Tatsache ist, dass Verhalten nicht ohne Grund (man kann es auch Defizit, Mangel, Zwang oder, positiver formuliert, Motivation nennen) verändert wird. Das gilt ganz besonders für bereits etabliertes Verhalten.
Dieser Grund kann von intrinsischen (also von innerlich) oder extrinsischen (von äusserlich motivierten) Umständen her rühren.
Im Falle eines Angsthundes kann die (intrinsische) Motivation, sich einer Gruppe anzuschliessen, so gross sein, dass er früher oder später selber probiert, Kontakt mit dem Menschen aufzunehmen. Dann überwiegt das Defizit an sozialer Zugehörigkeit die Angst vor Menschen. Es gibt aber auch Hunde, bei denen diese Strategie - also einfach abzuwarten, bis der Mangel an sozialer Zugehörigkeit des Hundes so gross ist, dass er seine Angst 'von selbst' und scheinbar ohne Zwang überwindet - nicht funktioniert. Wenn diese Tiere keinen extrinsischen Druck erleben, der sie zwingt, ihre Verhaltensstrategie wie vom Menschen gewünscht anzupassen, werden sie niemals 'von sich aus' auf den Menschen zugehen.
Das ist ein ganz heikles Thema und Hunde entsprechend einschätzen zu können, erfordert Expertenwissen, über das das leider nur viel zu wenige Menschen, die mit Angsthunden zu tun haben, verfügen.
Ich halte beides für tierschutzrelevant: in diesem Bereich prinzipiell intrinsisch motivierte Hunde dauernd extrinischem Zwang auszusetzen, aber auch intrinsisch unmotivierte Hunde jahrelang in ihren Ängsten versauern zu lassen ohne ihnen Wege aufzuzeigen, diese zu verringern.