Ich bin da ganz bei Cattledogfan - der Hund hat nicht gelernt, wo dieses Verhalten hin gehört und lebt es jetzt am nächst verfügbaren Objekt aus. Der Hund holt sich über die Autos das, was er im Umfeld, für das er eigentlich gezüchtet wurde, an den Schafen ausleben würde.
Damit es überhaupt so weit kommen konnte - und ich bin mir bewusst, dass das jetzt keine schöne Nachricht ist - wurde schon ziemlich viel verpasst. Ansätze von Jagd- bzw. Hüteverhalten wurden übersehen oder nicht ernst genommen. Sehr viele junge Hütehunde zeigen solche Ansätze und werden dabei recht kreativ. Als Ersatzobjekte herhalten können dabei von Schatten über Vögel, Insekten, Beine, Bälle bis zu laufenden Waschmaschinen oder Mikrowellen alles dabei sein.
An sich sind Border Collies ja Hunde, die darauf selektiert wurden, selbst in allerhöchsten Trieblagen noch ansprechbar zu sein. Das kommt aber natürlich nicht von selbst, sondern muss dem Hund gezeigt werden. Wenn der Hund aber nun natürlich schon gelernt hat, völlig ungehemmt in seinem Drogenrausch - denn Hüten ist nichts anderes - aufzugehen, wird's echt schwierig. Gerade Hütehunde im Einsatz müssen sehr schnell lernen, dass sie nicht immer dran sind. Bestes Beispiel ist z.B. einer meiner eigenen Hunde: mit dem kann ich problemlos und völlig entspannt leinenlos über jede Schafweide spazieren. Der Hund wird sich völlig unauffällig benehmen, mal hier und da schnüffeln, die Schafe aber ignorieren. Wer ihn nicht kennt, würde nicht vermuten, dass er ein sehr talentierter, gut ausgebildeter Koppelgebrauchshund ist. Mein Exemplar ist sicher ein Extrembeispiel, aber ich kenne durchaus einige von der Sorte.
Beginnst Du nun aversiv (also mit hemmenden Abbrüchen) gegen den Trieb Deines Hundes anzukämpfen, probierst Du also gleich doppelt gegen die Genetik Deines an sich hochkooperativen Hundes anzugehen. Die Chance ist in diesem Fall gross, dass er Dich als völlig unberechenbar einstufen wird. Je nachdem wie sensibel Dein Hund ist, kann es durchaus geschehen, dass er, wenn Du eine härtere Schiene fährst, zur Autoaggression greifen muss, um ein Ventil für seine Not zu finden. Border Collies, die sich selbst verletzen (dauerndes Selbst-Belecken oder -Beissen, z.B. an den Pfoten, hysterisches Kreiseln, etc.) sind bei dieser Art von Hund leider gar nicht so selten und erscheinen häufig in Kombination mit fehlgeleitetem Hüteverhalten.
Mein Tipp wäre also auch, dass Du Dir erstens einen richtig guten Trainer suchst, der sich mit der Rasse auskennt und Dir einen kooperativen Weg zeigt. Du selber kannst an der Ansprechbarkeit Deines Hundes arbeiten. Es liegt an Dir, in Bereichen zu arbeiten, in denen Dir der Hund noch zuhören kann. Solange Du nicht 50 Euro wetten würdest, dass der Hund das von Dir geforderte Signal in der Umgebung, in der er sich befindet, noch zuverlässig und sofort umsetzen kann, setzt Du ihn dieser Situation nicht mehr aus. Das erfordert aber Einiges an Feingefühl.
Gibt es wirklich keinen anderen Weg, den Du gehen könntest, um Autos zu vermeiden? Hast Du ein Auto und kannst an den Waldrand fahren? Wenn der Hund in seinem Verhalten dauernd 'rückfällig' werden muss, dann kannst Du das Training auch gleich lassen: es wird nicht funktionieren. Der Hund müsste - um sein Verhalten effektiv ändern zu lernen - überhaupt erst einmal konsequent aus der Situation heraus genommen werden, bis er sie bewältigen kann. Kannst Du das leisten?
Ich würde zu Beginn und als mögliche Notlösung ganz, ganz starke 'Touch' und 'Schau' Signale auftrainieren. Zuerst in völlig ablenkungsfreier Umgebung, bis beide Signale bombensicher sitzen. Dann gehst Du einen kleinen Schritt weiter: ins Treppenhaus, vor die Tür, im Walt - immer vorausgesetzt, da fahren keine Autos. Erst wenn das problemlos und wirklich immer klappt dann kannst Du es wagen, auf grösstmöglichste Distanz (wir können da, je nach Hund, durchaus von 100 bis 200 Metern oder sogar noch mehr sprechen) einmal mit vorbeifahrenden Autos zu trainieren und zu sehen, ob der Hund noch ansprechbar ist. Klappt das - und zwar genau so zuverlässig wie zuhause und an allen anderen Orten, an denen Du vorher trainiert hast - kannst Du beginnen, langsam, wirklich langsam und mit vielen, vielen Pausen dazwischen über Tage und Wochen die Distanz zu den fahrenden Autos zu verringern.
Das ist aber nur ein kleiner Anfangsansatz und wird Dein Problem noch nicht vollständig lösen. Dafür, denke ich, bräuchtest Du wirklich einen (guten!) Trainer. Ausserdem braucht Dein Hund auch unbedingt eine (sinnvolle) Beschäftigung, bei der er seine Talente und Neigungen ausleben kann. Um da konkreter Rat zu geben, müsste ich den Hund aber kennen. Nur so viel: Bälle werfen wäre allerdings, gerade bei einem so jungen Hund, nicht unbedingt mein Mittel der Wahl.
Edit: ach so, ich sehe flying-paws hat sich auch schon bemüht. Naja. Auch meiner Meinung nach führt kein (vernünftiger) Trainingsansatz an der anfänglichen Vermeidung jeglicher(!) Strassen vorbei.