Der wirklich einzige Weg, in solchen Momenten zu diesem Hund durchzudringen, war ein (professionell aufkonditionierter) Clicker und eine Belohnung- so merkwürdig das klingen mag. Auf den hat er sogar in den allerhöchsten Eskalationsstufen noch reagiert (und tut es heute noch) was ich nach wie vor faszinierend finde.
Das finde ich tatsächlich sehr faszinierend. Heißt, du hast in das falsche Verhalten rein geklickt und der Hund hat es abgebrochen und sich einer Belohnung zugewandt?
Jein.
Ja, weil irgendwann kommt der Punkt, in dem man (idealerweise vor und nicht) während dem unerwünschten Verhalten ein Signal (Abbruch / Abruf, je nachdem was man geübt hat) gibt, der Hund sich zu einem hin orientiert und man (erst dann!) clickt. In einer absoluten Notsituation - aber das ist dann eher Management, als irgend etwas anderes - kann man auch mal in ein unerwünschtes Verhalten einfach hineinclicken um zu versuchen, den Hund da rauszuholen. Nutzt sich aber relativ schnell ab und ist nicht zu empfehlen.
Nein, weil die Sache viel, viel komplexer ist: erstens sollte, wie oben geschildert, der Hund nicht in auf den Click, sondern auf das vorangehende Signal reagieren. Stell Dir zweitens einen Eisberg vor, in dem das von Dir beschriebene Szenario nur gerade die oberste Spitze ist und eher so etwas wie einen Tausendstel (oder noch weniger - und das meine ich wortwörtlich) ausmacht.
Der Schlüssel dazu ist das, was ich auch sonst hier immer wieder predige: ein wirklich solider Aufbau unter sehr kontrollierten, wirklich kleinschrittigsten Umständen, in denen der Hund gar keine Fehler machen kann und extrem hochwertig fürs erwartete Verhalten belohnt wird.
Der von mir erwähnte Jagdterrier hat nach seiner Ankunft bei mir genau zwei Dinge von Stunde null an bis zum Erbrechen geübt:
Erstens, wenn ich Dich rufe, dann kommst Du her. Immer. Augenblicklich. Es gibt darüber nichts nachzudenken. Mich auszublenden ist schlicht keine Option. Niemals.
Zweitens: nimm jederzeit Belohnung an. Auch das kann man tatsächlich auftrainieren und ist auch für Situationen, in denen das Training noch nicht fruchtet und man nur Management betreiben kann, ein absolutes Kernelement. So können unerwartete Momente (plötzlich auftauchende Trigger, etc.) so überbrücken und Zeit und Land gewinnen kann. Mit diesem bestimmten Hund habe ich dafür die Futtersuche am Boden, Folgen der Futterhand, Zergelspiele, einen Quietscheball und Mäuseln genutzt - einfach, weil er darauf sehr zuverlässig ansprang.
Wichtig: der Hund sollte bis zum Tag X niemals die Erfahrung machen können, dass er das Signal auch ignorieren kann. Egal wie hoch seine Erregungslage gerade ist. Also entweder gebe ich das Signal erst gar nicht und versuche schwierige Situationen anders zu managen oder ich vermeide sie völlig, bis ich 200 Euro wetten würde, dass der Hund mein Signal auch wirklich umsetzt.
Wenn Tag X, der Tag der Prüfung, des Ernstfalls, kommt, wird das Signal - egal was der Trigger und wie hoch die Erregungslage ist - genau dann funktionieren, wenn der Hund keine Milisekunde mehr darüber nachdenkt, ob er eine andere Handlungsoption hat. Wenn das, was nach dem Signal passieren wird, sich als so belohnend einerseits und so unbedingt andererseits in seinem Hirn eingebrannt hat, wird er genau so reagieren, wie tausend Mal (immer noch wörtlich zu nehmen) vorher auch.
Aber: spätestens beim zweiten oder dritten Mal - idealerweise gleich noch kurz darauffolgend - wenn das gleiche Szenario auftritt, wird ein cleverer Hund dieses Typs dann eben doch einmal ausprobieren wollen, ob die 'unerwünschte' (und oft genetisch verankerte) Handlungsweise das eigene Belohnungszentrum nicht doch noch stärker kickt. Wenn Du dann nicht wieder vorbereitet bist und der Hund lernt, dass er eben doch eine alternative Handlungsoption hat, hast Du ein Problem. Du trainierst also sozusagen wochen- und monatelang nur für 'diesen einen Moment'.
Ich weiss nicht, ob man alles, was dazugehört, wirklich so verschriftlichen kann, dass es klar wird, was gemeint ist. Da gehören so viele Feinheiten dazu, dass ich nicht sicher bin, wieviel man davon jetzt wirklich mitnehmen kann. Das ausserdem mit zwei (oder mehr) Hunden gleichzeitig üben zu wollen, ist illusorisch. Da muss man sich dann schon die Zeit nehmen, einzeln zu trainieren. Zwei (oder mehrere) Hunde zusammen entwickeln da dann gleich nochmals eine ganz eigene Dynamik.