mich Kind/Hund nicht mehr."

    Moment. Das sind doch zwei grundverschiedene Dinge, die hier vermischt werden.

    Nur weil jemand möglichst kein 'Nein' in seinem Training oder seiner Erziehung braucht, muss das doch überhaupt nicht bedeuten, dass man keine Grenzen setzt? Ich denke, das ist eines dieser wirklich klassischen Missverständnisse, wenn es um das Thema positive Verstärkung geht.


    Das Gegenteil ist der Fall: wenn Du nicht mit einfachem 'Nein' (also einem Abbruch) operieren willst, musst Du umso stärker an Alternativen arbeiten und vorausdenken, damit Du unerwünschtes Verhalten umlenken oder unterbrechen kannst. 'Nein' ist inhaltslos und bedeutet meist 'tu das nicht'. Das mag für einen Erwachsenen, der sich für rational denkend und vernünftig hält (haha...) oft logisch anfühlen. Für ein Kind oder gar einen Hund muss es das aber ganz und gar nicht sein. Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Lebewesen grundsätzlich das tut, was es in diesem Moment für richtig und sinnvoll (im Sinne von 'für sich zielführend') hält, ist ein 'Nein', das vom Erzieher / Trainer kommt, einfach keine Information. Es bedeutet meistens nur: 'Achtung, wenn Du Dein Verhalten nicht änderst, kriegst Du Ärger.' Wie man den Ärger aber vermeiden und stattdessen 'das Richtige' tun könnte, ist in dieser Information nicht enthalten. Für denjenigen, der 'Nein' sagt, mag die Handlungsalternative, also das, was (zumindest in seinen Augen) richtig ist, völlig logisch erscheinen. Fürs Kind oder für den Hund ist es das aber nicht.

    Ich fand - und finde - es also ungeheuer heilsam, einmal ganz bewusst eine Stunde, einen Tag, eine Woche auf ein 'Nein' oder jedwelche weiteren Abbrüche zu verzichten. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die Übung da aufhört und ich denke, hier liegt das grosse Missverständnis. Anstatt dass Du 'Nein' sagst, gibst Du demjenigen, den Du erziehen willst, eben gleich eine Alternative und ein Kommando mit der Information, was er stattdessen tun soll.

    Also konkret: Du siehst, dass der Hund einen Keks vom Couchtisch stehlen will. Anstatt dass Du einfach 'Nein!' sagst, rufst Du den Hund stattdessen zurück. Das klappt aber natürlich nur, wenn Du den Rückruf vorher sauber aufgebaut hast. Die Chance, dass der Hund Deinen Rückruf in so einer Situation auch befolgen wird, ist aber um ein Vielfaches höher, wenn er diesen Rückruf bisher nur mit einem freudigen (positiven) Erlebnis verknüpft hat. Hat er gelernt, dass es sich überhaupt nicht lohnt, für einen Rückruf zu Dir zu kommen, wird er sich den Keks trotzdem krallen und fressen.


    Kleine Anekdote am Rande: ich erziehe meine Hunde grundsätzlich ohne 'Nein', bringe es ihnen aber (über positive Verstärkung) dennoch bei. Meine Hunde sollen von ausgewählten, aber eben nicht zwingend lerntheoretisch geschulten Personen ebenfalls geführt werden können und weil ich will, dass meine Hunde 'Nein' oder 'Lass es liegen' ebenfalls verstehen, lernen sie, sich auf ein 'Nein' hin einfach zum Menschen hin zu orientieren. Das ist nämlich das, was die meisten Leute mit einem 'Nein' meinen, bzw. zufrieden sind, wenn der Hund sie daraufhin auf allen Vieren ruhig stehend anschaut.

    Ich bin aber absolut einig mit Euch, dass es niemandem hilft, wenn er keine Grenzen lernen kann und darf. Das muss aber damit, dass man versucht, kein Nein in seiner Erziehung zu verwenden, nichts zu tun haben.

    Ist man mit Langhaarcollie, Basenji, Airedale Terrier, Irish Terrier, English Setter, Kurzhaar Collie oder auch einem Bedlington Terrier Dauergast beim Tierarzt?

    Vielleicht noch kurz dazu. Das Problem an Inzuchtprodukten ist eben auch, dass sie ganz generell eine schlechtere Fitness aufweisen. Mit Fitness ist eine generelle Resilienz gegen die Umwelt gemeint. Umgekehrt könnte man sagen, ingezüchtete Tiere sind ganz besonders sehr anfällig für eigentlich fast alles, aber insbesondere was das Immunsystem betrifft. Das wird aber häufig überhaupt nicht mit der Inzucht in Verbindung gebracht. Es gibt so viele verschiedene Symptome, an denen Inzuchtnachkommen leiden können, dass sie statistisch kaum zu erheben sind, weil unklar bleibt, was nun 'einfach Pech' und was auf die Inzuchtproblematik zurückzuführen ist. Darunter fallen z.B. Fruchtbarkeitsprobleme, kleine Würfe, Welpensterben, jegliche Art von Allergien, Unverträglichkeiten, eine schlechte Verdauung, Probleme im Wesen (Unsicherheit, Hypernervosität, Hypersexualität oder eben auch verminderter Sexualtrieb, Sozialstörungen, Lernstörungen, etc.), eine besondere Anfälligkeit für gewisse Krebsarten, Epilepsie, Knochen-, Gelenk- und Muskelprobleme, Rheuma, Arthritis, Hautprobleme und vieles, vieles mehr.

    Es ist auch nicht so, dass alle Geschwister eines ingezüchteten Wurfes an genau denselben Schwierigkeiten leiden. Da kann es in einem 6-er Wurf schon mal passieren, dass 3 unter Epilepsie, 4 unter Verdauungsproblemen und 2 unter Wesensschwächen leiden. Das bringt man dann nicht unbedingt mit einer Inzuchtdepression in Verbindung und wird oft einfach als 'schlechte Verpaarung' angesehen. Oft genug werden Probleme aber unter den Teppich gewischt und / oder dem Züchter erst gar nicht mitgeteilt. Dass der Grundstein des Problems aber bereits in den vielen vorherigen ingezüchteten Generationen gelegt wurde, sehen nur ganz wenige. Das wird auch erst sichtbar, wenn jemand beginnt, ganze Populationen anzuschauen und nicht einfach nur von einem einzigen Züchter oder einer kleinen Population in einem einzigen Land ausgeht.

    Diese Daten sprechen dann schon eine ganz eigene Sprache und da wird auch sichtbar, dass wenn man Hunde in zwei simple Kategorien einteilt, die "Mischlinge" im Durchschnitt (und nein, nicht jeder einzelne!) älter werden und 'gesünder' sind als die "Rassehunde" (nein, auch hier nicht jeder einzelne und ja, beide Begriffe sind problematisch).

    ich glaube, du hast mich im Punkt der optischen Extreme falsch verstanden. Was bringt es, einen Beagle in die Französische Bulldogge einzukreuzen, wenn wir nach wenigen Genrationen wieder beim extremen Bild der Französichen Bulldogge sind? Das Bild muss sich verändern.

    Das natürlich auch. Andererseits ist es mit der Veränderung des Bildes, das man von einer Rasse hat, noch nicht getan: selbst wenn man aus einer vorhandenen 'reinrassigen' Population aus, sagen wir, Englischen Bulldoggen, wieder längere Schnauzen züchten könnte - das Inzuchtproblem wäre damit nicht gelöst. Meine Hoffnung besteht darin, dass es zwischen den Unbelehrbaren vielleicht doch ein paar Leute gibt, die das Problem erkennen und angehen wollen. Mit offenen Zuchtbüchern wäre das möglich.


    Oder man Möpse und Französische Bulldoggen kreuzt. Nur von einer Erhöhung der genetischen Vielfalt verschwinden doch nicht die Probleme dieser Rassen.

    Die fehlenden Nasen, die Rückenprobleme, etc. wird das nicht korrigieren, aber den Genpool erweitern. Insofern - und das ist das wirklich Zynische an der ganzen Sache - sind die ganzen Merle-, Sonderfarben- und Fluffyproduzenten unter den Vermehrern (aus genetischer Perspektive, und wirklich nur aus dieser) für die Rasse sogar fast als Segen zu sehen. Natürlich nur, solange mit den Sonderfarben keine weiteren gesundheitlichen Probleme auftreten und mit den Mischlingen nicht wieder Inzucht betrieben wird (was in der Realität ja häufig genug der Fall ist, darüber müssen wir nicht diskutieren).


    Hier sind wir uns völlig einig. Ich sehe genau das gleiche Problem, das Du im ersten Abschnitt auch schilderst: wie will man 'Arbeitsleistung' auf Familien- und Begleithunde übertragen? Ich hätte da zwar schon eine Idee - und zwar die Weiterführung dessen, was Domestikation seit jeher mit einer Spezies gemacht und gefördert hat - weiter auf Zahmheit, Trainierbarkeit und Fügsamkeit zu selektieren. Diese Meinung ist allerdings (vielleicht nicht ganz zu unrecht) gerade hier im Forum äusserst unpopulär. Da wird dann häufig eingeworfen, man könnte sich statt eines Hundes ja gleich ein Stofftier kaufen. In Skandinavien zum Beispiel wird andererseits aber sehr rigoros auf Freundlichkeit selektiert.


    Und gleichzeitig gibt es doch keinerlei Fremdblut, weil das Einführen von Pferden nach Island seit langer Zeit verboten ist. Es zeigt also: gesunde Rassezucht ist auch mit einer geschlossenen Population unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Nur müssten dazu alle Züchter ein Grundverständnis von Genetik haben und dieses Wissen umsetzen bzw. die Vereine die entsprechenden Richtlinien vorgeben - das wird noch einige Jahre dauern, bis die Leute soweit sind...

    Die Populationen, die unter Inzuchtbedingungen weiterbestehen, sind eher die Ausnahme als die Regel. Aber ja, es gibt sie. Da, wo sie aber fortbestehen, herrschen ganz bestimmte und häufig unglaublich rauhe Bedingungen, die der Mensch selbst in einem von ihm bestimmten Zuchtprogramm keinesfalls reproduzieren könnte (die Ethik und die gängigen Tierschutzgesetze mal aussen vor gelassen). Eine Selektion, wie sie in der Natur stattfindet, lässt sich nun mal nicht auf ein domestiziertes Haustier übertragen. Ich glaube sogar, dass wir zu einer Selektion, wie die Natur sie vornimmt, schlichtweg nicht in der Lage wären, selbst wenn wir es wollten.

    Die Ansprüche an ein Haustier sind nun einmal völlig andere als diejenige an ein Wildtier und stehen diesen oft diametral entgegen. Deshalb ist auch die Bemerkung der Biologin, die sich auf Rückerts Beitrag auf Facebook gemeldet hat, in dieser Hinsicht leider wenig hilfreich und völlig unrealistisch.

    Aber die Frage ist doch, verändert es was?

    Und oft ist die Antwort doch leider: nein.

    Natürlich tut es das: die genetische Vielfalt wird erhöht. Der Inzuchtdepression wird vorgebeugt.


    Dann haben wir halt offene Zuchtbücher die immer noch zu Gebäudekatastrophen führen.


    Bei der Diskussion geht es ja selten wirklich um Krankheiten, sondern um optische Extreme.

    Mir zumindest geht es ausschliesslich um Krankheiten. Dass eine Katastrophe passiert, wenn man zwei Rassehunde unterschiedlicher Rassen verpaart und daraus dann irgendwelche furchterregende, schizophrene Gestalten entstehen ist nun wirklich reine Angstmacherei und Fantasie. So funktioniert Genetik nicht.

    Dass aber natürlich nicht viel Sinnvolles herauskommen kann, wenn man zwei eh schon kranke und erblich vorbelastete Individuen kreuzt - was bei Rassehunden nun einmal nicht ganz unwahrscheinlich ist, weshalb eben solide Gesundheitsuntersuchungen dazugehören sollten - versteht sich von selbst.


    Genetische Vielfalt hilft ja zum Beispiel nicht gegen übertypisierung.

    Jein. Kreuzt Du einen Windhund mit einem Mops wird der Nachwuchs im Durchschnitt sehr viel längere Nasen als der Mops und wahrscheinlich kürzere als der Windhund haben. Wir wissen sehr genau und können gut vorhersagen, wie Hunde aussehen, die sich über Generationen vom Menschen wenig oder kaum beeinflusst vermehren können.

    Für offene Zuchtbücher plädiere ich hier in diesem Forum ja schon ewig. Und darf dafür auch immer wieder heftigen Gegenwind erfahren. Die Tabelle und Carol Beuchats Blog habe ich übrigens auch immer wieder verlinkt.


    Ich freue mich also sehr über Rückerts Blogbeitrag. Vielleicht bringt das ja doch einige Leute zum Umdenken.


    Ich finde es gerade auf Käuferseite sehr schwierig, bei der Hundewahl ethisch einigermassen vertretbar zu handeln: ich bin überhaupt keine Gegnerin der systematischen Rassehundezucht, mag Rassehunde und sehe sie als wichtiges Kulturgut. Ich finde aber, dass die geschlossenen Zuchtbücher dringenst geöffnet gehören. Wer nach wie vor genetische Inzuchtkrüppel produzieren will, kann das meinetwegen ja trotzdem tun (auch wenn ich persönlich natürlich eine ganz klare Haltung dazu habe). Andererseits hätte auch ich gerne einen Hund, dessen Abstammung, Herkunft und Gesundheit untersucht und bekannt und dessen Eignung und Charakter einigermassen vorhersehbar sind.

    Das System der ISDS ("was hütet und sich verhält wie ein Border Collie, das ist auch ein Border Collie") liesse sich im Prinzip auch auf andere Gebrauchs- sowie auch auf Familien- und Begleithunde übertragen. Ja, es gäbe dann eben auch völlig legitim gemischte Rassemixe. Damit müssten 'Puristen' ja dann nicht züchten oder könnten für sich oder durch die Organisation in einem Verein festlegen, dass sie gar kein oder nur ein gewisser Prozentsatz an Fremdblut zulassen.