Beiträge von Wandelroeschen

    Tatsache ist, dass Verhalten nicht ohne Grund (man kann es auch Defizit, Mangel, Zwang oder, positiver formuliert, Motivation nennen) verändert wird. Das gilt ganz besonders für bereits etabliertes Verhalten.


    Dieser Grund kann von intrinsischen (also von innerlich) oder extrinsischen (von äusserlich motivierten) Umständen her rühren.


    Im Falle eines Angsthundes kann die (intrinsische) Motivation, sich einer Gruppe anzuschliessen, so gross sein, dass er früher oder später selber probiert, Kontakt mit dem Menschen aufzunehmen. Dann überwiegt das Defizit an sozialer Zugehörigkeit die Angst vor Menschen. Es gibt aber auch Hunde, bei denen diese Strategie - also einfach abzuwarten, bis der Mangel an sozialer Zugehörigkeit des Hundes so gross ist, dass er seine Angst 'von selbst' und scheinbar ohne Zwang überwindet - nicht funktioniert. Wenn diese Tiere keinen extrinsischen Druck erleben, der sie zwingt, ihre Verhaltensstrategie wie vom Menschen gewünscht anzupassen, werden sie niemals 'von sich aus' auf den Menschen zugehen.


    Das ist ein ganz heikles Thema und Hunde entsprechend einschätzen zu können, erfordert Expertenwissen, über das das leider nur viel zu wenige Menschen, die mit Angsthunden zu tun haben, verfügen.


    Ich halte beides für tierschutzrelevant: in diesem Bereich prinzipiell intrinsisch motivierte Hunde dauernd extrinischem Zwang auszusetzen, aber auch intrinsisch unmotivierte Hunde jahrelang in ihren Ängsten versauern zu lassen ohne ihnen Wege aufzuzeigen, diese zu verringern.

    Ging mir genau gleich mit dem Bissel (auch der Crosswave Pet Pro): ich hatte mich von den Lobeshymnen hier einlullen lassen und das Ding war für mich eine einzige Enttäuschung: unhandlich, sperrig, schwer, kam nicht in die Ecken, hinterliess gefühlt mehr Dreck als es aufnahm, machte unansehnliche Streifen und musste nach jedem Gebrauch dann auch noch gefühlt stundenlang saubergemacht werden.


    Ich weiss ehrlich nicht, wo da der Vorteil zum simplen Wassereimer, Lappen und Schrubber hätte sein sollen. :thinking_face:


    Glücklicherweise bin ich das Ding dann schnell an jemanden losgeworden, der offenbar zufriedener damit ist als ich es war.

    Leider hat Dein Hund schon die Erfahrung gemacht, dass Jagdverhalten von Dir toleriert wird. Das macht das Training natürlich ungleich schwerer. Wichtig wäre dem Hund zu zeigen, wann und wo er seine Neigung ausleben darf, sein jagdliches Interesse also gefordert und gefördert wird, und wann und wo nicht.


    Idealerweise hättest Du Jagdsequenzen von Anfang an erkannt und nicht nur abgebrochen, sondern im Vornherein verhindert.


    Auch jetzt setzt Du, wie es klingt, eher aufs Reagieren, als auf Vorbeugung. Ich würde als erste Massnahmen an der Umkehr dieser Dynamik und der allgemeinen Ansprechbarkeit arbeiten.

    Genau. Die Frage, 'Was bringt es dem Hund?' ist deshalb vielleicht erst dann zufriedenstellend zu beantworten, wenn man sich zuerst mit 'Was bringt es dem Hundehalter?' beschäftigt hat.


    Ein präziser Aufbau nach einer klaren Anleitung mit eindeutig gesteckten Regeln hilft erst einmal dem Hundeführer, genau das zu sein: präzise, klar und eindeutig in dem, was er von seinem Hund überhaupt will. Die 'Spielregeln' werden also auch dem Mensch erst einmal von aussen vorgegeben und schaffen eine gewisse Verbindlichkeit.


    Im Prinzip sollte ja jede Form von Training so angegangen werden, nur ist es nicht jedermanns Sache, Trainingsziele selbständig so zu definieren, zu trainieren und so konsequent einzufordern, dass der Hund sie als verbindlich und als 'Arbeit' versteht. Da kann es durchaus helfen, sich mit seinem Hund auf den Hundeplatz zu stellen und sich Hilfe von aussen zu holen.


    Natürlich gibt es Hunde (und Menschen), die mit weniger transparenten Leitplanken genauso gut - oder gar besser - umgehen können und denen die Arbeit an solchen Dingen zuwider ist. Sport- und Gebrauchshunde fühlen sich aber häufig erst dann herausgefordert, sicher und ausgelastet, wenn die Ausführung einer Aufgabe, die Ihren Neigungen entspricht, psychisch und physisch so richtig anspruchsvoll wird. Das versteht man dann gerne unter 'Trieb' oder 'Motivation'. Kriegen solche Individuen nicht genügend Gelegenheit, ihre Interessen im für uns Menschen akzeptablen Rahmen auszuleben, suchen sie sich häufig selbstständig eine Strategie. Diese äussert sich dann aber nicht selten in übersteigertem Jagdverhalten oder unerwünschter Aggression, etc.


    Im Alltag hilft Hundesport also insofern, als dass man seinen Hund und dessen Neigungen besser kennen, einschätzen und kontrollieren lernen kann. Häufig erledigen sich aber gewisse 'blöde Angewohnheiten' im Alltag schon nur dadurch, dass der Hund regelmässig genügend Gelegenheit erhält, sich seinen Neigungen entsprechend zu verhalten. Enge Regeln helfen aber auch Hunden, die schon nur aufgrund ihrer Persönlichkeit mit zuviel Freiheit nicht umgehen können und sich erst in einem relativ eng gesteckten Rahmen sicher fühlen.

    Ich seh bei Deiner Liste schon eine ganz klare Tendenz - und die würde ich mir auch nicht madig machen lassen. Du stehst klar auf die Ur- bzw. Schäferhundoptik.


    Damit lässt sich etwas anfangen. Da Retriever, Pudel, etc. zu empfehlen, macht für mich überhaupt gar keinen Sinn. Jetzt geht es vor allem darum, die für diese Optik passende Rasse für Dein Umfeld zu finden.


    FCI-Herder, DSH, Berger Blanc Suisse, Lapinkoira, Lapinporokoira, Spitz, Eurasier, etc. finde ich da gar nicht so verkehrt. Mein Tipp wäre auch, mich da mal bei Züchtern zu informieren, die Hunde live und in Farbe kennenzulernen und festzustellen, ob Du von einem Züchter als Halter überhaupt in Erwägung gezogen würdest. Wichtig dabei: sich nicht vorzeitig einlullen zu lassen und die Standhaftigkeit zu haben, nicht beim erstbesten Züchterbesuch gleich den noch übriggebliebenen Welpen mitzunehmen.


    Notseiten anzupreisen und auf Tierheime zu verweisen halte ich hier für keine gute Idee: gerade Schäferhunde und ihre Mixe gibt es wie Sand am Meer und die werden einem - je nach Organisation - auch völlig unbedacht nachgeworfen. Gerade so einen Typ Hund willst Du aber nicht, wenn Du unerfahren bist und der Hund schon diverse Baustellen hat.

    Klingt alles nach Schmerzen.


    Ich würde - in Absprache mit einem versierten TA - mal an verschiedenen Stellen schrauben und schauen, obs besser wird. Nur weil man nichts sieht, heisst das nicht, dass da nichts ist.


    - Häufiger, aber weniger füttern?

    - sinnvoll angegangene Ausschlussdiät?

    - vernünftige Schmerzmedikation?

    Ich finde es da völlig ok, wenn der Hund artig-freudig mitläuft und würde es mir auch nicht zu schwer machen mit technischen Einzelheiten.

    Mein Problem ist, dass ich durch meine Prüfungsangst den Hund total irritiere - Jin ist damals neben mir her geschlichen, als wüsste sie gar nicht, was "Fuß" ist und was wir hier machen. Daher will ich Sookie halt "besser" trainieren. Zum einen, um ihr Sicherheit zu geben und zum andren um mir Sicherheit zu geben und dadurch meine Prüfungsangst abzumildern.

    Das finde ich einen guten Ansatz. Ich trainiere gerne so, dass meine Hunde - egal, was ich oder andere Idiotisches nebenher veranstalten - trotzdem genau wissen, was ihr Job ist. Das Kommando bedeutet Sicherheit und Klarheit, völlig egal, was sonst noch so passiert. So kriege ich wirklich zuverlässige Hunde, die z.B. trotz Prüfungsstress meinerseits ihren Job kennen und ausführen.


    Wichtig ist beim Aufbau aber, genau das zu üben. Also dem Hund in einem ersten Schritt wirklich glasklar und präzise zu vermitteln, was von ihm erwartet wird. Mit dem Hund an sich hat das nichts zu tun: nur mit Dir als Trainer selber und ob Du in der Lage bist, dem Hund zu vermitteln was


    a) ein bestimmtes Kommando bedeutet (und je klarer Dein 'inneres Bild' von der Ausführung ist, desto präziser kannst du es auch aufbauen) und es dann, in einem zweiten Schritt,


    b) auch so zu festigen, dass der Hund es wirklich in jeder erdenklichen Situation zeigen kann.


    Egal, ob Du als HF jetzt zitterst und schlotterst, nervös bist und Angstschweiss hast, Dir nebenher die Nägel lackierst, die Zeitung liest oder jemandem die Relativitätstheorie erklärst. Und ja - ich versuche mich und die Leute, die ich auf Wettkämpfe vorbereite, genau in solche Situationen zu bringen. Nicht nur wegen der Leute selber, sondern vor allem, dass der Hund das lernen kann.


    Wobei wir hier schon eher in der 'Sport- und Gebrauchshunde'-Ecke als im Junghunde-Thema sind. Ohne diese Aufgabe kleinreden zu wollen, müssen Begleit- und Familienhunde natürlich nicht mit derselben Präzision aufgebaut werden.

    Das schönfüttern machen wir auch, aber wenn’s einfach schnell gehen muss (Früh‘s zbs. Weil wir auf meine Arbeit müssen oder wenn meine Tochten quengelt weils so lang dauert) ists keine Option. Er liegt gern mal da und kuckt was ich mache wenn er wartet 😂

    Kurz zum Trainingsaspekt: das ist dann halt kein Training. Willst Du ernsthaft trainieren, muss das Setup, bzw. müssen die Kriterien, nach denen Du trainierst, für den Hund vorhersehbar und klar sein.

    Extrembeispiel: Stell Dir vor, Du magst es nicht, am Kopf angefasst zu werden. Du hasst das. Ich will Dich desensibilisieren. Wieso, das weisst Du nicht, aber ich finde es offensichtlich zwingend notwendig. In drei von vier Situationen bin ich vorsichtig, fein und vorhersehbar. In der vierten Situation aber, rupfe ich Dich - wahrscheinlich unabsichtlich, aber unangenehm ist es Dir trotzdem - am Haar, zwinge mich Dir auf, greife in Dein Gesicht, erwische ab und zu mit meinem Finger eines Deiner Augen...


    Lernst Du so, mir zu vertrauen?


    Dass er das nicht lernt, hat überhaupt nichts damit zu tun, welcher Rasse oder welchem Typ Dein Hund angehört. Sehr gut möglich, dass der Durchschnittsretriever das länger mit sich machen lässt als ein Shiba (ich habe viele asiatische Rassen ebenfalls als sehr höflich und auf Individualdistanz bedacht kennengelernt), aber Vertrauen baust Du bei diesem Vorgehen nicht auf. Damit eine Desensibilisierung (also gemeinhin als 'Schönfüttern bezeichnet) klappt, müsstest Du 100% konsequent sein und nur genau so schnell oder langsam vorgehen, dass Dein Hund Dir jederzeit signalisiert 'ist ok für mich'. Dein Hund verarscht Dich auch nicht. Der sagt Dir einfach nur auf klare, direkte Weise: das ist mir unangenehm, ich mag das nicht und ich kann Dir nicht vertrauen. Was Du mit dieser Info machst und wie Du damit umgehst, zeichnet Dich als Trainer und Besitzer aus.

    Natürlich. Ich wollte mit meinem Beitrag auch keinesfalls in Abrede stellen, dass genau das passieren kann. Ich wollte eher mein Erstaunen darüber ausdrücken, wie - verhältnismässig - wenig Vorfälle es trotz der schwierigen Situation zu geben scheint.

    Vielen lieben Dank für Deine Mühe und Aufklärungsarbeit McChris !


    Das Video ist wirklich sehr anschaulich und beeindruckend. Und man sieht, wie selbst jemand, der im Umgang mit Kühen ja nun sicher nicht unerfahren ist, von der Schnelle und Vehemenz der Attacke überrascht wird. Sehr eingänglich ist auch die Botschaft, dass Wölfe nicht nur direkt, sondern eben - wie in diesem Fall auch - indirekt töten können, weil diese Kuh zu gefährlich geworden ist und man sie schlachten müssen wird.


    Ich bin immer wieder erstaunt und fasziniert davon, wie selbstverständlich Wanderer hier in der Schweiz mitten durch Herden laufen, radeln, rennen, die Tiere streicheln, fotografieren und offenbar als lebenden Streichelzoo betrachten und wie wenig hier verhältnismässig passiert. Ich würde aber behaupten, dass gerade bei Vieh, das den Sommer auf der Alp verbringt, Friedlichkeit und Resilienz menschlicher Übergriffigkeit menschlichen Reizen gegenüber - bewusst oder unbewusst - sicher auch ein Selektionsmerkmal ist.


    Hier bei einer Bergwanderung Rindern aber ausweichen wollen, ist eine Illusion: die Schweiz lebt ja gerade vom Bild, dass auf den Bergen Kühe stehen. Ausser vielleicht im urbaneren Mittelland (Jura, etc.) trifft man bei Wanderungen unweigerlich auf Kühe. Die lassen sich hier wirklich nicht vermeiden oder umgehen. So ziehen dann also Ströme an Wanderern tagtäglich an den Tieren vorbei. Manche Tiere wahren dann selbstständig Distanz, andere, denen der Trubel weniger ausmacht, halten sich in der Nähe der Wege auf. Umso wichtiger ist es also, dass die Kühe hier auch unter - äh... nennen wir sie 'widrigen Umständen' - Menschen gegenüber stets friendlich bleiben. Und so absurd das ist: wenn man die Menschen nicht dazu erziehen kann, sich dem Vieh gegenüber respektvoll zu verhalten, muss eben dieses nicht nur dafür, sondern auch für den Wunsch, hier Grossraubtiere wieder anzusiedeln, wortwörtlich, den Kopf hinhalten...